48 möglich, ein Kind mit 6 den Monat zu ernähren, wie das von den Frauen verlangt wird. Die Unter⸗ ſtützungskommiſſionen werden alſo mehr oder minder in die Lage kommen, Sonderunterſtützungen zu ge⸗ ben. An ſich iſt das ein ungeſunder Zuſtand; es iſt viel richtiger, wenn wir die Normalſätze erhöhen. Wir hätten das von vornherein tun ſollen, um ſo mehr, als andere Gemeinden von Groß⸗Berlin uns auf dieſem Gebiete weit voraus ſind. Den Herren vom Magiſtrut wird ja bekannt ſein, daß z. B. Lichtenberg und Oberſchöneweide auch Normalſätze feſtgelegt haben, daß aber dieſe die unſerigen ganz erheblich übertreffen, und ſelbſt in den Gemeinden, wo keine Normalſätze feſtgelegt ſind, ſondern wo in der Regel 100% Zuſchlag zu den Reichsſätzen ge⸗ währt wird, ſtehen ſich die Frauen beſſer als bei uns. Gewiß gebe ich zu, daß unſere Aufwendungen auf dem Gebiete der Kriegsfürſorge verhältnismäßig größer ſind als die der übrigen Gemeinden; aber unſere Beſchlüſſe haben ja den ſonderbaren Zuſtand gezeitigt, daß die Kriegerfrauen in Charlottenburg, obwohl wir im allgemeinen mehr aufwenden als andere Gemeinden, weniger bekommen als die Krie⸗ gerfrauen in anderen Gemeinden, denn bei uns be⸗ kommen ſie nicht die Reichsunterſtützung plus 100%, ſondern wir ziehen hiervon von vornherein einen Teil als Miete ab. Meine Herren, ich möchte Sie alſo dringend bitten, unſerm Antrag Folge zu geben. Sollten Sie glauben, daß die Mitglieder der Stadtverordneten⸗ verſammlung die Verhältniſſe nicht zu beurteilen in der Lage ſind, wie das von einigen Kollegen aus den anderen Fraktionen mir perſönlich angedeutet worden iſt, dann habe ich auch nichts dagegen, wenn wir den Antrag dem Magiſtrat und den Vorſitzenden der Unterſtützungskommiſſionen überweiſen, die dann in gemeinſchaftlicher Beratung, aber möglichſt bald, ihr Gutachten abgeben. 2 Sehr richtig!) Selbſtverſtändlich muß der endgültige Beſchluß von den ſtädtiſchen Körperſchaften gefaßt werden. Es iſt auch nur ein Eventualantrag, der nicht von mir aus⸗ geht, ſondern von anderen Fraktionen angeregt iſt. Sodann ſieht die Vorlage vor, daß diejenigen Frauen, die bisher 100% Zuſchlag zu den Reichs⸗ ſätten bekommen haben, dieſe Unterſtützung weiter beziehen ſollen. Dagegen haben meine Freunde nichts einzuwenden. Aber ich muß bei dieſer Gele⸗ genheit einen Vorfall zur Sprache bringen, der mein Staunen hervorgerufen hat, und ſoweit ich mit Kol⸗ legen aus der Verſammlung darüber geſprochen habe, haben die ſich das Verhalten des Magiſtrats auch nicht erklären können. Es handelt ſich darum, daß der Magiſtrat an eine Reihe von Arbeitgebern, die den Frauen ihrer früheren Arbeiter Zuwendungen machen — dieſe Frauen erhalten auf Grund unſeres Gemeindebeſchluſſes zu den Reichsmindeſtſätzen 100% —, ein Schreiben gerichtet hat, worin er den Arbeit⸗ gebern den Vorſchlag macht, ſie möchten doch den Frauen nicht die ganze Zuwendung geben, ſondern nur einen Teil und den Reſt auf die Sparkaſſe legen. Das Schreiben, das mir in Abſchrift zugegangen iſt, darf ich vielleicht verleſen. Es beginnt mit den Worten: In letzter Zeit ſind in der Charlotten⸗ burger Bümerſchaft vielfach Stimmen laut ge⸗ worden, die eine der