Außerordentliche Sitzung vom 3. März 1915 Vorſteher Dr. Frentzel: Wir kommen nunmehr zu Punkt 6: 1 4 Vorlage betr. Stadthaushaltsetat für das Rech⸗ nungsjahr 1915. Druckſache 35. „, Das Wort hat der Herr Kämmerer. Stadtrat und Kämmerer Scholtz: Meine Herren! Die außergewöhnlichen Zeiten, in denen wir jetzt leben, bedingen, wie ſchon oft hier feſtge⸗ ſtellt worden iſt, außergewöhnliche Maßnahmen. Wir haben unſern Etat nicht, wie das in Staat und Provinz geſchehen iſt, als Friedensetat aufgeſtellt, ſondern wir haben uns bemüht, ſoweit dies irgend⸗ wie angängig war, der jetzigen Zeit Rechnung in den Anſätzen zu tragen. Bereits im vergangenen Jahre 1914 haben wir eine Anzahl Einrichtungen zum Teil eingeſchränkt, zum Teil infolge des Mangels an Kräften überhaupt einſtellen müſſen. Wir haben deshalb auch im Jahre 1915 in der Annahme, daß die kriegeriſchen Wirren jedenfalls noch eine Veile andauern werden, daß aber auch, ſelbſt wenn Frie⸗ den eintreten ſollte, die Folge dieſer Wirren noch nicht ſofort beſeitigt ſein wird, die Koſten für dieſe Einrichtungen ermäßigt oder ganz fortgelaſſen. Trotzdem wird der Anſchlag, den wir Ihnen vor⸗ legen, ſchwerlich Anſpruch auf abſolute Richtigkeit machen können. Wenn es ſchon in Friedenszeiten ſchwer iſt, einen Voranſchlag auch nur einigermaßen richtig aufzuſtellen, ſo glaube ich ſagen zu können, daß das in jetziger Zeit beinah unmöglich iſt. Sie werden deshalb von uns auch nicht die Gewähr ver⸗ langen wollen, daß dieſer Voranſchlag, den wir Ihnen für 1915 vorlegen, das Richtige getroffen hat. Anderſeits werden Sie in dem Voranſchlage erkennen, daß wir ſowohl bei den Einnahmen eine große Zuverſicht gezeigt, als auch bei den Ausgaben das Nötige in den Etat eingeſtellt haben, wenn wir auch vorſichtig geweſen ſind. Generell möchte ich feſtſtellen, daß Sie im Etat nichts von den unmittelbaren Kriegskoſten finden, die ſich ja aus Koſten der verſchiedenſten Art zu⸗ ſammenſetzen. Ich erinnere Sie an die große Summe für Familienunterſtützungen, für Erwerbsloſenunter⸗ ſtür ungen, an die Koſten für die Lebensmittelver⸗ ſorgung, an die vielen ſchon bewilligten Spenden uſw. Dieſe Koſten ſind weder für 1914 noch für 1915 ſicher feſtſtellbar, und wir können auch gar nicht erwarten, daß die Gegenwart dieſe ſehr erheb⸗ lichen Koſten ohne weiteres aus laufenden Mitteln trägt. Zurzeit ſind die bewilligten Summen be⸗ reits bis zur Höhe von 31 Millionen angeſtiegen. Davon ſind 3½ Millionen Unterſtützungen und ¼ Million etwa Koſten der anderen von mir genannten Arten. Sie haben heute noch eine weitere Vorlage in Höhe von 2 Millionen Mark zu bewilligen. Wenn nun auch ein großer Teil dieſer Koſten, der Fa⸗ milienunterſtützungen vom Reich, der Erwerbsloſen⸗ unterſtützungen von der Proving, zurückerſtattet wer⸗ den wird, wenn auch von den Koſten für die Lebens⸗ mittelverſorgung der größte Teil an uns wieder zu⸗ rückfließen wird, ſo werden doch jedenfalls ziemlich erhebliche Summen von uns ſpäter ſelbſt gedeckt werden müſſen, und es muß der Zukunft überlaſſen bleiben, in welcher Weiſe wir die Deckung dafür vor⸗ ſehen werden. Ich glaube, nicht fehl zu gehen, wenn ich heute bereits ſage, daß nicht nur wir, ſondern alle 27 großen Städte für dieſe erheblichen Aufwendungen den Anleiheweg werden beſchreiten