Sitzung vom 14. Oktober 1914 träge — ich möchte darauf hinweiſen, daß in dem Beſchluß, den wir faſſen ſollen, das Wort „Betrag“ wohl in „Beitrag“ umzuwandeln iſt; denn wenn da ſteht: „einen beſonderen Betrag zur Beſtreitung des Wohnungsbedürfniſſes“, ſo könnte man immer an⸗ nehmen, daß es der volle Betrag der Miete iſt und nicht ein Beitrag, der zu leiſten iſt — naturgemäß leicht zu einer Schematiſierung führt. Die Schematiſterung will ja die Magiſtratsvor⸗ lage nun vermeiden. In der Magiſtratsvorlage iſt darauf hingewieſen, daß das Prinzip der indivi⸗ duellen Behandlung des Einzelfalles beibehalten werden ſoll. Meine Herren, mit dieſer Einſchrän⸗ kung der feſtgeſtellten Sätze erkläre ich mich einver⸗ ſtanden. Denn würde das nicht der Fall ſein und würde man ſich abſolut ſtreng an dieſe Sätze zu halten haben, ſo würde der Erfolg eine weſentliche Verſchiebung in den bisher erreichten Reſultaten der Kriegskommiſſionen ſein. Ich habe leider bei der Kürze der Zeit nur einen Teil der Fälle, aber ohne etwa einzelne Fälle herauszugreifen, zuſammen⸗ geſtellt, die ich einfach ſo, wie ſie lagen, genommen habe, natürlich ſoweit ſie dieſe Kriegsteilnehmer be⸗ treffen. Da hat ſich herausgeſtellt, daß ſich unter 22 Fällen 16 fanden, wo wir nach der Vorlage vom 1. Neovember ab weniger zu zahlen hätten als nach unſerer bisherigen Praris, und zwar weniger im Betrage von 1 bis 14 Mark. Bei den Beträgen von „2, 3 Mark ſpielt natürlich die Sache keine Rolle. Wir haben anderſeits nur 6 Fälle, wo wir mehr zu 4%% hätten, und zwar in Beträgen von 1 bis 15 '. Meine Herren, was bedeutet das? Sie können ſagen: ungefähr klappt die Sache. Nein, doch nicht ganz. Die vielen Fälle, wo wir nach unſerem jetzi⸗ gen Prinzip im November mehr zu zahlen hätten, liegen ſo, daß wir nach reiflicher Prüfung glauben, dem betreffenden Fall gerecht geworden zu ſein. Wir rechnen dabei natürlich die Lebensmittel mit. Nach der Vorlage müſſen wir die Lebensmittel ja voll an⸗ rechnen; wir wmürden nur noch in bezug auf die uns unentgeltlich zugegangenen Lebensmittel, Kartoffeln uſw., und allenfalls noch mit der Schulſpeiſung und dieſen Sachen die Möglichkeit einer Individuali⸗ ſicrung haben. Ob wir da die Differenzen ausgleichen können, iſt mir zweifelhaft; verſuchen werden wir es. Bei den Fällen, in denen wir nach der Vorlage mehr zahlen müſſen, iſt es mir aber ganz außerordentlich zweifelhaft, ob dieſe Mehrzahlung hier angebracht iſt. Denn unter dieſen Fällen ſind eine ganze Reihe, in denen alle Beteiligten völlig zufrieden waren, wo der Mieter zufrieden war, wo der Wirt nicht nur einen Teil, ſondern die geſamte Miete bekommen hat und wo gar kein Anlaß zu einer Erhöhung vor⸗ liegt. Denn wir dürfen eins bei der ganzen Sache nicht vergeſſen, daß wir nämlich die Verhältniſſe der einzelnen Kriegsteilnehmerfamilien nicht bis ins ein⸗ zelne feſtſtellen können. Der Vorſitzende einer andern Kommiſſion — Herr Kollege Wöllmer war es, glaube ich — hat einmal ſehr richtig darauf hin⸗ gewieſen, daß Sparguthaben und andere Hilfs⸗ quellen vorhanden ſind, von denen wir nichts wiſſen. Ich bin der letzte, der ſagt, wir ſollten Spargut⸗ haben anrechnen; wir haben es auch in der Kom⸗ miſſion nicht getan. Aber es gibt gewiſſe Hilfs⸗ mittel, von denen uns die Leute nichs ſagen, womit ſie kleine Poſten, die noch an der Mietszahlung fehlen, begleichen könnten. 