100 Sitzung am 209. von der andern Seite, nämlich von der Geſamt⸗ bevölkerung, aufgebracht werden müßten. Die Not⸗ lage des Hausbeſitzes voll anerkannt, aber, meine Herren, auch andere Schichten der Be⸗ völkerung leiden in dieſer Zeit ſehr ſchwer Not. Ich erinnere Sie an die kleinen Kaufleute, an die Handwerker, an die Gaſt⸗ und Schankwirte und an andere Bevölkerungsſchichten. Es würde eigentüm⸗ lich wirken, wenn wir bei dieſer allgemeinen ſchweren Notlage, die durch den Krieg herbeigeführt iſt, jetzt eine Klaſſe durch einen Steuererlaß heraus⸗ heben und damit andere Klaſſen der Bevölkerung belaſten wollten. 5 Die Baſis unſerer jetzigen geſetzlichen Beſtim⸗ mungen für die Gemeindegrundſteuer wird auch nach dem Kriege — darüber dürften wir uns wohl alle einig ſein — nicht herabgemindert werden können angeſichts der ungeheuer ſchweren finanziellen Opfer, die uns dann erſt recht blühen. Bekanntlich ſteht die Baſis der Steuer jetzt auf 2,7 ¼ des gemeinen Werts für bebaute und auf 5,4 % für unbebaute Grundſtücke. Die Veranlagung dieſer Steuer wird freilich in vielen Fällen ſpäter ergeben, daß die jetzt gültige und angenommene Höhe des ge⸗ meinen Wertes nicht mehr zutrifft, daß der gemeine Wert geringer geworden iſt. Dann wird ſich die Herunterſetzung der Steuer auf einem einwand⸗ freien Wege ganz von ſelbſt ergeben. Ich darf daran erinnern, daß in dem jetzigen Etatvoranſchlag für 1915 bereits eine kleine Herabſetzung des Gemeinde⸗ grundſteuer⸗Ertrages eingeſtellt iſt. Der Etatvor⸗ anſchlag bringt die Summe von 5 260 000 M., während im vorigen Jahre die Summe mit 5 315 000 M. im Etatvoranſchlage vorgeſehen war. In Zukunft wird ſich in vielen Fällen infolge Ent⸗ wertung der Grundſtücke naturgemäß auch eine Herabſetzung der Steuer für die Hausbeſitzer ergeben. Meine Herren, aus allen dieſen Gründen können wir nicht dafür eintreten, daß dieſem An⸗ trage ſtattgegeben wird. Aber ich betone und wiederhole dies zum Schluſſe noch einmal, daß wir gern jede poſitive Maßnahme mitmachen wer⸗ den, die darauf hinzielt, im allgemeinen Intereſſe die Lage des Hausbeſitzes zu beſſern und zu fördern. Stadtv. Mottek: Meine Herren! Wie bereits Herr Kollege Dr Stadthagen ausgeführt hat, war ſich der Petitionsausſchuß vollſtändig darüber klar, daß es infolge geſetzlicher Beſtimmungen aus etatstechni⸗ ſchen Gründen nicht möglich iſt, die Grundſteuer für das gegenwärtige Etatsjahr herabzuſetzen. Es iſt jedoch nicht ausgeſchloſſen, daß dieſe geſetzlichen Beſtim⸗ mungen von der Regierung abgeändert werden; die Regierung wird ſich in Anbetracht der troſtloſen Lage des Grundbeſitzes dem nicht verſchließen können. Um nun dem Magiſtrat die Frage zur Erwägung, ich möchte faſt ſagen, zu einem gewiſſen Studium an⸗ heimzugeben, hat der Petitionsausſchuß ſowie die Mehrheit meiner Fraktion beſchloſſen, die Petition dem Magiſtrat als Material zu überweiſen. Ich emp⸗ fehle Ihnen, dieſem Beſchluſſe zuzuſtimmen. Stadtv. Dr. Perl: Meine Herren! Die Mehr⸗ heit der liberalen Fraktion, die überwiegende Mehr⸗ heit ſogar, ſteht nicht auf dem Standpunkte des Herrn Kollegen Erdmannsdörffer. Wir ſind darin ganz anderer Meinung und ſchließen uns dem Votum der Kommiſſion an. Es iſt dabei zu bedenken, daß, als im vorigen Jahre