290 Bedürftigkeit. Ich will mich in die Replik zwiſchen dem Herrn Bürgermeiſter und Herrn Dr Borchardt nicht vertiefen. Es genügt, darauf hinzuweiſen, daß wir, wenn Herr Dr Borchardt lediglich die Ar⸗ beitsloſigkeit als Vorausſetzung feſtgeſtellt wiſſen will, einer Bedingung nicht entſprechen, die die Pro⸗ vinzialverwaltung fordert. Ferner habe ich die Ausführungen des Herrn UDr Borchardt in der letzten Sitzung und den Sinn ſeines Antrages ſo verſtanden, daß er das Ziel hat, gewiſſe Normal⸗ ſätze als Arbeitsloſenunterſtützung vorzuſehen. Ich habe ferner wie der Herr Bürgermeiſter die Aus⸗ führungen dahin verſtanden, daß Herr Kollege Borchardt eine individuelle Behandlung von Fall zu Fall nach dem Grade der Bedürftigkeit nicht wünſcht. Ich ſtelle feſt, daß er in anderm Sinne ſeine Ausführungen hat verſtanden wiſſen wollen. Deshalb erübrigt ſich wohl, auf den Punkt 1a und b weiter einzugehen. Dieſer Antrag fällt demnach in ſich zuſammen. Ich meine aber, daß es zweckmäßig ſein würde, wenn die Unterſtützungskommiſſionen in Ueberein⸗ ſtimmung mit dem Magiſtrat gewiſſe Richtlinien bekämen, damit ſie bei den Unterſtützungen wegen Arbeitsloſigkeit möglichſt gleichmäßig vorgehen. Sie ſollen von Fall zu Fall prüfen, ſollen den Grad der Bedürftigkeit prüfen, ob die Familie groß iſt, ob ſonſtige Einnahmen da ſind, alſo rein indivi⸗ duell vorgehen. Es iſt aber doch wünſchenswert, daß einige Normen aufgeſtellt werden. Ich glaube auch den Herrn Bürgermeiſter und Herrn Stadtrat Spiegel ſo verſtanden zu haben, daß der Magiſtrat dieſen Weg beſchreiten will. Was die eventuelle Zahlung der Unterſtützungs⸗ beiträge — das ſcheint mir der Kernpunkt des An⸗ trages der Herren Ahrens und Gen. zu ſein — durch die Stadt direkt an die Berufsorganiſationen an⸗ langt, ſo verweiſe ich auf die Bemerkungen des Herrn Kollegen Dr Borchardt, die er heute gemacht hat und die auch in ſeiner Rede am 23. September ent⸗ halten ſind, daß es ſich nämlich nach ſeiner Anſicht bei dieſen Unterſtützungsbeträgen keinesfalls um irgendeine Arbeitsloſenverſicherung handele. Da aber doch dieſe Beiträge der Stadt dazu dienen ſollen, die Einrichtung einer Arbeitsloſenverſicherung der Berufsorganiſationen zu ſtärken, ſo kommt es ſchließlich darauf hinaus, daß die Beiträge den Cha⸗ rakter einer Arbeitsloſenverſicherung haben, ohne daß ſie gleichzeitig den Charakter einer kommunalen Arbeitsloſenverſicherung erhalten. Ich glaube, es iſt heute nicht die Zeit, dieſe Frage prinzipiell zu beſprechen. Dazu werden wir ſpäter noch, Herr Kollege Dr Borchardt, Gelegenheit haben. Ich teile durchaus den Standpunkt des Magiſtrats, daß eine Verquickung von Arbeitsloſenverſicherung und Un⸗ terſtützung durch den Antrag Ahrens herbeigeführt werden würde, die vielleicht nicht einmal im Geiſte der groß angelegten Arbeitsloſenverſicherung der Berufsorganiſationen wirken würde. Stadtv. Dr Stadthagen: Meine Herren! Auch meine Freunde ſtehen auf dem Standpunkt, daß die Prüfung der Bedürftigkeit die Grund⸗ lag der Unterſtützung ſein muß. Unſeres Erachtens trifft aber der Antrag auch gar nicht die in Charlottenburg wirklich vorhandenen Fälle; er trifft nur die Fälle derreinen Arbeits⸗ loſigkeit, nicht die