Urſachen für allzu ſtarken Außerordentliche Sitzung vom 17. März 1915 Verbrauch notwendiger und nur noch in be⸗ ſchränkter Menge vorhandener Nahrungs⸗ mittel in einer zu reichlichen Unterſtützung der Kriegerfrauen erblicken. Ich traute meinen Augen nicht, als ich das las. Ich konnte mir nicht vorſtellen, daß das Schreiben von dem Magiſtrat der Stadt Charlottenburg ausginge. Ich weiß auch nicht, ob tatſächlich Stimmen in der Charlottenburger Bürgerſchaft laut geworden ſind, die der Meinung ſind, daß eine der Urſachen des all⸗ zu ſtarken Verbrauchs von Nahrungsmitteln in der zu reichlichen Unterſtützung gernde der Kriegerfrauen zu erblicken iſt. Meine Herren, ſo reichlich iſt doch die Unterſtützung nicht. Darüber ſind wir uns ja alle einig, daß die Kriegerfrauen nur das Notwen⸗ digſte haben, und ſie ſollen ja nach dem Sinne des Reichsgeſetzes darüber hinaus auch gar nichts haben. Ich weiß nicht, wie der Magiſtrat auf die Idee kommt, ein ſolches Schreiben an die Arbeitgeber zu richten. Mit viel mehr Recht hätte er an ſämtliche Einwohner der Stadt ein Schreiben richten können, worin er mitteilt: Die Urſache des Mangels an Nah⸗ rungsmitteln iſt darin zu erblicken, daß ihr zu viel gegeſſen habt! 5 (Zuruf: Das wäre ſehr gut!) — Ja, gewiß wäre es ſehr gut, aber denen gegenüber, die wirklich mit den Nahrungsmitteln aſen, und nicht denen gegenüber, die kaum genug zum Leben haben. Es wird nicht etwa davon geſprochen, daß das Aus⸗ nahmen ſind, ſondern es heißt ausdrücklich, daß das die Regel ſei. Alſo bei 6 M. im Monat, d. h. 20 Pf. für den Tag, bekommen die Kinder ſo viel zu eſſen, daß darin mit eine der Urſachen des Mangels an Nah⸗ rungsmitteln zu erblicken iſt. Der Magiſtrat ſchreibt weiter: Wir haben uns daher mit dieſer Frage ernſtlich beſchäftigt. Wenn dabei auch allgemein anerkannt wurde, daß die Höhe der ſtädtiſchen Unterſtützung für ſich allein in der Regel keine Möglichkeit zu unnötigen Ausgaben bietet, ſo beſteht doch nach unſerer Anſicht die Möglichkeit in mehr oder weniger ſtarkem Maße bei den⸗ jenigen Frauen, die von den Arbeitgebern ihrer im Felde ſtehenden Männer Familienunter⸗ ſtützung neben der ſtädtiſchen Unterſtützung er⸗ halten, da dieſen Frauen jetzt häufig größere Mittel zur Führung des Haushalts zur Ver⸗ fügung ſtehen, als zur Zeit der Anweſenheit ihrer Männer. In Wirklichkeit ſtimmt auch das nicht. Es mag vielleicht einzelne Fälle geben, wo Frauen größere Mittel zur Verfügung haben als zur Zeit der An⸗ weſenheit ihrer Männer; aber bei der großen Mehr⸗ zahl trifft das nicht zu. Der Magiſtrat weiß ja, daß die Unterſtützung ſeitens der Arbeitgeber, wenn es hoch kommt, vielleicht 40 ℳ monatlich beträgt; dann müſſen aber ſchon mindeſtens zwei Kinder vorhanden ſein. Dazu käme dann die Reichsunterſtützung und der ſtädtiſche Zuſchlag in Höhe von je 24 ℳ, macht alſo 88 %. Davon gehen etwa 20 Miete ab, ſo daß den Frauen vielleicht 68 ℳ zur Verfügung ſtehen. Es heißt weiter: Es liegt dem Magiſtrat ſelbſtverſtändlich fern, an der hochherzigen Fürſorge der Arbeit⸗ geber für ihre Arbeiterfamilien Kritik üben zu wollen, er erkennt vielmehr dieſe Fürſorgetätig⸗ keit dankbar an. Andererſeits ſind die Gefahren,