1Sitzung vom 23. friedliche Zeiten zugeſchnittenen Statuten ge⸗ währen wollen und gewähren müſſen. Des⸗ wegen wünſchen wir, wie geſagt, keine An⸗ rechnung der gewerkſchaftlichen Arbeitsloſenunter⸗ ſtützung, zum mindeſten nicht gegen den Willen der Berufsorganiſationen, ſondern wir ſind der Mei⸗ nung, daß darüber, ob die gewerkſchaftliche Arbeits⸗ loſenunterſtützung auf die Arbeitsloſenunterſtützung überhaupt anzurechnen iſt, die Gewerkſchaft, die Be⸗ rufsorganiſation ſelbſt entſcheiden ſoll. Deswegen beantragen wir auch unter Ziffer 3, daß für ſolche Perſonen, die von einer Berufsorganiſation Arbeits⸗ loſenunterſtützung beziehen, die kommunale Arbeits⸗ loſenunterſtützung nicht an die Perſon, ſondern an die Berufsorganiſation gezahlt wird, daß die Abrech⸗ nung mit der Berufsorganiſation geſchieht. Dadurch würde den Berufsorganiſationen vollkommen freie Hand gelaſſen ſein, zu beſtimmen, ob außer der kom⸗ munalen Arbeitsloſenunterſtützung noch eine von der Berufsorganiſation zu zahlende eintreten ſoll oder nicht. Meine Herren, über die Höhe der Unter⸗ ſtützungsſätze haben wir in dem Antrag natürlich nichts geſagt; denn der Antrag erſucht ja den Magi⸗ ſtrat um eine Vorlage, zu der nur die grundſätzlichen Beſtimmungen in dieſen Ziffern feſtgelegt ſind. Auf die Einzelheiten und ſpeziell auf die Höhe des Unterſtützungsſatzes konnten wir in dieſem Antrage natürlich noch nicht eingehen; das wollten wir der Vorlage des Magiſtrats überlaſſen. Ein ſehr weſentlicher Umſtand, der uns zu dem Antrage veranlaßt, iſt eben auch der, daß die Stadt Berlin bei ihrem Syſtem der laufenden Unter⸗ ſtützungen mit den Gewerkſchaften in Verbindung getreten iſt, daß die Gewerkſchaften die Kontrolle über die Frage übernehmen, ob der Unterſtützungs⸗ fall eingetreten iſt oder nicht, daß alſo die Gewerk⸗ ſchaften auch die Kontrolle über die Arbeitsloſigkeit und die Fortdauer der Arbeitsloſigkeit bei ihren Mitgliedern ausüben. Es iſt das ein außerordent⸗ lich weſentlicher und wichtiger Umſtand, eine außer⸗ ordentliche Erleichterung auch für die Stadt⸗ gemeinde, die wir ebenſo, wie ſie in Berlin beſteht, für Charlottenburg wünſchen, und es liegt auch auf der Hand, daß bei der Einheitlichkeit des Wirt⸗ ſchaftsgebietes von Groß⸗Berlin eine gewiſſe Ein⸗ heitlichkeit der Maßnahmen bei der Unterſtützung Arbeitsloſer Platz greifen ſollte. Auch in Berlin verſchließt man ſich ja dieſer Sachlage nicht, und aus den Zeitungen haben wir erfahren, daß der Berliner Oberbürgermeiſter eine Beſprechung dieſer Frage mit den Vertretern der Vororte angeregt hat, und daß dieſe Beſprechung morgen ſtattfinden ſoll. Da die Dinge nun ſo liegen, daß über ein ein⸗ heitliches Vorgehen in Groß⸗Berlin ſeitens der Magiſtrate ſowieſo beraten werden ſoll, können wir nicht empfehlen, unſeren Antrag heute ohne weiteres anzunehmen, ohne das Reſultat dieſer Beſprechungen abzuwarten. Deswegen beantragen wir, den An⸗ trag heute in eine Kommiſſion zu verweiſen, in der das Reſultat dieſer Beſprechung mit berückſichtigt werden kann, ſo daß dann ohne einen Zeitverluſt hier eine Vorlage zur Erledigung kommen kann. Würde nicht ſo verfahren werden, würde der Antrag heute durch Vertagung vorläufig erledigt werden, ſo würde, wenn das Reſultat der Beſprechungen vor⸗ liegt, dann erſt wieder hier der Antrag zur Verhand⸗ lung kommen, und