Sitzung vom 14. Oltober 1914 erklärt: wenn die Gemeinden eine volle Anrechnung der Gewerkſchaftsleiſtung unterlaſſen, dann ſolle die provinzielle Leiſtung, und zwar der Marimalſatz, dieſer nicht berückſichtigten Zuwendung um 50% ge⸗ kürzt werden. Damit hat er ſich konſequent auf der Linie bewegt, die den Ausführungsbeſtimmungen zu⸗ grunde liegt und die er auch als Anhalt bei der Pro⸗ vinziallandtagsvorlage annimmt. Irgendein Wider⸗ ſpruch iſt da nicht zu konſtatieren. Nun hat der Herr Stadtw. Dr Borchardt immer davon geſprochen: die Gewerkſchaftsunterſtützung iſt eigentlich nur für den Normalfall im Frieden einge⸗ richtet; infolgedeſſen können die Gemeinden gar nicht beanſpruchen, daß die Gewerkſchaften etwas zahlen. Meine Herren, wir beanſpruchen von den Gewerk⸗ ſchaften nichts. Wenn ſie nichts bezahlen wollen, ſo mögen ſie es unterlaſſen, das müſſen ſie mit den Mitgliedern der Gewerkſchaften ausmachen. Wir ſagen nur: ſo weit eine bare Leiſtung ſeitens der Gewerkſchaft ſtattfindet, iſt ſie nicht aus der Welt zu ſchaffen; ſie iſt da und behebt das Bedürfnis in dieſem Umfange. Herr Stadtrat Dr Spiegel hat ſchon darauf hingewieſen, daß wir im Magiſtrat, um dem Verſicherungsgedanken der Gewerkſchaft ent⸗ gegenzukommen, uns bereit finden wollten, dieſe Leiſtungen der Gewerkſchaft in dem Umfange, wie ſie tatſächlich geſchehen, nur mit 50% in Anrechnung zu bringen. Wenn aber der Herr Stadtv. Dr. Bor⸗ chardt ausführt, daß die Tätigkeit der Gewerkſchaften eigentlich nur für den Friedensfall vorgeſehen iſt, ſie alſo im Kriege die verſicherten Beträge nicht zu zahlen brauchen, dann muß er mit derſelben Konſequenz das Korrelat der Arbeitsloſenverſicherung, nämlich die Ar⸗ beitsvermittlung und die Kontrolle des Arbeits⸗ marktes durch die Gewerkſchaften, auch für den Kriegs⸗ fall außer Kraft geſetzt ſehen. Er kann nicht ſagen: das eine Element bleibt der Zuſtändigkeit der Ge⸗ werkſchaften erhalten, das andere Glement iſt ihrer Zuſtändigkeit entzogen. Für dieſes zweite Element würde Herr Stadw. Dr Borchardt mit viel mehr Recht die Zuſtändigkeit der Gewerkſchaften im Kriege beſtreiten; denn auch bei den Organiſterten, bei den Berufsarbeitern wird die Arbeitsvermittlung wäh⸗ rend des Krieges ſich nicht zu beſchränken haben ledig⸗ lich auf die Ausübung der Tätigkeit in dem ſpeziellen Berufe — nur über dieſen Beruf hat ja die Organi⸗ ſation die Ueberſicht —, ſondern der Berufsarbeiter wird genötigt ſein, mit Rückſicht auf die außerordent⸗ lichen Verhältniſſe auch einmal außerhalb des Be⸗ rufs, auch einmal außerhalb der Stadt ſeine Tätig⸗ keit aufzunehmen. Die Gewerkſchaften haben auch in dankenswerter Weiſe bei Beginn des Krieges nach der Richtung hin Erklärungen abgegeben und ſich bereit erklärt, wenn beſtimmte Kautelen erfüllt ſind, Ar⸗ beiten in anderen Zweigen, inbeſondere in der Land⸗ wirdſchaft zu übernehmen. Auch aus dieſem Geſichts⸗ punkt iſt es ungerechtfertigt, wenn der Antrag Ahrens und Genoſſen die Entſcheidung der Bedürfnis⸗ frage, die von der Frage der Arbeitsgelegenheit nicht zu trennen iſt, den Gewerkſchaften überlaſſen will. Schließlich aber, wenn es ſich nicht um eine Ver⸗ ſicherung handelt, ſondern um die Gewährung einer individuellen Unterſtützung, iſt es grundſätzlich aus⸗ geſchloſſen, daß die Gemeinde die Beantwortung der für die Zahlung ſtädtiſcher Mittel maßgebenden Frage, ob ein Bedürfnis vorliegt, einem andern über⸗ trägt als ſich ſelbſt. Meine Herren, ſtände heute die Frage der Ar⸗ beitsloſenverſicherung zur Diskuſſion, dann würde der Magiſtrat ſicherlich einen ganz andern Stand⸗ 289 punkt einnehmen nach all den Vorgängen, die Ihnen ja bekannt ſind. Ich brauche nur an unſere erſte Arbeitsloſenverſicherungsvorlage zu erinnern, die von der Stadtwerordnetenverſammlung abgelehnt worden iſt. Da war ein konſequenter und klarer Boden ge⸗ geben für die Zuſammenarbeit mit den Gewerk⸗ ſchaften. Für die Frage der Prüfung der Unter⸗ ſtützungsbedürftigkeit iſt es dagegen unmöglich, den Weg zu beſchreiten, den der Herr Stadtv. Dr Bor⸗ chardt mit ſeinen Freunden uns hier weiſt. Alſo gegen den Antrag der Herren Borchardt und Genoſſen zu 1a und b mit der Auslegung, die Herr Stadtv. Dr Borchardt am Anfange ſeiner Aus⸗ führungen gegeben hat, nämlich daß die Unterſtützung als Frage des individuellen Bedürfniſſes behandelt werden ſoll, würden wir nichts einwenden. Aber gegen die Anträge zu 2 und 3, die meines Erachtens die Auslegung des Antrags zu 1 und b unmöglich machen, die Herr Stadtv. Dr Borchardt am Anfange gegeben hat, muß ich mich nach wie vor wenden. Stadtv. Wöllmer: Meine Herren! Nach der umfangreichen Debatte zwiſchen Magiſtrat und Herrn Kollegen Dr Borchardt muß ich mich auf we⸗ nige Ausführungen beſchränken. Die Debatte hätte nicht umfangreicher ſein können, wenn wir eine Vor⸗ lage über Arbeitsloſenverſicherung gehabt hätten. Wir müſſen die ablehnende Haltung, die mein Freund Otto in der letzten Sitzung für unſere Frak⸗ tion zum Ausdruck gebracht hat, beibehalten. Wir können zu unſerm Bedauern eine andere Stellung als eine ablehnende dem Antrage der Herren Ahrens und Genoſſen gegenüber nicht einnehmen; um ſo weniger können wir das nach der Auskunft, die Herr Stadtrat Dr Spiegel uns über das Ergebnis de gemeinſamen Beratungen in Berlin gemacht hat, der Beratungen, die in der Hauptſache zu keinen ein⸗ heitlichen Maßnahmen geführt haben, ſondern nur dazu, daß gewiſſe einheitliche Geſichtspunkte aufge⸗ ſtellt worden ſind. Gemeinſame, einheitliche Maß⸗ nahmen in Großberlin konnten ja auch nach dem, was vorhergegangen iſt, nicht getroffen werden. Wie ausgeführt wurde, iſt die Landesverſicherungsanſtalt Berlin ſelbſtändig vorgegangen und die Stadt Ber⸗ lin ebenfalls. Da wir ein Beſtandteil der Provinz Brandenburg ſind, ſo müſſen wir uns in die Ver⸗ hältniſſe ſchicken, zu denen wir gehören; wir müſſen uns demnach auch den Beſchlüſſen anpaſſen, die die Provinzialverwaltung gefaßt hat gemeinſam mit der Landesverſicherungsanſtalt Brandenburg. Da ein⸗ mal dieſe Bedingungen geſtellt ſind, ſo ſind wir der Meinung, daß wir den Antrag Ahrens und Genoſſen ſchon aus dieſem Grunde, aus rein finanziellen Rückſichten, nicht annehmen können. Der Betrag bis zun Höhe von 50 %, der von der Provinzialver⸗ waltung wiedererſtattet wird, wird nur dann zurück⸗ gewährt, wie auch hervorgehoben wurde, wenn im einzelnen Falle die Bedürftigkeit feſtgeſtellt iſt und ferner unter der Bedingung, daß alle ſonſtigen Ein⸗ nahmen angerechnet werden. Wir haben ja nun von Herrn Stadtrat Spiegel gehört, daß die letzte Be⸗ dingung durch den Provinzialausſchuß milde aus⸗ gelegt wird und daß die Wiedererſtattung auch dann erfolgen ſoll, wenn wir gewiſſe Einnahmen nur zu 50 % anrechnen. Alſo in gewiſſem Sinne wird damit auch ſchon das erreicht, was die Herren Antragſteller beabſichtigt haben. Meine Herren, der Antrag Ahrens und Gen. verlangt, daß die Vorausſetzung der Unterſtützung lediglich die Arbeitsloſigkeit ſein ſoll, nicht auch die