284 dig, und zwar die Landesverſicherungsanſtalt in allen den Fällen, wo der zu Unterſtützende während eines Jahres bei ihr verſichert war und in dieſem einen Jahre 26 Beitragsmarken geklebt hat. Damit fällt die große Mehrzahl der in Betracht kommen⸗ den Fälle von vornherein der Landesverſicherungs⸗ anſtalt zu. Die übrigen bleiben für die Stadt Berlin, die von den Grundſätzen der Landesverſiche⸗ rungsanſtalt vollſtändig unabhängig vorgehen kann, ſo wie es ihr beliebt, während unſer Vorgehen, wie ich eben ſchon ausführte, falls wir auf eine Rück⸗ erſtattung von der Landesverſicherungsanſtalt und der Provinz rechnen, ſich auch nach den Grundſätzen richten muß, die von den beiden, alſo z. B. von dem Provinzialausſchuß, aufgeſtellt ſind. — Ich will aber nicht verhehlen — Sie geſtatten mir, dieſe all⸗ gemeine Bemerkung hieran zu knüpfen, die ich auch dort in der Verſammlung der Groß⸗Berliner Ge⸗ meindevertreter gemacht habe —, daß ich, auch von dieſem äußern Grunde abgeſehen, es für in jeder Be⸗ ziehung gerechtfertigt halte, daß die Unterſtützung nur in denjenigen Fällen gewährt wird, wo das Bedürfnis nach Unterſtützung feſtgeſtellt iſt. Meine Herren, ich bitte Sie recht dringend was übrigens auch der Vertreter der Antragſteller in der vorigen Sitzung getan hat —, die Arbeits⸗ loſen unterſtützung, die hier beantragt iſt, ſtreng zu trennen von der Arbeitsloſen verſiche⸗ rung und alle die Grundſätze, die bei einer Arbeitsloſenverſicherung zur Geltung kommen müß⸗ ten, nicht etwa ohne weiters auf dieſe Unterſtützung zu übertragen; denn ſie ſtehen zum Teil in ſtrikbem Gegenſatze dazu. Mit dem Begriffe der Unter⸗ ſtützung iſt ſchon geſagt, daß ein Bedürfnis vorliegen muß. Denn ſonſt beſteht gar keine Berechtigung, die Unterſtützung zu gewähren. Wenn das ſchon im all⸗ gemeinen gilt, ſo muß es jetzt ganz beſonders gelten, wenn wir die Geſetzeslage berückſichtigen für die⸗ jenigen, die durch den Krieg unmittelbar geſchädigt ſind. Dieſe unmittelbar Geſchädigten ſind zweifel⸗ los die Familien der Kriegsangehörigen, denen der Ernährer genommen iſt. Bei denen, die arbeitslos geworden ſind, wollen wir die wohlwollende An⸗ nahme machen, daß die alleinige Urſache der Arbeits⸗ loſigkeit der Kriegszuſtand ſei, was natürlich in einer ganzen Anzahl von Fällen nicht einmal zutrifft. Aber ſelbſt dann ſind dieſe Arbeitsloſen erſt die mittelbar Geſchädigten. Für die unmittelbar Ge⸗ ſchädigten, die Angehörigen der Kriegsteilnehmer, verlangt das Geſetz den Nachweis der Bedürttigkeit, ehe eine Unterſtützung gewährt werden darf. Es wäre meiner Anſicht nach durchaus ungerecht, wenn wir für die mittelbar Geſchädigten von dieſer Forde⸗ rung abgehen würden. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Weiterhin wird ſich dann auch logiſch ergeben, daß die Unterſtützung nach dem Grade der Bedürf⸗ tigkeit zu bemeſſen iſt. Damit würde für uns auch eine Forderung fortfallen, die der Antrag Ahrens ſtellt, daß nämlich die Unterſtützung zu gewähren iſt ohne Berückſichtigung derjenigen Zuwendungen, die von anderer Seite, etwa von den Organiſationen, den Arbeitsloſen gewährt werden. Von der großen Mehrzahl der Groß⸗Berliner Vertreter iſt darüber kein Zweifel gelaſſen worden, und ich will ausdrück⸗ lich betonen, daß ein Antrag, wie er hier in dem An⸗ Sitzung vom 14. Oktober 1914 trage Ahrens vorliegt, die Gewährung von Unter⸗ ſtützungen