meine Freunde fürchten, daß da⸗ September 1914 271 durch die Angelegenheit etwas verſchleppt werden würde. Um möglichſt ſchnell zu einer Erledigung zu kommen, beantragen wir daher, ſchon heute eine Kommiſſion zu wählen, die dann den Antrag mit dem Reſultat der Beſprechungen in Berlin verhan⸗ deln kann. Bürgermeiſter D. Maier: Meine Herren! Der Antrag des Herrn Stadtv. Dr Borchardt, zunächſt einmal die Verhandlungen der morgigen Sitzung in Berlin abzuwarten, iſt mir durchaus ſympathiſch; weil wir erſt, nach⸗ er iſt auch zweckmäßig, dem dieſe Beratungen ſtattgefunden haben, einen klaren Ueberblick darüber gewinnen können, wie ſich die Verhältniſſe in Groß⸗Berlin ge⸗ ſtalten werden. Dagegen glaube ich, daß ſein Antrag, ſchon heute einen Ausſchuß einzuſetzen, verfrüht iſt; denn ohne eine Generaldebatte im Plenum ſcheint mir die Ueberweiſung eines ſolchen Antrages in einen Ausſchuß unzweckmäßig. Anderſeits werden Sie mir zugeben, daß eine Generaldebatte über eine Frage, die von Herrn Stadtv. Dr Borchardt ſelber als unge⸗ klärt bezeichnet wird, auch nicht angängig iſt. Eine Verzögerung braucht nicht ſtattzufinden; denn Sie wiſſen, daß wir jetzt auch eventuell außerordentliche Stadtverordnetenverſammlungen zuſammenberufen und in einer ſolchen ſchließlich über dieſen Antrag beraten können. Eine außerordentliche Stadtverord⸗ netenverſammlung habe ich ja ſchon aus Anlaß der Ankündigung einer Vorlage über eine Mietsdarlehns⸗ kaſſe in Ausſicht geſtellt. Ich möchte aber hier ſchon bemerken, meine Herren, daß der Magiſtrat gegen den Antrag erheb⸗ liche grundſätzliche Bedenken hat, die ſich nach drei Richtungen hin erſtrecken: einmal, ſoweit der Antrag an Stelle einer Individualunterſtützung eine firierte Normalunterſtützung fordert, zweitens, ſoweit er die Frage der Bedürftigkeit als Vorausſetzung für die Gewährung einer Unterſtützung ausſchalten und ledig⸗ lich die Vorausſetzung der Arbeitsloſigkeit für die Ge⸗ währung einer Unterſtützung beſtimmen will, und drittens, ſoweit er die Entſcheidung über die Frage der Gewährung einer Unterſtützung der Gemeindever⸗ waltung entziehen will. Meine Herren, wir werden bei der Beurteilung des Antrages der Herren Ahrens und Genoſſen nicht frei ſein; denn Sie wiſſen, daß die Provinzialverwaltung einen grundſätzlichen Be⸗ ſchluß gefaßt hat, der dahin geht, daß den Gemein⸗ den, die zur Provinz Brandenburg gehören, 50% der bei ihnen gewährten Unterſtützungen an Arbeits⸗ loſe erſtattet werden ſollen, und zwar bis zu einem fixierten Maximalbetrage von 50 § für das Fa⸗ milienoberhaupt und von 30 5 für jedes Familien⸗ mitglied. Der Provinziallandtag geht aber ganz un⸗ zweifelhaft von der Individualunterſtützung aus, und nach einer heutigen Beſprechung, die mit Mitaliedern des Provinzialausſchuſſes ſtattfand, wird durch eine beſondere Anweiſung des Provinzialausſchuſſes dieſer Standpunkt der Provinz noch beſonders zum Aus⸗ druck gebracht werden. Meine Herren, die Gründe, die Herr Stadtv. Dr Borchardt hier gegen die Individualunterſtützung geltend gemacht hat, richten ſich gegen jede Form der Unterſtützung, die nach denſelben Geſichtspunkten ſtattfindet, wie ſie gegenwärtig in den Unterſtützungs⸗ kommiſſionen gehandhabt wird. Sie würden damit, dem ganzen Armenweſen ſo, wie es in der modernen Armenpflege ausgebildet iſt, das Grab graben, ſie