Fällle der einge⸗ ſchränkten Erwerbsfähigkeit. Dieſe letzte⸗ ren Fälle ſind vielleicht in Charlottenburg noch wich⸗ Sitzung vom 14. Oktober 1914 7 tiger als die der Arleitsloſigl⸗it. Wir haben zahlloſe Arbeiter und Arbeiterinnen in vielen Fabriken, die jetzt teilweiſe arbeiten können, jedoch in der vollen Er⸗ werbsfähigkeit ſehr beſchränkt ſind. Auch für dieſe Kreiſe haben die Unterſtützungskommiſſionen bisher gewirkt, und ſie werden auch dafür weiter wirken. Schon daran ſehen Sie, daß die Kriegsunterſtützungs⸗ kommiſſionen einen viel weiteren Rahmen darbieten als der Antrag der Herren Ahrens und Genoſſen. (Stadtv. Hirſch: Steht ja auch im Antrag drin! Leſen Sie ihn nur!) — Nein, das ſteht nicht drin, es iſt auch in der De⸗ batte bisher nicht herwvorgehoben worden. (Stadtv. Hirſch: Punkt p1) — Daß Sie es auch hineinbezogen wiſſen wollen, freut mich. Ich glaube, wir ſind überhaupt alle darin einig, ſämtliche Fraktionen ohne Unterſchied der Partei auch in dieſer Frage, daß wir mit allen Mitteln, mit denen wir können, die Arbeitsloſigkeit als ſolche bekämpfen und die ſchlimmen Folgen, die die Arbeitsloſigkeit, wo ſie nicht bekämpft werden kann, herbeiführt, nach Möglichkeit beſeitigen wollen. Darin werden wir alle uns zuſammenfinden. Es. handelt ſich nur um die Wege. Betreffs der Bedürftigkeit möchte ich noch auf einen andern Geſichtspunkt hinweiſen, nämlich darauf, daß man nicht, wie es nach der Tendenz Ihres An⸗ trags ſein würde, den einzelnen Fall, den einzelnen Menſchen, den Arbeiter herausgreifen darf, ſondern daß man nach unſerer Anſicht die Familie in Rück⸗ ſicht zichen muß, die ganzen Familienverhältniſſe. Wenigſtens haben wir in unſerer Unterſtützungs⸗ kommiſſion — ich glaube, es wird auch in anderen ſo gehandhabt — immer ſo gearbeitet, daß wir uns um die Familie als ganzes kümmern, nicht etwa nur für jeden einzelnen Angehörigen der Familie einen Arbeitsloſenantrag aufnehmen. In erſter Linie hatin dieſen ſchweren Zeiten,in denen wir uns befinden, die engere Familie für ſich einzuſtehen und zu ſorgen. Erſt, wenn der engſte Familienkreis es nicht kann, dann iſt die weitere Fa⸗ milie, die Kommune, dazu da, ein⸗ zutreten. Inſofern muß alſo auch eine Prüfung ſtatt⸗ finden, und ſie kann in den Kriegskommiſſionen ſtatt⸗ finden. Daß uns dort vielleicht gewiſſe grundlegende Geſichtspunkte nach Beratung an die Hand gegeben werden, dagegen haben meine Freunde durchaus nichts einzuwenden. Ich habe Ihnen ja in der vorigen Sitzung mitgeteilt, daß wir die Abſicht hatten, einen Antrag nach der Richtung hin zu ſtellen. Ich habe dies nicht mehr für nötig gehalten und halte es auch heute nicht mehr für nötig, nachdem bereits der Ma⸗ giſtrat die Erklärung abgegeben hat, daß er dieſe Sache zuſammen mit den Vorſitzenden der Unter⸗ ſtützungskommiſſionen beraten will. Allerdings wird es erforderlich ſein, dieſe Frage möglichſt noch im Ok⸗ tober zu einer Klärung zu bringen. Dann können, glaube ich, alle mit der Erledigung der Angelegenheit zufrieden ſein. Ich möchte noch einen Punkt hervorheben. Herr Stadtrat Spiegel ſprach davon, daß in den Verhand⸗ lungen zwiſchen den Groß⸗Berliner Gemeinden eine⸗ Einigkeit dahin herbeigeführt worden wäre, daß die