258 2. Die Srädtiſche Darlehnskaſſe hat den Zwec, Bürgern der Stadtgemeinde Charlottenburg zur Abwendung eines vorübergehenden Notſtan⸗ des Darlehen auf Schuldſchein oder Wechſel bei der Behandlung von Ausländern, die in Deutſch⸗ bei hinreichender Sicherheit zu gewähren. 3. Die Summe des an eine Perſon zu gewäh⸗ renden Darlehns darf die Höhe von 3000 %ℳ — in Worten: „dreitauſend Mark“ —, die Dauer des Darlehns den Zeitraum von 12 Monaten nicht überſchreiten. Bei Dar⸗ lehen auf Schuldſchein iſt in der Regel vier⸗ zehntägige Kündigung vorzubehalten. Darlehen auf Wechſel iſt eine Zahlungsfriſt von in der Regel nicht länger als 3 Monaten feſtzuſetzen und eine Verlängerung des Dar⸗ lehns in der Regel von einer Teilzahlung in Höhe von ⅝ der Darlehnsſchuld abhängig zu machen. Der Zinsfuß für die Darlehen iſt % über dem Zinsfuß feſtzuſetzen, den die ſtaatlichen Darlehnskaſſen nach § 8 des Reichsgeſetzes vom 4. Auguſt 1914 zur Zeit der Hingabe des Darlehens erheben. Die Zinſen ſind in der Regel bei Hingabe des Darlehens von der Darlehensvaluta zu kürzen. 4. Die Ausführung dieſes Beſchluſſes wird einem Ausſchuß übertregen, zu deſſen Mitgliedern die Mitglieder des Vorſtandes der ſtädtiſchen Sparkaſſe und außerdem noch zwei Stadt⸗ verordnete gewählt werden. Die von dieſem Ausſchuß getroffene Entſcheidung über die Anträge auf Gewährung von Darlehen iſt endgültig. Und wählt entſprechend dem Antrage des Bericht⸗ erſtattes die Stadtv. Neumann und Klick zu Ausſchußmitgliedern.) Vorſteher Dr Frentzel: Das Protokoll der heutigen Sitzung vollziehen die Herren Kollegen Klick, Laskau und Leupold. Wir kommen dann zu der dringlichen Vorlage betr. Pachtzahlung der Schillertheater⸗Aktien⸗ geſellſchaft während des Krieges. Stadtv. Dr Borchardt: Meine Herren! Meine Freunde haben gegen die Vorlage nichts ein⸗ zuwenden; ſie werden ihr zuſtimmen. Ich möchte aber um die Erlaubnis bitten, bei dieſer Gelegenheit eine Sache zur Sprache zu bringen, von der ich nicht weiß, ob ſie gerade beim Schillertheater zutrifft, die alſo inſofern vielleicht nur in ſehr loſem oder keinem unmittelbaren Zuſammenhange mit der Vorlage ſteht. Jedenfalls trifft ſie bei unſerem Opernhaus u, und inſofern dürfte ja vielleicht ein mittelbarer uſammenhang mit der Vorlage vorhanden ſein. Meine Herren, es iſt ja geradezu erhebend, mit welcher Einmütigkeit in der gegenwärtigen Zeit die ganze Nation zuſammenſteht. (Bravo! auf allen Seiten.) Aber in dieſe Dinge, die einen mit wahrhafter Freude erfüllen können, miſcht ſich doch immerhin ein leiſer Mißklang durch Auswüchſe recht chauvi⸗ niſtiſcher Art, die dem deutſchen Weſen doch eigentlich fernliegen ſollten und in ruhigen Zeiten ja wohl auch fernliegen. Es iſt ja immerhin ver⸗ ſtändlich, daß in der allererſten Zeit nach dem Kriegs⸗ Bei Außerordentliche Sitzung vom 26. Auguſt 1914 ausbruch der Chauvinismus, der in andern Ländern gziemlich hohe Wellen zu ſchlagen ſcheint, ſich auch bei uns in Deutſchland hier und da in unſchöner Art