Sitzung vom 14. Oktober 1914 gerade nach der Begründung der Vorlage durch den Provinzialausſchuß in das volle freie Ermeſſen der Gemeindeverwaltungen geſtellt ſind, und ich würde die anderen Vertreter von Charlottenburg bitten, ſich auf denſelben Standpunkt zu ſtellen, daß der Provinzialausſchuß ſeine Befugniſſe überſchritten hat, wenn er in dieſer Weiſe in das freie Beſtimmungs⸗ recht der Gemeinden eingreifen will. Damit, meine Herren, fällt alſo wohl der Ein⸗ wand, daß wir mit Rückſicht auf die Beſchlüſſe des Provinzialausſchuſſes gebunden ſeien, ein Syſtem, bei dem die Gemeinden in irgend einer Weiſe mit den Berufsorganiſationen der Arbeiter zuſammen⸗ arbeiten, bei uns in Charlottenburg nicht zur Durch⸗ führung kommen zu laſſen. Ich möchte noch darauf hinweiſen — ich weiß nicht, inwieweit das authentiſch iſt, ich habe das nur in der Zeitung geleſen; aber man kann wohl annehmen, daß in dieſem Fall die Zeitung richtig berichtet —, daß ſowohl im Reichs⸗ amt des Innern als im preußiſchen Staatsmini⸗ ſterium des Innern Beſkrebungen im Gange ſind, die darauf hinzielen, den Gemeinden anheimzugeben, mit den beruflichen Organiſationen der Arbeiter nach Berliner Muſter in Verbindung zu treten, um in der Frage der Unterſtützung der Arbeitsloſen in dieſer Weiſe mit den beruflichen Organiſationen der Ar⸗ beiter zuſammen zu arbeiten. Wenn alſo im preu⸗ ßiſchen Staatsminiſterium des Innern derartige An⸗ regungen an die Gemeinden gegeben werden, ſo wird nicht zu erwarten ſein, daß ſeitens der Provinzial⸗ verwaltung beſondere Bedenken erhoben werden, den Provinzialzuſchuß zu leiſten, falls eine Ge⸗ meinde dieſer Anregung Folge gibt. Deswegen, meine Herren, ſind wir allerdings nach wie vor der Meinung, daß gar keine Tatſachen in die Erſcheinung getreten ſind, auch durch die Be⸗ ſchlüſſe in der Provinz nicht, die uns daran hindern können, mit den beruflichen Organiſationen der Ar⸗ beiter in Verbindung zu treten, um auf einem ge⸗ meinſamer Wege die Frage der Unterſtützung der Arbeitsloſen zu ordnen. Aus der Zwiſchenbemer⸗ kung des Herrn Bürgermeiſters entnehme ich, daß er den Einwand, den er ſchon in der vorigen Sitzung erhoben hat, für ausſchlaggebend hält, daß in un⸗ ſerem Antrage liege, es ſolle die Frage der Bedürf⸗ tigkeit ausgeſchaltet werden. Das iſt ein Irrtum. Die Frage der Prüfung der Bedürftigkeit ſoll gar nicht ausgeſchaltet werden, ſondern es ſoll normaliter und als Regel der Fall des Eintritts der Arbeits⸗ loſigkeit als ein Bedürftigkeitsfall anerkannt werden, aber es ſoll keineswegs ausgeſchloſſen ſein, daß in beſonderen Notfällen, wo nun noch eine ganz be⸗ ſondere Bedürftigkeit vorliegt, die Unterſtützung noch größer wird, und es ſoll auch keineswegs der Fall ausgeſchloſſen ſein, der allerdings in außerordent⸗ lich ſeltenen Fällen eintritt — nicht in einem Pro⸗ zent, ſondern noch nicht in einem Promille wird der Fall eintreten —, daß mit dem Fall der Arbeits⸗ Ioſigkeit der Fall der Bedürftigkeit nicht gegeben iſt. In all dieſen Fällen wird wahrſcheinlich ein An⸗ trag auf Unterſtützung gar nicht an die Organi⸗ ſationen und die Gemeinde herantreten. Wo das aber der Fall ſein ſollte, kann natürlich dann die Unterſtützung verweigert werden, unbeſchadet deſſen, Ddaß normaliter der Eintritt der Arbeitsloſigkeit