Außerordentliche Sitzung vom 17. März 1915 ſelbſt zugab, als das Exiſtenzminimum anzuſehen ſind, und daß wir nun keineswegs glauben, die Frauen leb⸗ ten in Freuden, wenn ſie ſich mit dem Normalſatz be⸗ gnügen müſſen. Wir wiſſen ganz genau, daß die Sorge auch dann noch bei den Frauen zu Hauſe iſt, wenn ſie ſich mit dem begnügen müſſen, was ihnen die Allge⸗ meinheit zuwendet. Aber die meiſten Frauen ſind in der Lage, zu arbeiten, und die Vorſitzenden der Unter⸗ ſtützungskommiſſionen wiſſen ja, in wie vielen Fällen die Frauen zur Arbeit gehen und dadurch noch etwas verdienen. In den Fällen, in denen die Frauen wegen Kränklichkeit oder Schwächlichkeit nicht dazu in der Lage ſind — darin werden mir die Vorſitzenden der Unterſtützungskommiſſionen zuſtimmen —, hat jede Kommiſſion wohlwollend die Hand geöffnet und es bleibt ihr, wie der Herr Bürgermeiſter ſchon ſagte, überlaſſen, durch Sonderunterſtützungen dieſe Nach⸗ teile von Fall zu Fall auszugleichen. Meine Herren, Herr Kollege Hirſch ſagte, daß mit 6 % für ein Kind heute eine Frau nicht mehr aus⸗ kommen könne. Scheinbar iſt die Bemerkung zutref⸗ fend; aber es gibt ja doch noch ſo viele kleine Vorteile, die dieſen bedürftigen Frauen zuteil werden können. Ich glaube, daß die Unterſtützungskommiſſionen in den meiſten Fällen z. B. die Schulſpeiſung gar nicht angerechnet haben. — Ich höre da auch von Herrn Kollegen Hirſch keinen Widerſpruch. — Wir in unſerer Kommiſſion rechnen ſie ſchon gar nicht mehr, und das iſt auch eine kleine Zuwendung, die den Frauen zuteil wird. Meine Herren, den Antrag des Herrn Kollegen Hirſch hier ſo ohne weiteres anzunehmen, möchte ich — und ich glaube, auch meine Fraktion — nicht ver⸗ antworten. Wenn wir uns vergegenwärtigen, welche großen Summen Charlottenburg monatlich ausgeben muß, ſo ſind wir es der Allgemeinheit und den Bür⸗ gern, die wir hier vertreten, ſchuldig, daß wir nur nach ſorgfältiger Prüfung über die vorgeſchriebenen Sätze hinausgehen. Unſere Fraktion ſtimmt deshalb zunächſt der Magiſtratsvorlage, und zwar auch in ihrem zweiten Teile, zu. Wir glauben aber, um dem Herrn Kollegen Hirſch auch noch in dieſem Punkte entgegen⸗ zukommen, vorſchlagen zu ſollen, daß wir den Magi⸗ ſtrat erſuchen, nach Anhörung der Unterſtützungskom⸗ miſſionen nochmals zu erwägen, ob eine Erhöhung der Normalſätze angebracht iſt. Den Weg, den Herr Kol⸗ lege Hirſch ſelbſt ſchon andeutete, können wir beſchrei⸗ ten. Ich bin der Anſicht: wir nehmen die Magiſtrats⸗ vorlage an und erſuchen unter Ablehnung des Antra⸗ ges Hirſch den Magiſtrat, nach Anhörung der Unter⸗ ſtützungskommiſſionen nochmals zu erwägen, ob eine weitere Erhöhung der Normalſätze angebracht iſt. Es iſt in der Magiſtratsvorlage nicht darauf hingewieſen worden, daß eine derartige Rückſprache mit den doch ſachverſtändigen Vorſttzenden und Mitgliedern der Unterſtützungskommiſſionen ſtattgefunden hätte. Mei⸗ nes Wiſſens iſt nur in dem Hauptausſchuß für vater⸗ ländiſche Hilfsarbeit eine allgemeine Beſprechung ge⸗ weſen. Aber meiner Meinung nach ſollten die eigent⸗ lichen Organe, die auf Grund ihrer ſiebenmonatigen Erfahrungen am beſten darüber urteilen können, in offizieller Form aufgefordert werden, weitergehende Maßnahmen in ihrem Kreiſe zu erwägen, um darauf mit dem Magiſtrat vielleicht durch ihre