ſeitens der Organiſationen bei Bemeſſung der Gemeindeunterſtützung überhaupt nicht zu be⸗ rückſichtigen, in der Gemeindevertreterkonferenz von keiner Seite geſtellt wurde, daß eine ſolche Anregung auch von den anweſenden Vertretern der Organi⸗ ſationen nicht gegeben wurde, ſondern daß es ſich in der Erörterung immer nur darum drehte, ob eine nur teilweiſe Anrechnung derartiger Unterſtützungen möglich iſt und in welcher Weiſe ſie am beſten zu erfolgen hat, ob darin eine Einheitlichkeit herbei⸗ geführt werden kann. Eine volle Einheitlichkeit konnte nicht herbeigeführt werden; aber die große Mehrzahl der Vertreter hat ſich doch freundlich zu dem Gedanken geſtellt, daß man den Gedanken der Selbſthilfe, wie er in den Organiſationsunter⸗ ſtützungen zum Ausdruck kommt, eine Anerkennung wohl zuteil werden laſſen könne, indem man eben dieſe Unterſtützung bei Bemeſſung der gemeindlichen Unterſtützungen nur zum Teil, etwa zu 50%, in Anrechnung bringt. Für dieſen Gedanken hat ſich die Mehrheit der Vertreter teils mit, teils ohne Vor⸗ behalt ausgeſprochen. Ich will noch hinzufügen, daß nach einem neueren Beſchluſſe des Provinzialaus⸗ ſchuſſes ein ſolches Vorgehen den Gemeinden auch erleichtert wird, daß ihnen, wenn ſie ſo verfahren, bei der Erſtattung des anteiligen Betrages von der Provinz und der Landesverſicherungsanſtalt Bran⸗ denburg keine Schwierigkeiten erwachſen werden. Das wäre das, was ich zunächſt referierend zu der Angelegenheit zu bemerken hätte. Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren! Ich will die Begründung, die ich in der vorigen Sitzung ge⸗ geben habe, natürlich nicht wiederholen, ſondern auf die grundſätzlichen Einwendungen eingehen, die in der vorigen Sitzung der Herr Bürgermeiſter gegen den Antrag bereits erhoben hat, und zu einem Teile von Herrn Stadtrat Dr Spiegel bei der Berichter⸗ ſtattung über die Beſprechung in Berlin wiederholt worden ſind. Der Herr Bürgermeiſter wandte ſich zunächſt da⸗ gegen, daß in unſerm Antrage gefordert werde eine Normalunterſtützung, nicht eine Individualunter⸗ ſtützung. Der Herr Bürgermeiſter erhob das grund⸗ ſätzliche Bedenken, daß durch Gewährung ſolcher Nor⸗ malunterſtützungen das geſamte Unterſtützungsweſen, wie wir es haben, von Grund auf geändert würde, ja, er ſagte ſogar wörtlich, daß dieſer Weg geeignet wäre, dem ganzen Armenweſen ſo, wie es in der mo⸗ dernen Armenpflege ausgebildet iſt, das Grab zu gra⸗ ben. Und Herr Stadtrat Dr Spiegel hat ebenfalls ſo⸗ eben ſehr eindringlich betont, daß überall da, wo es ſich um Unterſtützung und nicht um Verſicherung handelt, eine, wie er ſich ausdrückte, Prüfung der Bedürftigkeit vorhergehen müſſe, mit anderen Worten, wie der Herr Bürgermeiſter es ausdrückte, daß es nur eine Indi⸗ vidualunterſtützung und keine Normalunterſtützung ſein könne. Es iſt vom Herrn Bürgermeiſter und vom Herrn Stadrat Dr. Spiegel aus unſerm Antrage her⸗ ausgeleſen worden, daß wir nicht ſolche Individual⸗ unterſtützungen wollen, ſondern Normalunterſtützungen, die in automatiſcher Weiſe in jedem Falle eintreten. Meine Herren, wir werden uns nachher mit einer Vor⸗ lage zu beſchäftigen haben, die uns der Magiſtrat ge⸗ bracht hat, in der ebenfalls von Individualunter⸗ ſtützungen die Rede iſt, von den Unterſtützungen an die Angehörigen der Kriegsteilnehmer, und wo, trotzdem es ſich hier um Individualunterſtützungen handelt,