Außerordentliche Sitzung vom 3. März 1915 der Ueberzeugung, daß der Vorſchlag des Magiſtrats gut begründet iſt, ſo werden wir auch den Mut dieſer Ueberzeugung haben, und wir dürfen von unſerer Bürgerſchaft erwarten, daß ſie dann dieſen Beſchluß, der viele von ihr — das ſei unumwunden zuge⸗ ſtanden — recht hart trifft, als einen reiflich ge⸗ prüften, begründeten und unabänderlichen hin⸗ nehmen wird, in dem Sinne, wie das der Herr Kämmerer vorhin ſo ſchön ausgedrückt hat. Es wird wohl keiner in dieſem Saale ſein, der ſich ſeine Mei⸗ nung in dieſem Punkte ſchon feſt und unabänderlich gebildet hat. Ich muß das jedenfalls für meine Perſon zunächſt ablehnen. Aber ich muß zugeben, daß die Gründe, die aus dem Etat hervorleuchten und die für die Einführung eines Einkommenſteuer⸗ zuſchlags von 140 % gegeben ſind, ſehr wohl durch⸗ dacht und gut dargeſtellt ſind. Ich vermeide es, auf Einzelheiten einzugehen. Aber für die weſentlichen Punkte, die dafür ſprechen, halte ich folgende. Der Etat iſt aufgeſtellt worden, ausgehend von der Annahme, daß der Krieg noch ein halbes Jahr des kommenden Wirtſchaftslebens umfaſſen wird. An dieſer Annahme will ich in keiner Weiſe Kritik üben, ſondern will ſie als zutreffend erachten. Da⸗ mit iſt jedoch implicite auch die Annahme ver⸗ bunden, daß ſich in den uns noch bevorſtehenden Kriegsmonaten das Wirtſchaftsbild ſo erhalten wird, wie wir es augenblicklich ſehen. Ich hoffe dringend, daß dies der Fall ſein wird; aber kein Menſch kann ſicher wiſſen, ob das auch wirklich eintreten wird und ob die Annahmen und die Vorſtellungen, unter denen der Etat jetzt zuſtande gekommen iſt, ſich in den weiteren Monaten bewahrheiten werden. Dann hat der Herr Kämmerer ſchon darauf hingewieſen — und das iſt wichtig, zu betonen —, daß ſich in unſeren Einnahmen eine ganze Reihe von Poſitionen finden, die bis zu einem gewiſſen Grade immerhin als zweifelhaft bezeichnet werden könnten. Ich glaube, es wird keiner in den Ruf eines beſondern Peſſi⸗ miſten kommen, der ſich fragt, ob z. B. die Ein⸗ nahmen bei der Umſatzſteuer und bei der Wertzu⸗ wachsſteuer, ſo ſehr ſie auch heruntergeſtrichen ſein mögen, in dieſem Betrage noch eingehen werden. Die Werkseinnahmen ſind — das hat Ihnen der Herr Kämmerer auseinandergeſetzt — außerordent⸗ lich niedrig angenommen, und trotzdem können wir bei der völligen Unklarheit der Lage nicht wiſſen, ob uns nicht auch in dieſer Beziehung noch kleine Ueberaſchungen bevorſtehen. Wir nehmen an, daß die Einnahmen aus den Verträgen mit den Verkehrsgeſellſchaften, mit den Theaterunternehmungen auch wirklich das bringen werden, was wir veranſchlagt haben; aber auch dieſe Poſten können wir, glaube ich, nicht mit derjenigen Sicherheit als beſtehend annehmen, wie wir das in früheren Jahren ohne weiters tun konnten. (Sehr richtig!) Dann mache ich darauf aufmerkſam, daß der Etat trotz des erhöhten Steuerzuſchlages ja noch nicht einmal aus ſich ſelbſt balanciert; es haben Eingriffe, wenn auch kleine, in unſere Reſerven ſtattfinden müſſen. Ich halte es — und da decke ich mich voll⸗ kommen mit den Ausführungen des Herrn Käm⸗ merers — für durchaus untunlich, die uns noch zur Verfügung ſtehenden Mittel irgendwie weiter an⸗ greifen zu wollen. Meine Herren, wir müſſen, wenn wir uns klar machen wollen, wie notwendig wir dieſe 31 Mittel brauchen, zunächſt einmal an den Etat für das noch laufende Jahr halten. Dieſen Etat, den wir alſo vor einem Jahre aufſtellten, ſtellten wir in voller Friedenszeit und beſtimmt für den Frieden auf, Aber dieſes Jahr hat ſich nur vier Monate lang des Friedens zu erfreuen gehabt, dann brach der Krieg aus, und der Herr Kämmerer hat Ihnen be⸗ reits geſchildert, wie es ganz ſicher zu erwarten ſei, daß die Einnahmen des laufenden Etats nicht ſo ab⸗ ſchließen werden wie der Etat ſelber, d. h. Einnah⸗ men und Ausgaben balancieren nicht. Und dann müſſen wir auch weiter — der Herr Kämmerer hat das mit Recht hervorgehoben — an den Etat für das Jahr 1916 denken. Meine Herren, wir hoffen, daß das Jahr 1916 ein Friedensjahr ſein wird. Aber in dieſem Friedensjahr wird es zunächſt einmal gelten, die wirtſchaftlichen Wunden zu heilen. die der Krieg geſchlagen hat, und deswegen wird vor allen Dingen unſer — ich möchte ihn mal ſo nennen — Unterſtützungsetat, Kapitel V, vielleicht ganz anders aufgebaut werden müſſen als jetzt, er wird ein ganz anderes Ausſehen zeigen, als das in früheren Jahren der Fall war. Und auch diejenigen unſerer Mitbürger, die im Erwerbsleben ſtehen, werden erſt ganz allmählich die Früchte des Friedens genießen können. Zunächſt wird es auch da gelten, die Wirt⸗ ſchaft wieder in geordneten Gang zu bringen, und wenn wir uns erſt wirklich längere Zeit hindurch der Segnungen des Friedens erfreut haben werden, erſt dann wird auch neue Blüte, neues Wachstum und Gedeihen überall in unſeren Erwerbskreiſen und im Handel eintreten. Ich darf auch endlich darauf aufmerkſam machen, daß dieſer Etat den Etat des Jahres 1916 bereits in gewiſſer Weiſe belaſtet. 3. B. iſt, wie der Herr Kämmerer ſchon angeführt hat, bei den Schulbauten die Verteilung der für die nächſten beiden Jahre vorzuſehenden Summen faſt ganz zu Laſten des nächſten Etats. Alſo ich glaube, aus allen dieſen Gründen kann man nur das eine folgern, daß derjenige Recht tut, der mit der größten Vorſicht an diejenigen Mittel herangeht, die uns noch zur Verfügung ſtehen, und der daran denkt, daß wir ſie mehr denn je für das brauchen werden, was noch kommt. Ich glaube, daß, wenn wir von dieſer Idee ausgehen, nämlich das, was wir haben, uns zu erhalten, und auf der andern Seite ſehen, ſo ſchmerzlos wie möglich für die Bür⸗ gerſchaft, aber doch in dem Grade, wie es nätig iſt, der neuen Finanzwirtſchaft Quellen zu erſchließen, wir dann auch dazu kommen werden, einen Etat auf⸗ zuſtellen, der unſer Finanzweſen durch die Bedräng⸗ niſſe dieſes Jahres ſicher und geſund hindurchleiten wird. Und wenn uns das gelingt, meine Herren, dann haben wir das Bewußtſein — und dieſes Be⸗ wußtſein können wir mit uns nehmen —, daß wir auch an unſerm Platze dazu mitgewirkt haben, daß unſer großes deutſches Wirtſchaftsleben in ſeiner Kraft und Blüte, gegen die ſich ja der Stoß unſerer Gegner richtet, erhalten und das Fundament gelegt wird, auf dem es ſich zu neuer Blüte weiter ent⸗ wickeln kann. (Lebhafter Beifall.) — (Die Vorlage wird dem bereits in der vorigen Sitzung gewählten Etatsausſchuß überwieſen.)