326 (Stadtv. Erdmannsdörffer: Den Antrag⸗ ſtellern!) Meine Herren, ich möchte doch darauf aufmerkſam machen, daß es wirklich keine Schwierigkeit mit ſich bringt, opfer willig zu ſein, wenn man ſiſch vorbehält, ſich die Opfer von einer andern Seite erſetzen zu laſſen. (Sehr richtig!) Wir haben hier in Charlottenburg immer mit einem gewiſſen berechtigten Stolz darauf hingewieſen, daß wir auch in der heutigen Zeit in bezug auf die ſoziale Fürſorge für die verſchiedenen Klaſſen der Bevölke⸗ rung vorbildlich ſind, und nun kommen Mitglieder der Stadtverordnetenverſammlung auf den unglück⸗ ſeligen Gedanken, die Forderung zu ſtellen, daß uns das, was wir hier als Kriegsfürſorge aufgebracht haben, vom Staat oder vom Reich erſetzt wird. (Zuruf: Berlin!) — Wir ſind hier in Charlottenburg; mir ſind die Anträge, die in Berlin eingebracht worden ſind, nicht gegenwärtig; Sie verwirren die Situation, wenn Sie hier ohne Zuſammenhang ein Wort, einen Hin⸗ weis in die Debatte hineinwerfen. Bleiben Sie bei der Tatſache, die hier feſtgeſtellt iſt, und daran können Sie nicht rühren und rütteln, daß Sie das, was Charlottenburg für die Kriegsfürſorge aufge⸗ bracht hat, von Preußen oder vom Reich erſetzt haben wollen! Das iſt eine wirklich ſehr ungewöhn⸗ liche Forderung. Wir befinden uns ja in einer ganz außerge⸗ wöhnlichen Zeit, in einer Zeit, in der der Staats⸗ ſozialismus ſeine üppigſten Blüten treibt, wo wir dauernd ſtaatliche Eingriffe in das wirtſchaftliche Le⸗ ben erfahren. Aber es kann eben nicht anders ſein, es muß ſo ſein, die Verhältniſſe fordern dies. Wir wiſſen, daß Hunderttauſende, ja vielleicht ſogar Mil⸗ lionen auf Unterſtützungen angewieſen ſind, daß ſie vom Reich, vom Staat und von den Kommunen durchgehalten werden müſſen: und ein jeder, der im⸗ ſtande iſt, da irgend etwas zu leiſten, der hat auch die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die ent⸗ ſprechenden Opfer zu bringen. (Bravol) Die Gemeinde hat dieſe Pflicht ebenſo wie der ein⸗ zelne Bürger. Meine Herren, woher nimmt der Staat, woher nimmt das Reich die Mittel? Nehmen Sie Ihre Mittel aus der vierten Dimenſion? Machen ſich die Antragſteller, wenn ſie heute vom Staat oder vom Reiche Hunderte von Millionen fordern, ein klares Bild darüber, wo Staat und Reich die Mittel herbekommen? Wollen Sie in dieſem Augenblick neue Steuern für Reich und Staat fordern? Glau⸗ ben Sie, daß das der geeignete Zeitpunkt zu ſolchem Begehr iſt? Nein, ich meine, daß jede leiſtungs⸗ fähige Kommune ebenſo wie jeder leiſtungsfähige Bürger die Pflicht hat, in vollem Umfange ſeine Schuldigkeit zu tun und dem Staat und dem Reich nach Möglichkeit ſeine Aufgabe zu erleichtern! Lei⸗ ſtungsfähige Kommunen müſſen das Reich zu ſtützen 1— ſollen aber nicht das Reich um Subventionen itten. (Bravo!) Sitzung vom 25. November 1914 Das, was wir in Charlottenburg getan haben, war⸗ allerdings ſehr rühmenswert; aber im großen und ganzen haben wir nichts anderes getan als unſere Schuldigkeit, (Sehr richtig!) und ich denke, auf dieſem Wege wollen wir uns auch⸗ weiter bewegen, nicht plötzlich Kehrt machen und⸗ Staat und Reich um Erſatz deſſen bitten, was wir geleiſtet haben. Gewiß, das Reich wird etliche Millionen, wie eben Herr Kollege Hirſch geſagt hat, zu gunſten leiſtungsunfähiger Gemeinden zur Verfügung ſtellen, und ich vermute, wenn es auch, ſoweit ich mich erinnere, nicht direkt ausgeſprochen iſt, daß aus den 1½2 Milliarden bewilligter Gelder in Preußen leiſtungsunfähige und kleine Gemeinden auch Zu⸗ ſchüſſe erhalten werden. Eine ſehr große Anzahl kleiner Gemeinden und leiſtungsſchwacher Kreiſe kann nicht beſtehen, ohne daß ſich die Macht des Staates oder des Reiches dahinterſtellt. Hier mußte Staat und Reich eingreifen. Aber Charlottenburg, das nicht ſo reich iſt, wie man behauptet, iſt doch nicht ſo leiſtungsunfähig, um zu verlangen, daß ſeine Kriegslaſten jetzt vom Staat erſetzt werden. Und welcher Widerſinn liegt in der ganzen Ge⸗ ſchichte! Erſt geben wir aus unſerer Taſche, was wir ausgeben wollen, und nachdem wir es ausgegeben haben, kommen und ſagen wir: Nun, Reich erſetze uns das mal. Das iſt eine Finanzpolitik, die Sie ſich wirklich prämiieren laſſen können, wenn erſt die Kommune nach Belieben Aufwendungen macht und nachher ſich dieſe vom Staat erſetzen läßt! Das ſind die Finanzpolitiker, die an der Finanzpolitik in Charlottenburg immer ſo ſchöne Kritik geübt haben; (Sehr gut!) das ſind die Finangpolitiker, von deren Forderung aus wir doch berechtigt ſind, Rückſchlüſſe darauf zu ziehen, wie die kommunale Finanzpolitik in Ehar⸗ lottenburg beſchaffen ſein würde, wenn ſie am Ruder ſäßen und Finanzpolitik nach dem Programm trie⸗ ben, das für alle Zeiten in dem Antrag verewigt iſt, den man uns hier unterbreitet hat. (Na! nal bei der Vereinigten alten Fraktion.) Das mag Ihnen ja nicht angenehm ſein! (Ohl) Nun, dann freue ich mich; denn darin ſehe ich ein Zeichen der Beſſerung und einen Beweis dafür, daß Sie ſich über die ganze Situation, die dem Antrag zugrunde liegt, klar geworden ſind. Nun zeigt der Antrag auch etwas über die Ziele der Verwendung der Subvention. Die Hausbeſitzer ſollen berückſichtigt werden. Ja, weswegen ſtellen Sie denn nicht einfach den Antrag, daß wir über den Vorſchlag Haberland diskutieren? In dem Antrag Haberland ſind doch wenigſtens beſtimmte Forderun⸗ gen aufgeſtellt, aus ihm kann man ſich ein Bild machen, nach welcher Richtung hin vorgegangen werden ſoll, es können ſogar Rechenexempel über die Höhe der Mittel aufgemacht werden. Aber wenn Sie weiter nichts ſagen, als daß die Kommune Char⸗ lottenburg in die Lage verſetzt werden ſoll, die Haus⸗ beſitzer für die ihnen durch den Krieg erwachſenden