als Eintritt der Bedürftigkeit angeſehen wird. Deswegen, meine Herren, ſcheint es ſich dabei wirklich doch nur um einen Streit um Worte zu 287 drehen, und daran ſollte man doch eine ſolche Für⸗ ſorge nicht ſcheitern laſſen. Diejenigen Momente, die dafür ſprechen, dieſe allgemeine Regelung ein⸗ treten zu laſſen, habe ich ſchon in der vorigen Sitzung hervorgehoben, und ich will ſie heute nicht noch ein⸗ mal anführen. Ich möchte Sie doch bitten, unſerem Antrage zuzuſtimmen. Ich hege die zuverſichtliche Hoffnung, daß, wenn Sie das tun, der Magiſttrat uns auch eine Vorlage bringen wird, mit der in ver⸗ nünftiger und ſachgemäßer Weiſe die Unterſtützung beſſer geregelt werden kann als bisher. Noch einer Bemerkung des Herrn Stadtrat Dr. Spiegel möchte ich entgegentreten. Herr Stadt⸗ rat Dr Spiegel meinte, unſere gegenwärtige Einrich⸗ tung beſtehe bereits aus laufenden Unterſtützungen. es ſei ja eine dauernde Einrichtung, und Herr Stadt⸗ rat Dr Spiegel — er verzeihe mir den Ausdruck — gebrauchte da den Weg, das Wort „dauernd“ in „laufend“ umzuändern. Aus dem Umſtand, daß wir eine dauernde Einrichung haben, geht eben nicht her⸗ vor, daß wir laufende Unterſtützungen zahlen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Unter den Worten „laufende Unterſtützungen“ ver⸗ ſtanden meine Freunde Unterſtützungen, die nicht in einmaliger Summe, ſondern als Tagesſätze gewährt werden. Aber, wie ich noch einmal hervorhebe, das ſollten Normalbeſtimmungen, Normalſätze ſein, an die man keineswegs nun in jedem einzelnen Falle ganz unbedingt gebunden iſt. Freilich würden ſolche Normalbeſtimmungen die Prüfung der Frage der Bedürftigkeit von einer ganzen Reihe von Quängeleien und Scherereien, die damit verbunden ſind, befreien, und dieſe Befreiung von Scherereien würde eine noch viel weitergehende ſein, wenn ſich die Stadtgemeinde zu einem Zuſammenarbeiten mit den Gewerkſchaften entſchlöſſe, wobei noch der weitere Vorteil herausſpringen würde, daß die Kontrolle über den andauernden Zuſtand der Arbeitsloſigkeit der Stadtgemeinde abgenommen und von der Or⸗ ganiſation übernommen würde. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Bürgermeiſter Dr Maier: Meine Herren! Herr Stadtv. Ir Borchardt hat meiner Anſicht nach heute den Standpunkt, den er in der vorigen Sitzung ver⸗ treten hat, im erſten Teile ſeiner Ausführungen ver⸗ laſſen, ihn aber im zweiten Teile wieder eingenommen. Denn das, was Herr Stadtv. Dr. Borchardt im erſten Teil ſeiner Ausführungen heute geſagt hat, habe ich ihm bereits in der vorigen Sitzung ohne weiteres konzediert und hierzu nach dem ſtenographiſchen Be⸗ richt folgendes geſagt: Ich glaube, daß es zweckmäßig ſein wird, daß der Magiſtrat gewiſſe Normen in Ueber⸗ einſtimmung mit den Unterſtützungskommiſ⸗ ſionen und ihren Vorſitzenden erläßt, ſo daß damit die weſentlichſten Bedenken des Herrn Stadtv. Dr Borchardt und ſeiner Freunde be⸗ ſeitigt werden. Alſo, meine Herren, ſoweit es ſich darum handelt, eine gewiſſe Grundſätzlichkeit in der Behandlung der Unterſtützung der Arbeitsloſen herbeizuführen, bin ich ſchon in der vorigen Sitzung bereit geweſen, den An⸗ regungen des Herrn Stadtv. Ir Borchardt und ſeiner Freunde zu folgen. Er hat heute ausdrücklich feſt⸗ geſtellt, daß er die Frage der Bedürftigkeit genau ſo