277 Sitzung vom 14. Oktober 1914 den Grundbeſitzer, ſondern tatſächlich für den Mieter verlangt wird. (Sehr richtig!) Sie ſtützen ja doch den Mieter und nur indirekt den Hauswirt. Ich bitte, ganz beſonders unter dieſem Geſichtspunkt auch die Vorlage betrachten zu wollen. Ich muß ſagen: ich bin geradezu erſtaunt darüber, wo in dieſer ſchweren Zeit die Mietervereinigungen bleiben. So lange, wie es ſich darum handelte, kräf⸗ tig dreinzureden, um Beſtimmungen gegen den Wirt zu erlaſſen, Ordnungen feſtzuſetzen, da waren die Mietervereinigungen da. Jetzt, wo es ailt, die Kaſtanien aus dem Feuer zu holen, überläßt man es großmütigerweiſe den Grundbeſitzervereinen. (Heiterkeit.) Die Grundbeſitzervereine haben ſich rechtzeitig be⸗ müht, zu helfen, wo ſie nur können, und zwar zu⸗ gunſten der Mieter. Wir Grundbeſitzer treten ein für die Allgemeinheit, wir treten auch ein für die Mieter. Und wie wir für die Allgemeinheit ein⸗ treten, das kann meiner Anſicht nach nicht oft genug beleuchtet werden. Es ſind koloſſale Werte, die auf dem Spiele ſtehen, Werte, die von den Grundbe⸗ ſitzern geſchützt werden müſſen. Ich habe die Zahlen ausgezogen; ich glaube, daß ſie für manchen von uns auch noch von Intereſſe ſind. Der Wert der bebauten Grundſtücke in Char⸗ lottenburg beträgt beiſpielsweiſe nicht weniger als 1 668 Millionen ℳ. Wenn man dieſe Summe zu dem Grundſtücksvermögen in Preußen, das auf 40 Milliarden ℳ geſchätzt wird, in Beziehung ſetzt, ſo muß man ſagen, daß die Grundbeſitzer der Stadt Charlottenburg doch einen ganz ſtattlichen Anteil am Nationalvermögen repräſentieren. Dazu kommt der unbebaute Grund und Boden mit 151 Millionen Mark. Und nun, meine Herren, was die Haupt⸗ ſache iſt: welche Steuern werden denn von den Grund⸗ beſitzern, die dieſe Werte ſchließlich halten müſſen, aufgebracht? Es ſind nicht weniger als 5 315 400 Mark Gemeindegrundſteuern, 900 000 ℳ Umſatz⸗ ſteuern, 1 949 500 ℳ Waſſergeld, 102 000 ℳ Waſſer⸗ mieten, 500 000 ℳ für Beleuchtung und 666 972 Mark müſſen für die Müllbeſeitigung gezahlt wer⸗ den. Dazu kommt, daß auch die Kanaliſationsge⸗ bühren mit 1 205 000 ℳ von dem Grundbeſitz voll aufgebracht werden müſſen. Und dieſe großen von den Grundbeſitzern zu ſchützenden Werte ſind mit einem Nutzungswert von 74 108 000 ℳ geſchätzt, Summen, die in ſtetem Wechſel durch die Allgemein⸗ heit gehen. Das ſind koloſſale Zahlen, das ſind ganz erhebliche Werte. Daneben iſt auch zu beachten, meine Herren, daß die Hausbeſitzer doch nicht nur Hauswirte ſind, ſondern Mitbürger, die von der Kriegsnot in der gleichen Weiſe betroffen werden wie alle übrigen. Nur ein verhältnismäßig kleiner Teil beſtreitet allein von den Einnahmen des Hauſes ſein Daſein. Alle übrigen Hausbeſitzer werden genau ſo wie alle übri⸗ gen Bewohner der Stadt von der Kriegsnot be⸗ troffen. Es muß alſo im Intereſſe des einzelnen wie auch im Intereſſe der Allgemeinheit Hilfe ein⸗ treten, und wir werden neben der zu gründenden Kaſſe einen gangbaren Weg ſuchen müſſen, auf dem wir auch den Hausbeſitzern