Sitzung vom 14. Oktober 1914 Meine Herren, wir müßten aber doch weiter, wenn wir den Wirten die Miete zum Teil gewähren, auch die Garantie haben, daß ſie nun nicht in ſtür⸗ miſcher Weiſe die andere Hälfte der Miete von den Frauen der Kriegsteilnehmer verlangen. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß es neben einer großen Anzahl von verſtändigen Hauswirten — ich gebe das unumwunden zu —, die aus eigenem Antriebe oder auf Grund von Verhandlungen auf einen Teil der Miete verzichtet haben, in Charlottenburg auch ſolche Hauswirte gibt, die darauf beſtehen, daß die Miete bis zum letzten Pfennig bezahlt wird, und die die Frauen durch Androhung von Er⸗ miſſionsklagen fortgeſetzt in Angſt und Schrecken verſetzen. Meine Herren, was nützt es denn, wenn wir den Hauswirten 50 % der Miete geben und wenn ſie dann am nächſten Tage zu den Frauen gehen und ſagen: Ihr müßt aber ſofort auch die andere Hälfte bezahlen. Wir wünſchen, daß uns der Magiſtrat auch eine Erklärung darüber gibt, ob die 50 % in allen Fällen oder nur dann gegeben wer⸗ den, wenn ſich der Hauswirt damit einverſtanden erklärt, daß der Reſt der Miete geſtundet wird. Denn ſonſt kommt es dahin, daß die Frauen von der geringen Unterſtützung noch die andere Hälfte der Miete bezahlen müſſen. Meine Herren, für ganz ungerechtfertigt halte ich es, daß wir Abzüge in ſolcher Höhe vornehmen ſollen, wie es der Magiſtrat in der Begründung vorſchlägt. Wir haben bisher in den einzelnen Kom⸗ miſſionen keineswegs für das, was den Familien der Kriegsteilnehmer in Form von Naturalien gelie⸗ fert worden iſt, oder auch für die Schulſpeiſung immer Abzüge gemacht, und es würde eine doppelte Härte ſein, wenn wir jetzt plötzlich den Frauen, denen wir bisher für die Schulſpeiſung nichts ab⸗ gezogen haben, nun außer der teilweiſe verringerten Unterſtützung noch einen Abzug für die Schul⸗ ſpeiſung machen. Ich möchte bitten, daß es nicht, wie es in der Begründung heißt, eigentlich als ſelbſtverſtändlich hingeſtellt wird, daß Anweiſungen auf unentgeltlichen Bezug von Naturalien bei den von der Kommiſſion beſtimmten Gewerbetreibenden oder aus öffentlichen Mitteln und Schulſpeiſungen wie bare Unterſtützungen zu behandeln ſind, ſondern daß Sie ſo freundlich ſind, die Entſcheidung hier⸗ über den Kommiſſionen zu überlaſſen. Genau ſo, wie die Kommiſſionen darüber entſcheiden dürfen, in welcher Höhe die durch private Liebestätigkeit zur Verfügung geſtellten Mittel angerechnet werden ſollen, genau ſo könnten Sie den Kommiſſionen auch die Entſcheidung darüber überlaſſen, wie weit ſie die anderen Zuwendungen anrechnen wollen. Ich glaube, ſoviel Vertrauen könnten Sie den Kom⸗ miſſionen ſchon entgegenbringen. Meine Herren, eine weitere Frage, über die ich noch Aufſchluß haben möchte, wäre die, ob die Miete direkt an den Wirt gezahlt werden ſoll. Wir haben in unſerer Kommiſſion, wo wir ſchon in hohem Maße Mitunterſtützungen gewähren, die Praxis eingeſchlagen, daß wir in den meiſten Fällen, wenn ſich die Wirte zu einem Mietnachlaß bereit er⸗ klären, die Miete durch die Herren Bezirksvor⸗ ſteher den Wirten direkt zuführen laſſen. Aber anderſeits geben wir auch den Frauen, zu denen wir das Vertrauen haben, daß ſie die ihnen als Miete gegebene Unterſtützung nicht für andere Zwecke ver⸗ wenden, ſondern ſie wirklich an den Wirt abführen, die Miete in bar. Da, meine ich, ſollten