54 ſtrats keine Kritik übt — ein Verfahren, mit dem ich nicht einverſtanden bin —, hat ja betont, daß die Nor⸗ malſätze, die wir feſtgelegt haben, das Eriſtenzminimum darſtellen ſollen. Das iſt durchaus zutreffend. Wenn das aber zutreffend iſt, dann folgt doch daraus, daß die ungeheure Steigerung der Lebensmittelpreiſe, die ſeit dem Oktober, wo wir die Normalſätze feſtgelegt haben, eingetreten iſt, uns zum mindeſten veranlaſſen muß, in Erwägungen darüber einzutreten, o5 heute noch das, was wir damals zur Friſtung des Lebens gewährt haben, ausreichend iſt oder nicht. Einzig und allein das habe ich mit meinem Antrage bezweckt. Ich möchte alſo bitten, daß Sie den Antrag zum mindeſten einer eingehenden Prüfung unterziehen, und bin überzeugt, daß, wenn die Prüfung objektiv erfolgt, Sie mit mir zu dem Reſultat kommen werden, daß wir die Sätze erhöhen müſſen, mindeſtens ſo weit, wie ſie andere Berliner Vorortgemeinden bereits haben. Nun zu dem Schreiben des Magiſtrats! Unver⸗ ſtändlich iſt mir der Standpunkt des Herrn Kollegen Wöllmer. Er hätte gewünſcht, daß der Magiſtrat das Schreiben nicht an die Arbeitgeber gerichtet hätte; aber nachdem es gerichtet iſt, hätte man es auch nicht vor⸗ bringen ſollen. Das heißt, man hätte mit Stillſchwei⸗ gen darüber hinweggehen ſollen. Das iſt ein Stand⸗ punkt, den ich nicht billigen kann. Ich hielt es für meine Pflicht, dieſes Schreiben zur Sprache zu brin⸗ gen, und die einmütige Verurteilung, die es von den Vertretern ſämtlicher Fraktionen gefunden hat, zeigt mir ja, daß ich Recht gehabt habe. Zunächſt iſt dem Herrn Bürgermeiſter ein Irr⸗ tum unterlaufen. Er ſagt, in dem Schreiben ſtände, daß im einzelnen Falle geprüft werden ſoll, ob den Frauen das ganze Geld gezahlt werden muß. Meine Herren, das Gegenteil ſteht darin. Wenn das darin ſtände, hätte ich dem Schreiben vielleicht gar keine Bedeutung beigemeſſen. Es ſteht aber ausdrücklich darin: wir richten an die Firmen die Bitte, zu prüfen, ob es nicht wenigſtens für den Regelfall ange⸗ zeigt erſcheint, den von ihnen unterſtützten Frauen nur einen Teil der Unterſtützung in bar auszuzahlen. Alſo das ſoll die Regel ſein; daß ſie alles bekommen, ſoll mur die Ausnahme hilden. Sie werden mir zugeben, daß das durchaus nicht dem entſpricht, was die ſtädti⸗ ſchen Körperſchaften beſchloſſen haben. Nun, meine Herren, war ich über die Erwiderung des Herrn Bürgermeiſters erſtaunt. Beſtritten hat ja der Herr Bürgermeiſter nicht, daß das Schreiben abgeſandt iſt; aber er machte mir nun Vorwürfe dar⸗ über, daß ich in dieſer Art geſprochen habe. Ich muß ſagen: ich habe kaum jemals, wenn es ſich um eine Angelegenheit handelte, an der ich Kritik zu üben ge⸗ zwungen war, ſo ruhig geſprochen wie in dieſem Fall. (Heiterkeit.) Der Herr Bürgermeiſter wird mir nicht nachweiſen können, daß ich irgendein hartes Wort geſagt habe. Allerdings ſagt der Herr Bürgermeiſter, ich hätte das Schreiben als eine ganz abſurde und abenteuerliche Maßnahme des Magiſtrats kritiſiert. Herr Bürg r⸗ meiſter, getan habe ich das nicht: aber ich mache Ihnen 08 Kompliment, daß Sie ein guter Gedankenleſer ind. (Heiterkeit.) Jedenfalls habe ich dieſe Ausdrücke nicht gebraucht. Ich glaube auch nicht, daß das Schreiben zur Be⸗ ruhigung in der Bürgerſchaft beiträgt; ich bin viel⸗ Außerordentliche Sitzung vom 17. März 1915 mehr überzeugt, daß der Magiſtrat, nachdem er jetzt geſehen hat, wie das Schreiben in den Kreiſen der Stadtverordnetenverſammlung aufgefaßt wird, wohl ſelbſt zu der Erkenntnis kommt, daß er einen Mißgriff begangen hat und daß er Sorge trägt, daß wir in Zu⸗ kunft ähnliche Kritik an ſeinen Maßnahmen zu üben nicht mehr gezwungen ſein werden. Vorſteher Dr. Frentzel: Das Wort iſt nicht weiter verlangt; ich ſchließe die Beſprechung. Wir kommen zur Abſtimmung. Ich denke ſie in der Weiſe vorzunehmen, daß wir über Punk 1 und 2 getrennt abſtimmen. Findet Punkt 2 nach der Magiſtratsvorlage Annahme, ſo iſt damit der Antrag des Herrn Kollegen Hirſch mei⸗ ner Auffaſſung nach erledigt und bedarf keiner beſon⸗ dern Abſtimmung mehr, da ſein Inhalt mit dieſem Beſchluß in direktem Widerſpruch ſtehen würde. Da⸗ nach würden wir als Punkt 3 über den Antrag des Herrn Kollegen Wöllmer abzuſtimmen haben, der da⸗ hin geht: Magiſtrat wird erſucht, nach Anhörung der Unterſtützungskommiſſionen zu erwägen, ob eine weitere Erhöhung der Unterſtützungsſätze angebracht iſt. Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Meiner Meinung nach iſt dieſe Art der Abſtimmung nicht rich⸗ tig. Es müßte doch dann zum mindeſten über meinen Antrag, der eine Erweiterung der Magiſtratsvorlage bezweckt, vor der Abſtimmung über Nr. 2 abgeſtimmt werden. Ich glaube, wir kommen am beſten dar⸗ über hinweg, wenn wir über den Antrag Wöllmer abſtimmen, der ja auch nur wieder eine Abänderung meines Antrages darſtellt. Wenn dieſer Antrag an⸗ genommen wird, iſt mein Antrag allerdings er⸗ ledigt. Vorſteher Dr Frentzel: Schön, ich bin auch da⸗ mit einverſtanden; es deckt ſich das allerdings nicht ganz. (Bürgermeiſter Dr. Maier: Ich bitte nochmals um die Verleſung des Antrags Wöllmer!) Magiſtrat wird erſucht, nach Anhörung der Unterſtützungskommiſſionen zu erwägen, ob eine weitere Erhöhung der Normalſätze ange⸗ bracht iſt. Bürgermeiſter Dr. Maier: Ich muß mich gegen dieſen Antrag wenden. Ob der Magiſtrat die Unter⸗ ſtützungskommiſſionen anhören will, iſt ſeiner eigenen Entſchließung vorbehalten, und es iſt nicht üblich, daß die Stadtverordnetenverſammlung dem Magi⸗ ſtrat vorſchreibt, welche Organe er ſeinerſeits anhören ſoll oder nicht. Ich möchte bitten, daß der Satz ge⸗ ſtrichen wird. Ich bin überzeugt, daß der Magiſtrat die Unterſtützungskommiſſionen anhört; aber es ent⸗ ſpricht durchaus nicht den Gepflogenheiten der Stadt⸗ verordnetenverſammlung, den Magiſtrat zur An⸗ hörung ſeiner Organe zu veranlaſſen. Vorſteher Dr Frentzel: Durch die Worte des 47½ Bürgermeiſters iſt die Debatte wieder er⸗ öffnet. Stadtv. Wöllmer: Wenn der Herr Bürger⸗ meiſter darauf Wert legt, daß der Satz ſozuſagen aus formalen Gründen fällt, ſo habe ich dagegen nichts