Vorſitzenden nochmals NRückſprache zu nehmen. Dem Magiſtrat wird ja dann anheimgeſtellt werden können, über das Reſultat dieſer Beſprechung der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung zu berichten. Meine Herren, was nun das Schreiben anbelangt, das der Magiſtrat an die Arbeitgeber gerichtet und 51 Herr Kollege Hirſch hier verleſen hat, ſo muß ich aller⸗ dings ſagen, daß es mir im Intereſſe der Zuſammen⸗ arbeit von Magiſtrat und Stadtverordnetenverſamm⸗ lung lieber geweſen wäre, wenn Herr Kollege Hirſch dieſen Brief hier nicht verleſen hätte, da ſeine Mit⸗ teilung doch immerhin geeignet ſein könnte, einen Keil in dieſes harmoniſche Zuſammenarbeiten zu treiben. (Stadw. Hirſch: Man darf nicht mehr die Wahrheit ſagen!) Sachlich muß ich allerdings offen bekennen: es wäre mir ebenſo lieb geweſen, wenn dieſer Brief auch nicht geſchrieben worden wäre. Sehr richtig!) Denn ich muß ſagen, ohne ausführlich auf die Sache ſelbſt einzugehen, daß ich dieſes Schreiben für verfehlt halte. Die Zuwendung des Arbeitgebers iſt ja doch dazu beſtimmt, daß die betreffende Frau die Miete davon zahlt. Es kann ſich alſo nur in wenigen Fällen darum handeln, daß der Arbeitgeber einen Teil der Zuwendung der Sparkaſſe zuführt, ſonſt würde die Unterſtützung der Frau allerdings zu knapp bemeſſen ſein. Ich gebe zwar zu, daß der Magiſtrat von den wohlmeinendſten Abſichten ausgegangen iſt. Aber, meine Herren, allzu viel Erziehung im öffentlichen Leben iſt vom Uebel, und es könnte doch immerhin nach außen der Eindruck erweckt werden, als ob hier in gewiſſem Sinne ein Eingriff in die perſönliche Frei⸗ heit ausgeübt wird. Es wäre mir alſo, um mich im dieſem Punkte zu reſümieren, lieber geweſen, . der Magiſtrat hätte den Brief nicht geſchrieben, aber auch ebenſo lieb, wenn ihn . Kollege Hirſch hier nicht zur Sprache gebracht hätte. Vorſteher Dr Frentzel: Herr Kollege Wöllmer, Ihren Antrag können wir entweder als Reſolution oder als beſonderen Punkt 3 auffaſſen. (Stadw. Wöllmer: Jawohl, als Punkt 31!) Stadtv. Dr Stadthagen: Meine Herren! Meine Freunde ſind auch mit der Magiſtratsvorlage ein⸗ verſtanden. Sie begrüßen auch die Vewirklichung der Anregung, die wir ſeinerzeit gegeben haben, den unverheirateten oder verwitweten Kriegsteilnehmern unter gewiſſen Umſtänden Mietbeihilfen zukommen zu laſſen. Gerade die Erfahrungen in den Kom⸗ miſſionen haben gezeigt, daß dieſe Ergänzung der Beſtimmungen außerordentlich notwendig iſt; es haben ſich die Anträge nach der Richtung hin im Laufe der Zeit immer mehr gehäuft. Meine Herren, was die allgemeine Ausſprache anbelangt, die Herr Kollege Hirſch hier mit ſeinem Antrage eingeleitet hat, ſo bedaure ich, daß derartige Dinge hier in der Oeffentlichkeit erörtert werden, nachdem jetzt ſchon ſo lange der Magiſtrat mit den Stadtverordneten und auch mit dem Hauptausſchuß für vaterländiſche Hilfsarbeit einmütig zuſammen⸗ gearbeitet hat. Ich bedaure das deswegen, weil da⸗ durch gerade die Begehrlichkeit ſolcher Frauen er⸗ weckt wird, die eigentlich gar keine Urſache zu weite⸗ rer Begehrlichkeit haben. Ich meine, daß die In⸗ ſtanz, vor der derartige Fälle zu behandeln ſind, ent⸗ weder der Hauptausſchuß für vaterländiſche Hilfs⸗ arbeit iſt, in dem der Magiſtrat und ſämtliche Unter⸗ ſtützungskommiſſionen nebſt den mitarbeitenden