340 Sitzung vom 16. Stadtbaurat Seeling: Meine Herren! Der Herr Vorredner iſt ja etwas von der Sache e⸗ ſchweift. Er hat dabei auch den Ausdruck „leicht⸗ ſinniges Verfahren“ gebraucht. Ich glaube, der Aus⸗ druck iſt ihm nur ſo entfahren, er hat wohl das nicht ſagen wollen, was darin liegt. Ich habe ihn immer als loyales und eifrig mitarbeitendes Mitglied der Hochbaudeputation kennen gelernt. Er weiß doch, wie wir in der Hochbaudeputation vorgehen und wie wir in dem Dilemma zwiſchen den Vorſchriften, die uns für die Vergebung der Arbeiten gegeben ſind, und der großen Arbeitsloſigkeit nach Möglichkeit zu helfen uns bemühen. Ich kann alſo im Namen der Hochbaudeputation den gebrauchten Ausdruck nicht gelten laſſen. Sollte er in dem ſcharfen Sinne ge⸗ meint ſein, den er „an ſich“ hat, ſo müßte ich ihn auf das energiſchſte zurückweiſen. Ich komme auf den Bau der Badeanſtalt ſelbſt. Meine Herren, Sie wiſſen alle, wie eifrig ich perſön⸗ lich an dieſem Projekt, an dem früheren wie an dem jetzigen, gearbeitet habe; auch das jetzige Projekt macht mir viel Freude. Aber ebenſo wie der Herr Vor⸗ redner zitiert hat, zitiere auch ich und ſage: dicht bei⸗ einander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume ſtoßen ſich die Sachen! Wir ſind gar nicht in der Lage, den Bau jetzt ſo zu fördern, wie wir ihn för⸗ dern möchten. An der Projektbearbeitung iſt un⸗ unterbrochen weiter gearbeitet worden. Nachdem Sie das Projekt ſelbſt genehmigt haben, ſind die Detail⸗ pläne ausgearbeitet und die ſehr umfangreichen und ſchwierigen ſtatiſchen Berechnungen durchgeführt worden. Nun handelt es ſich in der Hauptſache um einen Eiſenbetonbau von bedeutenden Abmeſſungen, alſo um ſehr ſchwierige Arbeiten. Dabei ſind ferner die Inſtallationsarbeiten von außerordentlicher Trag⸗ weite; ſie müſſen vor Beginn des Baues bis ins Kleinſte klargeſtellt werden, andernfalls ſind nachher beim Innenausbau große Unkoſten nicht zu vermeiden. Alles das nimmt an und für ſich viel Zeit in Anſpruch. Wir haben die ſchon erwähnten ſtatiſchen Berech⸗ nungen dem hieſigen Königlichen Polizeipräſidium eingereicht. Dieſe Behörde hat mit uns verhandelt und hat ſich dann angeſichts der ſehr ſchwierigen Aus⸗ führung veranlaßt geſehen, dieſe Berechnungen, ob⸗ gleich ſie von einer unſerer erſten Autoritäten ge⸗ macht worden ſind, im Königlichen Polizeipräſidium in Berlin nachprüfen zu laſſen. Sie ſehen daraus —— mit welchen Schwierigkeiten wir zu rechnen haben. Nun aber vor allen Dingen zur Bauausführung felbſt. Die Abbrucharbeiten haben wir vergeben, wie Sie wiſſen. Wir haben die Ausſchachtungsarbeiten bis Ordinate 1,90 m einem Großunternehmer übergeben. Der Herr Vorredner meint, daß dort nicht mehr gearbeitet würde, daß der Bauplatz zum Kinderſpielplatz geworden wäre. Er irrt ſich. Der Großunternehmer hatte bisher die größten Schwierig⸗ keiten, die Arbeiten durchzuführen. Es iſt ihm nicht mehr möglich geweſen, Fuhrwerke aufzutreiben; er hat es ſchließlich fertig gebracht, trotz der ſchweren Not heute Pferdekräfte zu bekommen, ſelbſt zwei Ge⸗ ſpanne zu erwerben zur Abfuhr der ausgeſchachteten Erd⸗ und Bauſchuttmaſſen. Kurz und gut, dem Manne, der ſelber nur ein Intereſſe daran hat, ſchnell etwas vorwärts zu ſchaffen, damit er auf ſeine Koſten kommt, ſind die allergrößten Schwierigkeiten bei der Ausführung der Arbeit erwachſen. Weiter werden wir mit der Waſſerabdrängung ſehr zu kämpfen haben und ſo fort. Sowie wir anfangen, müſſen wir mit Oualitätsfirmen arbeiten und