295 Nun ſagt der Kollege Hirſch: wir ſollen die Wirte, die nach der Vorlage 50% bekommen ſollen, zwingen, davon Abſtand zu nehmen, die übrige halbe Miete zu verlangen. (Widerſpruch des Stadtv. Hir ſch.) — So habe ich es verſtanden. (Stadtv. Hir ſch: Stunden!) — Eben, ſie ſollen ſie ſtunden. Das hätte doch gar keinen Zweck in den Fällen, wo die Miete bisher voll gezahlt worden iſt und wo auch die Leute gut ausgekommen ſind. Auf der andern Seite iſt es außerordentlich ſchwierig, wie der Herr Bürger⸗ meiſter will, es vollſtändig in das Belieben der Kom⸗ miſſton zu ſtellen, ob ſie die Mietzinsforderung ab⸗ führen laſſen, ob ſie den Betrag der betreffenden Perſon ſelber geben will oder ob das direkt durch den Magiſtrat gehen ſoll. Wenn wir der Vorlage zuſtimmen, dann müſſen wir allerdings zu einer einheitlichen Praris betreffs der Mietzahlung kommen. (Sehr richtig!) Das halte ich für einen Vorteil. Wir müſſen einen wie den andern behandeln. Es müßte ein Zirkular herumgeſchickt werden — ich höre, der Magiſtrat hat es ſchon vorbereitet —, ein Formular an ſämtliche Wirte, auf dem ſie gefragt werden: wollt ihr mit 50% zufrieden ſein und den Reſt bis zum Ende des Krieges ſtunden oder wollt ihr 70% haben? Ich glaube, ſehr viele Wirte werden ſagen: wir wollen die 50% haben, wir hoffen aber, die anderen 50% kann die Familie auch zahlen. Ob man nun in dieſen Fällen dem Wirt die 50% gibt oder nicht, iſt eine ſehr ſchwer zu entſcheidende Frage. Es iſt für mich eine der ſchwierigſten Fragen in der ganzen Materie. An ſich neige ich dazu, daß wir eigentlich allen Wirten ſoweit entgegengekommen ſollen, daß wir ihnen die halbe Miete geben, damit jeder Wirt weiß, womit er in den nächſten Monaten zu rechnen hat. (Sehr richtig!) Anderſeits verhehle ich mir nicht, daß es eine ganze Reihe — nicht nur vereinzelt —, eine ganze Reihe Wirte gibt, die in der Tat ſo verfahren werden: ſie nehmen die halbe Miete von der Stadt und ver⸗ ſuchen dann mit den ſchärfſten Mitteln, die andere Hälfte von den Familien zu bekommen. (Zurufe.) — Meine Herren, wir haben nicht einen Fall, wir haben eine ganze Reihe von Fällen gehabt. (Stadtv. Hirſch: Sehr richtig!) Es ſind ganz beſtimmte Wirte, allerdings nur einige, aber meiſt wohnen ſehr viele Kriegsteilnehmer in ſolchen Häuſern. Es brauchen alſo gar nicht ſehr viele ſolcher rigoroſen Wirte zu ſein, es werden doch viele Kriegsteilnehmer davon betroffen. Wir haben mehrfach Fälle erlebt, wo Wirte den Frauen die ge⸗ ſamte Unterſtützung, die ſie am 2. des Monats be⸗ kommen hatten, abgenommen haben. (Stadtv. Hirſch: Sehr richtigl)