müſſen. Ich möchte deshalb bitten, meine Herren, heute bei der Ueberſicht daran feſtzuhalten, daß unſer Etat gewiſſermaßen die reinen Verwaltungskoſten für 1915 in ſich birgt. Inſofern wird er ſelbſtverſtänd⸗ lich durch die Ergebniſſe des laufenden Jahres 1914 ſchon weſentlich beeinflußt. Das laufende Rechnungs⸗ jahr verlief im Anfange ſehr gut, unſere Erwartun⸗ gen wurden in jeder Hinſicht — das kann ich ſowohl bezüglich der Werke, unſerer Haupteinnahmequellen, als auch bezüglich der Einkommenſteuer erklären erfüllt. Mit einem Male wurde das bei dem Aus⸗ bruche des Krieges anders. Sämtliche Einnahmen begannen zu ſinken. Die Gasanſtalt, die bisher jedesmal das beſte Barometer für die wirtſchaftliche Lage geweſen iſt, hat auch hier wieder den Rück⸗ ſchlag am ſicherſten gezeigt: bei ihr gingen in erſter Linie und am ſchnellſten die Einnahmen zurück. Ebenſo wie bei der Gasanſtalt war dies bei den Elektrizitätswerken und auch bei den Steuern, ſelbſt bei den direkten Steuern der Fall. Es zeigte ſich bei den direkten Steuern ja nicht ſo unmittelbar; aber ſie wurden doch zunächſt beeinflußt durch diejenigen Abgänge, die dadurch eintraten, daß ein erheblicher Teil der Bürgerſchaft ins Feld ziehen mußte, und weiter im Laufe des Quartals dadurch, daß ver⸗ ſchiedene Bürger ihre Einnahmequellen nicht mehr ſo hatten, wie es zu Beginn des Jahres der Fall war. Infolgedeſſen traten bei der Einziehung der Steuer Ausfälle ein. Wenn es nun auch auf der andern Seite gelungen iſt, Erſparniſſe an vielen Einrichtungen der Stadt zu machen, ſo werden doch auf anderen Ge⸗ bieten, insbeſondere auf dem Fürſorgegebiet, wieder größere Ausgaben eintreten. Die Folge von dem Herabgehen der Einnahmen und von dem jedenfalls nicht weſentlichen Rückgange der Ausgaben wird ſein, daß der Abſchluß des Jahres nicht erfreulich genannt werden kann. Meine Herren, ich möchte mit Abſicht heute keine Ziffern anführen. Ich könnte vielleicht den Abſchluß nach dem ungefähren Defizit ſchätzen. Aber ich möchte es nicht tun; denn ſo gut wie jeglicher An⸗ halt fehlt mir, und wenn ich Ihnen eine Ziffer nenne, die ſpäter nach der ungünſtigen Seite über⸗ troffen würde, ſo könnte man mir einen Vorwurf machen. Halten Sie bitte daran feſt, daß es uns ebenſo geht wie allen anderen Städten, daß das Jahr 1914 ohne ein gewiſſes Defizit keinesfalls ab⸗ ſchließen wird. Wie die Deckung dieſes zu erwarten⸗ den Defizits ſpäter zu erfolgen hat, iſt eine Froge, die heute noch einſtweilen offen bleiben kann. Wir brauchen uns mit ihr bei der Beratung des Etats für 1915 noch nicht zu befaſſen, um ſo weniger, als wir ja gar nicht einmal wiſſen, wie das endgültige Er⸗ gebnis ſein wird. Meine Herren, vorhin habe ich bereits darauf hingewieſen, daß unſer Etat lediglich die eigentlichen Verwaltungskoſten der Stadt in ſich birgt. Wir haben daher im Magiſtrat in allererſter Linie die Pflicht gehabt, die größte Vorſicht bei der Herbeiführung der Balance walten zu laſſen. Daß in dieſem Jahre beſondere Schwierigkeiten vorhanden geweſen ſind. liegt auf der Hand. Der Einnahmerückgang, den ich Ihnen vorhin ſchilderte, die Steigerung vieler Aus⸗ gaben zeigen ſich ſchon rein äußerlich. Der Etat gehr in ſeinem Umfange auf das Jahr 1912 zurück; er balanciert mit 77 Millionen. Im Ordinarium hat