dieſe wieder mit Quali⸗ Dezember 1914 tätsarbeitern, da wir es, wie ſchon geſagt, mit einem ſehr ſchwierigen Eiſenbetonbau zu mun haben. Nun gehen Sie einmal hin und fragen Sie im ganzen Baugewerbe, wo Sie heute Qualitätsarbeiter her⸗ bekommen. Selbſt bei dem doch ſehr einfachen Ma⸗ gazinanbau des Opernhauſes haben wir die aller⸗ größten Schwierigkeiten gehabt, den Bau, der im Sep⸗ tember fertig ſein ſollte, jetzt endlich fertig zu ſtellen. Wir haben beiſpielsweiſe, wenn ich ſo ſagen darf, mit 1% Dachdeckern das Dach zudecken müſſen. Alſo auch hier hat der Unternehmer Hallert, ein ganz tüchtiger Mann, die allergrößten Schwierigkeiten ge⸗ habt, Leute zu bekommen. Hatte er einmal einen beſſern Arbeiter, übermorgen war er eingezogen. Sie wiſſen, daß der Landſturm weiter eingezogen wird. Was noch an Tattraft da iſt, was ſchaffen kann, geht hinaus. So ſind auch die Inſtallationsfirmen in der allerſchwierigſten Lage. Noch ſchlimmer ſteht es mit der Materialbeſchaffung! In vielen Fällen iſt das überhaupt unmöglich und iſt es möglich, ſo können unſere Fuhrunternehmer, auch die, mit denen wir Jahresverträge haben, es nicht leiſten. Mit der An⸗ fuhr von Kohlen für unſere Schulen z. B. haben wir bereits die größten Schwierigkeiten. Sie ſehen aus alledem, daß es in dem vorliegen⸗ den Fall mit dem Vorhandenſein von geeigneten Arbeitern, von Material und von Hilfskräften ſo ſchlimm beſtellt iſt, wie es nur beſtellt ſein kann. Wenn wir nun einen derartigen Ban wie den der Badeanſtalt, der ſo ſchwierige und umfangreiche Grün⸗ dungen erfordert, infolgedeſſen nur zaghaft anzufaſſen vermögen, ſo iſt das nicht fördernd, ſondern ſchädi⸗ gend. Auch wenn wir mit einer allererſten Firma einen Vertrag abſchließen, wird dieſe von ſelbſt kom⸗ men müſſen und ſagen: wir find nicht imſtande, zu disponieren, wir kriegen weder Leute noch Material. Alſo, meine Herren, ich bitte, überzeugt zu ſein, daß wir in der Hochbauverwaltung alles tun, um die Sache ſo weit zu fördern, wie ſie ſich überhaupt zur⸗ zeit auf geſundem Wege fördern läßt. So lange jedoch nicht ein ganz großer Umſchlag in unſeren Ver⸗ hältniſſen ſtattfindet und ſo lange wir nicht Ruhe be⸗ kommen, werden wir nicht an dieſen Bau mit der nötigen Energie herantreten können. Stadtrat Dr. Spiegel: Meine Herren! Der Ver⸗ treter der Herren Antragſteller hat den Antrag auch damit motiviert, daß die Behörden aufgefordert hätten, durch Inangriffnahme von öffentlichen Ar⸗ beiten der Arbeitsnot zu ſteuern, und daß auch unſer Magiſtrat ſich auf dieſen Standtpunkt mit Worten geſtellt hätte. Es iſt ganz ſelbſtverſtändlich, daß wir uns nicht nur mit Worten auf dieſen Stand⸗ punkt ſtellen, ſondern, ſoweit es irgend möglich iſt, auch mit Taten, und daß bei den Magiſtratsberatun⸗ gen die Erwägungen über Maßnahmen, die zur Be⸗ kämpfung der Arbeitsloſigkeit erforderlich ſind, jeder⸗ zeit eine große Rolle ſpielen, daß der Magiſtrat ſich ſelbſt bemühen würde, andere Hinderniſſe nach Mög⸗ lichkeit zu beſeitigen, wenn die Lage des Arbeits⸗ marktes beſondere Maßnahmen erforderte. Herr Stadtv. Scharnberg hat einen Aufſatz in der „Neuen Zeit“ zitiert, in dem in ſeinem Sinne die Inangriffnahme von Arbeiten und beſonders die Fortführung des Baues der Volksbadeanſtalt ge⸗ fordert wird. Herr Stadtv. Scharnberg hat offen⸗ bar überſehen, daß bereits in der nächſten Nummer der „Neuen Zeit“ eine Einſendung des ſtädtiſchen Arbeitsnachweiſes enthalten war, in der darauf hin⸗ gewieſen wurde, daß die Anregungen ſehr wertwoll