geltend machte. Aber derartige Dinge, wie ſie land wohnen, in die Erſcheinung traten und treten, ſollten doch nunmehr allmählich abgeebbt ſein; man ſollte doch nunmehr wohl zu einem Zuſtand ge⸗ kommen ſein, in dem man auch die Ausländer, die bei uns in Deutſchland leben, zu ihrem Rechte kommen läßt. Da, muß ich ſagen, hat es mich mit großem Mißfallen erfüllt, als ich hörte, daß bei unſerer Oper, zu deren Perſonal einige Deutſch⸗Ruſſen oder Deutſch⸗ Polen gehören, Leute, die jahrzehntelang bei uns in Deutſchland leben und wirken und die ſich voll⸗ tommen als Deutſche fühlen, die auch verſucht haben, ihre Naturaliſation als Deutſche zu erreichen, — daß man deswegen, weil dieſe Leute zufällig ruſſiſche Untertanen ſind, gegen ſie in ſchroffer Weiſe vor⸗ geht, ſie von ihrer Betätigung zurückzuhalten ſucht. Es muß einen doch wundernehmen, wenn man be⸗ merkt, daß bei der Oper, mit der am nächſten Sonn⸗ tag die neue Spielzeit wieder eröffnet wird, eine an⸗ dere Beſetzung und Dirigierung ſtattfindet als früher, wenn man bedenkt, daß es ſich dabei um Perſonen han⸗ delt, die eben Deutſch⸗Ruſſen ſind, und wenn man hört, daß an die Direktion Briefe gelangt ſind, in denen mit Skandalen gedroht wird, wenn dieſe Deutſch⸗Ruſſen, wenn etwa der Kapellmeiſter Waghalter, der ein Deutſch⸗Pole iſt, oder wenn ein Sänger, der ein Deutſch⸗Ruſſe iſt und der früher in dieſer Oper mitwirkte, weiter beſchäftigt werden. Das ſind Aus⸗ brüche eines Chauvinismus, die auf jeden Fall zurückgewieſen werden müſſen, die wir doch wohl als Stadtgemeinde nicht mitmachen. Wir führen doch nicht Krieg gegen das ruſſiſche Volk! So wenig, wie bei uns irgend jemand aus dem Volke den Krieg gewünſcht hat, ſo wenig hat ihn auch aus dem ruſſiſchen Volke irgend jemand gewünſcht, (Na, na! bei der Vereinigten alten Fraktion.) ſondern wir führen doch Krieg gegen die ruſſiſche Regierung, gegen den Zarismus, der gerade im ruſſiſchen Volke ſehr bittere Feinde hat und zu deſſen bitterſten Gegnern doch wohl auch gerade die e gehören, die bei uns in Deutſchland eben. Deswegen, meine Herren, möchte ich den Ma⸗ giſtrat bitten, ſoweit ſein Einfluß reicht, darauf hin⸗ zuwirken, daß ſich die Direktion durch ſolche chauviniſtiſchen Einflüſſe in keiner Weiſe bei der künſtleriſchen Geſtaltung ihrer Darbietungen be⸗ einfluſſen und einſchüchtern läßt. Bürgermeiſter Dr Maier: Meine Herren! Die Mitteilungen des Herrn Stadtv. Dr Borchardt werden Ihnen wahrſcheinlich ebenſo überraſchend ſein wie uns hier vom Magiſtrat. Ich bin gar nicht in der Lage, auf dieſe Mitteilungen irgendwelche Aus⸗ kunft zu geben. Ich halte es aber für ganz ſelbſt⸗ verſtändlich, daß ſowohl Direktion wie Aufſichtsrat die Geſchäftsführung in der Oper ſo geſtalten werden, wie das unſerem kulturellen Empfinden entſpricht und daß da keinerlei Uebergriffe vorkommen, die wir als Deutſche mit unſerem kulturellen Empfinden ver⸗ urteilen müßten. Ich glaube, daß dieſe Erklärung genügt und eine weitere Erörterung überflüſſtg iſt,