272 Sitzung vom 23. würden alle Fortſchritte der individuellen Armen⸗ pflege mit einem Schlage ertöten, wenn das richtig iſt, was Herr Stadtv. Dr Borchardt ausgeführt hat. Ich will aber zugeben, daß ein Bedürfnis beſteht, Normen und Grundſätze aufzuſtellen, die eine gewiſſe Ungleichheit, die Herr Stadtv. Dr Borchardt mit Recht gerügt hat, in den einzelnen Unterſtützungs⸗ kommiſſionen beſeitigen und auf dieſe Weiſe das er⸗ reichen, was Herr Stadtv. Dr Borchardt und ſeine Freunde mit dieſem Antrag anſtreben. Ich glaube, daß es zweckmäßig ſein wird, daß der Magiſtrat ge⸗ wiſſe Normen in Uebereinſtimmung mit den Unter⸗ ſtützungskomiſſionen und ihren Vorſitzenden erläßt, ſo daß damit die weſentlichſten Bedenken des Herrn Stadtv. Dr Borchardt und ſeiner Freunde beſeitigt werden. Ich bin auch der Meinung, daß es wahr⸗ ſcheinlich notwendig ſein wird, daß der Magiſtrat in nicht zu ferner Zeit mit einem Antrag auf Erweite⸗ rung des Kredits für die Gewährung derartiger Un⸗ terſtützungen an die Stadtverordnetenverſammlung herantreten muß; denn ich glaube, daß die zur Ver⸗ fügung geſtellten Mittel auf die Dauer nicht aus⸗ reichen werden. Dann, meine Herren, wird auch even⸗ tuell Zeit ſein, daß die Sadtverordnetenverſammlung die Bedingungen und Forderungen ſtellt, die ſie im Intereſſe einer gleichmäßigen Handhabung der Unter⸗ ſtützungsangelegenheiten ſtellen zu müſſen glaubt. (Bravo!) Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren! Meine Freunde hatten die Abſicht, einen Antrag zu dieſem Punkte der Tagesordnung zu ſtellen, der falgenden Wortlaut haben ſollte: Der Magiſtrat wird erſucht, in Erwägung zu ziehen, ob für die Unterſtützung der Ar⸗ beitsloſen durch die Kriegs⸗Unterſtützungs⸗ kommiſſtonen beſtimmte Grundſätze aufzu⸗ ſtellen ſind. Nach dem, was Sie eben von dem Herrn Bürger⸗ meiſter gehört haben, hat der Magiſtrat bereits die Abſicht, ſich damit zu beſchäftigen, eventuell Grund⸗ ſätze aufzuſtellen und die Schwierigkeiten, von denen Herr Kollege Dr Borchardt ſprach, zu beheben. IIm übrigen glaube ich, daß der jetzige Zeitpunkt nicht geeignet iſt, auf die grundſätzliche Frage der ganzen Arbeitsloſenunterſtützung einzugehen. Meine Freunde teilen die Bedenken, die der Herr Bürger⸗ meiſter in dem beſonderen Falle eben geäußert hat. Ich möchte noch ein Bedenken hervorheben, nämlich die Schwierigkeit, die Fälle, wo bei einer Kriegs⸗ Unterſtützungskommiſſion Kriegsfälle mit Arbeits⸗ loſigkeit verbunden ſind, von denjenigen zu trennen, wo nur Arbeitsloſigkeit vorhanden iſt. Das rein ſchematiſch zu machen, wie Berlin es getan hat, geht ſehr ſchwer. Ich glaube, wir werden mit dem Modus, den wir bisher beobachtet haben, ganz gut weiter kommen, vorausgeſetzt, daß derartige allgemeine Grundſätze aufgeſtellt werden. Vorhin hatte Herr Kollege Dr Borchardt auch davon geſprochen, daß eventuell ja auch die Verta⸗ gung in Ausſicht genommen werden könnte. Ich möchte mich dazu nicht weiter äußern, ſondern ab⸗ warten, wie ſich die anderen Kollegen in der Stadt⸗ verordnetenverſammlung zu der Sache ſtellen, und zunächſt alſo von einem Antrag abſehen. September 1914 Stadtv. Otto: Meine Herren! Ich glaube, nach den Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters wird ſich auch Herr Kollege Dr Borchardt davon überzeugt haben, daß in der Sache nichts Weſentliches dadurch geſchieht, wenn wir heute den Antrag ſeiner Freunde einem Ausſchuß überweiſen, ſondern daß wir keiner⸗ lei Schaden anrichten, wenn wir dieſen Punkt, wie das meine Freunde beantragen, von der heutigen Tagesordnung abſetzen und die Beſprechung wie auch die Beſchlußfaſſung über den Antrag vertagen. Ich ſtelle alſo dementſprechend einen Vertagungsantrag. Ich will materiell auf die Frage, die uns ja natürlich noch des öfteren beſchäftigen wird und über die außerordentlich viel zu ſagen iſt, hier nicht ein⸗ gehen, ſondern mich darauf beſchränken, allgemein den drei Bedenken, die der Herr Bürgermeiſter gegen den Antrag hervorgehoben hat, beizutreten. Herrn Kollegen Dr. Borchardt, der ja ſelbſt Mitglied des Provinziallandtages iſt, wird ja die Mitteilung des Herrn Bürgermeiſters über die Stellung des Provinzialausſchuſſes in ſeiner heutigen Sitzung beſonders intereſſant geweſen ſein, und ich habe zu ihm das volle Vertrauen, daß er ſich die ſchweren Be⸗ denken nicht verhehlt, die ſich nach dieſer Stellung⸗ nahme des Provinzialausſchuſſes für Charlotten⸗ burg ergeben, wenn wir den Antrag ſo, wie er uns hier ſeitens der Herren Ahrens und Genoſſen vor⸗ liegt, annehmen. Dazu kommt nun die Beſprechung, die morgen in Berlin ſtattfindet und die ja erſt die weitere Grundlage für die ganze Frage geben wird. Was dieſe Beſprechung angeht, an der ja unſer Magiſtrat, wie wir gehört haben, beteiligt ſein wird, ſo habe ich im Auftrage meiner Freunde dazu dem zuſtändigen Herrn Magiſtratsvertreter zwei Bitten zu unterbreiten. Es möchte einmal in der morgigen Beſprechung nicht nur darauf Bedacht genommen werden, über die Frage der Arbeitsloſenunterſtützung ſelbſt zu verhandeln, ſondern erneut die ja ſchon ſo oft geprüfte und auch von uns eingehend behandelte Frage weiterer Arbeitsvermittlung er⸗ örtert werden. Zum zweiten möchten wir bitten, daß die allerdings ſehr ſchwer zu löſende Frage, wie der Arbeitsloſigkeit der geiſtigen Ar⸗ beiter auch ſeitens der Gemeinden näher getreten werden kann, dort eingehend geprüft werden möchte. Sollten dieſe beiden Fragen im Rahmen der morgi⸗ gen Beſprechung nicht genügend zu ihrem Rechte kommen, ſo haben wir das Zutrauen, daß unſer Magiſtrat dieſe beiden Geſichtspunkte in ſeinen weiteren Beratungen über die Frage ernſthaft ins Auge faſſen wird. Stadtv. Hirſch: Meine Herren! Ich möchte im gegenwärtigen Moment materiell auf unſeren An⸗ trag nicht eingehen, ſondern mich nur gegen den An⸗ trag des Herrn Kollegen Otto wenden, der unſeren Antrag von der Tagesordnung abſetzen will. Herr Kollege Otto ſowohl als auch der Herr Bürger⸗ meiſter ſind der Anſicht, daß durch die Abſetung des Punktes von der Tagesordnung keine Verzögerung eintritt, und der Herr Bürgermeiſter ſpeziell führte aus, daß ja jederzeit eine außerordentliche Stadt⸗ verordnetenverſammlung einberufen werden könne. Die außerordentliche Stadtverordnetenverſammlung würde aber doch früheſtens in der nächſten Woche zu⸗ ſammentreten, und wenn wir dann erſt unſern An⸗ trag einem Ausſchuß überweiſen, ſo würde zum min⸗ deſten eine Verzögerung um eine Woche eintreten.