Sie auch nicht generell beſtimmen, daß die zu gewährende 293 Miete unbedingt direkt an die Hausbeſitzer gezahlt wird. Denn wenn wir das beſtimmen, müßten wir anderſeits auch von den Hausbeſitzern den Nachweis dafür verlangen, daß ſie die Mieten, die wir ihnen geben, auch zur Zahlung ihrer Hypothekenzinſen verwenden. Es müßten alſo die Hausbeſitzer ſich auch einem Kontrollrecht unterwerfen. Ich meine, Sie ſollten hier auch nicht ſchabloniſieren, ſondern die Handhabung den Kommiſſionen überlaſſen. Es gibt Frauen, die ſchon bisher, ohne daß ſie einen Mietzuſchuß bekommen haben, ihren Hauswirten die Miete voll bezahlt haben. Da wäre es eine unan⸗ gebrachte Bevormundung, wenn Sie nun hinkämen und ſagten: Wir trauen dir nicht mehr, wir ge⸗ währen dir den Mietzuſchuß, aber wir zahlen ihn direkt an den Wirt. Ich habe auch da die Erfah⸗ rung in der Praxis gemacht, daß uns Frauen, denen wir Mietzuſchüſſe gewährt haben, die wir direkt an den Wirt zahlten, Vorwürfe darüber gemacht haben, — nicht daß wir ihnen Geld gewährt, ſondern daß wir ihnen ſo wenig Vertrauen geſchenkt und uns ihnen gegenüber als Vormund aufgeſpielt haben. Ich faſſe mich alſo dahin zuſammen, daß ich bitte, die Sätze, die hier vorgeſchlagen ſind, nicht als Höchſtſätze zu betrachten, und daß ich vor jedem Schematismus warne. Die Normalien ſind meiner Anſicht nach ſo mäßig, daß wir ſie unmöglich als Höchſtſätze betrachten dürfen. Ich wünſche ferner, daß die Gewährung von Naturalien und Schulſpei⸗ ſung nicht unbedingt angerechnet zu werden braucht, und ſchließlich, daß die Miete nicht direkt an die Hauswirte abgeführt zu werden braucht, ſondern daß auch hierüber die Kommiſſionen von Fall zu Fall beſchließen. Ferner iſt es notwendig, daß wir das Recht haben, in den Fällen, wo Hauswirte, denen ein Teil der Miete bezahlt iſt und die dann den anderen Teil von den Frauen auch noch einfor⸗ dern und dabei den Frauen in unzuläſſiger Weiſe zuſetzen, die Mietsunterſtützung entziehen. Wenn inbezug auf die Fragen, die ich ange⸗ ſchnitten habe, meinen Freunden Gewißheit ver⸗ ſchafft wird, werden ſie der Vorlage zuſtimmen. Andernfalls haben wir große Bedenken, ob nicht der bisherige Zuſtand dem neuen Zuſtand vorzu⸗ ziehen wäre. Gewiß erfordert der neue Zuſtand mehr Mittel als der jetzige; aber es könnte, wenn meinen Bedenken nicht Rechnung getragen wird, da⸗ hin kommen, daß die Stadt freilich mehr Aufwen⸗ dungen macht, daß die Unterſtützungen aber nicht denen zugute kommen, für die ſie beſtimmt ſind, den Familien der Kriegsteilnehmer, ſondern Dritten. Das möchten wir vermeiden. Bürgermeiſter Dr. Maier: Ich kann Herrn Stadtw. Hirſch beruhigen, indem ich die Erklärung abgebe, daß unſere Ausführungsanweiſungen ſelbſt⸗ verſtändlich mit dem Inhalt unſerer Vorlage in Uebereinſtimmung ſtehen werden. Wir halten uns für verpflichtet, die Gemeindebeſchlüſſe ſo auszu⸗ führen, wie ſie hier gefaßt ſind. Ich kann ihn auch ferner darüber beruhigen, daß wir die Sätze, die wir hier feſtgeſetzt haben, nicht als Maximalſätze, ſondern als Normalſätze bezeichnet und ausdrücklich in der 11.4 hervorgehoben haben, wie ich hier vorleſen möchte: wie denn überhaupt eine ſchematiſche Anwen⸗ dung der Normalſätze, wie wir betonen, nur in den Fällen möglich iſt, wo auf der einen Seite eine vollſtändige Unterhaltung aus öffentlichen Mitteln notwendig, auf der anderen Seite nicht