ebenſo wie den Kriegs⸗ teilnehmern noch direkte Hilfe leiſten können. Es iſt überall, namentlich von den Hypotheken⸗ banken, anerkannt worden, daß zum 1. Oktober die Zinſen von den Grundſtücksbeſitzern ſehr gut ein⸗ gegangen ſind. Es ſcheinen alſo keine böswilligen Hausbeſitzer oder ſolche nur in ſehr geringer Zahl vorhanden zu ſein. Von böswilligen Mietern haben wir in den Zeitungen der Grundbeſitzer in vielen Fällen gehört. Man kann wohl annehmen, daß der Hausbeſitzer bisher infolge geringer flüſſiger Mittel oder durch erſparte Summen ſeinen Zinsverpflich⸗ tungen gerecht geworden iſt. Man wird aber nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß zum 1. Januar die Zinſen ganz erheblich ſpärlicher fließen werden, und wir haben ja heute in der Stadt Charlottenburg ſchon die Erfahrung gemacht, daß namentlich die Grundſteuern nicht mehr mit der Pünktlichkeit ein⸗ gegangen ſind wie bisher. Deshalb iſt alſo unbedingte Hilfe nötig. Aber woher die Hilfe nehmen? Man könnte ſagen: wenn die Grundbeſitzer ſehr viel Gemeindegrund⸗ ſteuern zahlen — über 5 Millionen —, ſo erlaſſe man ihnen dieſe zum Teil. Das iſt natürlich ein Weg, der für dieſes Etatsjahr nicht gangbar iſt; er iſt vielleicht für das nächſte Etatsjahr möglich. (Hört! hört!) Wir werden uns ſehr überlegen müſſen, wie hoch wir im nächſten Jahr die Grundſteuer veranlagen ſollen; für dieſes Jahr läßt ſich in dieſer Beziehung nichts machen. Wir können weiter ſagen, daß wir vielleicht auf die Erhebung von Gas⸗ und Waſſer⸗ geld verzichten können, um dadurch den Grund⸗ beſitzern die Zinszahlung zu erleichtern. (Unruhe und Rufe: Zur Sache!) Vorſteher Dr. Frentzel (unterbrechend): Ich möchte Sie daran erinnern, Herr Kollege Rieſen⸗ berg, daß Sie allmählich anfangen, ſich vom Thema ſehr weit zu entfernen. Stadtv. Rieſenberg (fortfahrend): Herr Vor⸗ ſteher, ich kann, glaube ich, von meinen Ausführun⸗ gen durchaus ſagen, daß ſie in ſehr enger Beziehung zum Thema ſtehen; ich ſuche neben der Vorlage Wege, die die Mietezahlung erleichtern ſollen. Ich möchte um die Erlaubnis bitten, fortzufahren und Mittel und Wege hier vorſchlagen zu dürfen, wie in ſchneller und gaa 40 Weiſe dem Grundbeſitz geholfen werden ann. (Stadtv. Hir ſch: Laſſen Sie ihn doch weiterreden!) Es könnte die Frage aufgeworfen werden, ob wir vielleicht durch den Erlaß von Gas⸗ und Waſſer⸗ geldern den Grundbeſitzern unter die Arme greifen können. Dieſe Beträge ſind zum Teil nicht ſo er⸗ heblich, und es muß berückſichtigt werden, daß es auch ſogenannte gute Häuſer gibt. Es würde dann den Hausbeſitzern gewiſſermaßen ein Geſchenk gemacht werden, die unter der Kriegsnot nicht zu leiden haben. Die Kanaliſationsgebühren können wir nicht ent⸗ behren, wir dürfen ſie geſetzlich auch nicht abſetzen. Auf ſteuertechniſchem Gebiete ſcheint daher eine ener⸗ giſche Hilfe außerordentlich ſchwer zu leiſten zu ſein. Nun hat in Groß⸗Berlin ein ſehr bekannter Herr, Herr Kommerzienrat Haberland, einen Vorſchlag ge⸗ macht, um möglichſt ſchnell und energiſch den not⸗