der Krieg ausbrach, die Veran⸗ September 1915 lagung zur Gemeindegrundſteuer längſt erledigt war und die Berufungsfriſten abgelaufen waren. Dann trat die Kriegszeit ein, und für die Hausbeſitzer ſtellte ſich Verluſt auf Verluſt ein, Verluſte, die vorher gar nicht vorauszuſehen waren. Durch Verluſte, wie ſie die Gewerbetreibenden haben, wurden die Hausbe⸗ ſitzer auch heimgeſucht: die Wohnungen wurden ihnen gekündigt, die Familien ſchränkten ſich ein und nahmen kleinere Wohnungen, und die gekündigten Wohnungen konnten nur zum allergeringſten Teil neu vermietet werden. Alſo da ſteht es zwiſchen den Ge⸗ werbetreibenden und den Hausbeſitzern auf gleich. Aber als der Bundesrat Anfang Auguſt und Sep⸗ tember Geſetzesbeſtimmungen erließ, wonach den Fa⸗ milien der Kriegsteilnehmer, auch wenn ſie nicht in der Lage waren, die Miete voll zu zahlen, das Miet⸗ recht nicht genommen werden durfte, da erlitten die Hausbeſitzer einen beſonderen Verluſt. (Stadtv. Meyer: Gehört das noch zur Sache?!) Dieſer beſondere Verluſt kann doch nicht im Gefolge haben, daß nunmehr die entwerteten Häuſer zu der anfänglich veranlagten Gemeindegrundſteuer ver⸗ ſteuert werden! Die Verluſte, die die Hausbeſitzer hatten, haben ſie auf eigene Fauſt übernehmen müſſen, und es wäre eine Ungerechtigkeit, wenn man, wenn auch nur vorübergehend, das entwertete Haus zur alten veranlagten Gemeindegrundſteuer verſteuern wollte. Die Hausbeſitzer würden es nicht verſtehen, daß ſie Mietnachläſſe von Reichs wegen gewähren ſollen und trotzdem die volle Steuer zahlen müſſen. Meine Herren, ich brauche bloß noch darauf hin⸗ zuweiſen, daß da, wo ein Wille iſt, ſich auch ein Weg zeigen wird. Darum müſſen wir dem wohlbe⸗ rechtigten Antrage der Grundbeſitzer ſo weit wenig⸗ ſtens Folge geben, daß wir ihn dem Magiſtrat als Material überweiſen. Vorſteher Dr Frentzel: Meine Herren! Die ſiebente Stunde iſt überſchritten; ich glaube aber doch, daß es zweckmäßig iſt, dieſen Punkt zu Ende zu führen, natürlich unter der Vorausſetzung, daß die Debatte ſich nicht mehr allzu lange abſpielen wird. Es ſind vorläufig noch zwei Herren gemeldet. Stadtv. Bernhard: Meine Herren! Ich möchte mich in keine tiefgründige Erörterung über das Weſen des gemeinen Werts und die Möglichkeit einlaſſen, dieſen gemeinen Wert auf beſonderen Antrag herab⸗ zuſetzen. Diejenigen meiner Freunde, die gegen die Ueberweiſung der Petition als Material an den Ma⸗ giſtrat ſtimmen, laſſen ſich — glaube ich — von zwei Geſichtspunkten leiten, von denen der eine vom Kollegen Erdmannsdörffer ſchon ſehr richtig hervor⸗ gehoben worden iſt. Wir ſtehen auf dem Standpunkt: es wird hier etwas verlangt, was gegen das Geſetz iſt, und wir halten es für unlogiſch, daraufhin, daß eventuell einmal die Geſetze geändert werden könnten, etwas dem Magiſtrat als Material zu überweiſen. Das iſt eine ganz unnötige Belaſtung des Magiſtrats. Wir ſtehen auf dem Standpunkt, daß es für das Zu⸗ ſammenarbeiten von Stadtverordnetenverſammlung und Magiſtrat nicht gerade ſehr zuträglich iſt, wenn wir auf vage Möglichkeiten hin alles mögliche dem Magiſtrat überweiſen. Außerdem aber vertreten wir die Anſicht, daß wir es nicht über uns bringen können, in einer Zeit, wo wir alle damit werden rechnen müſſen, in Zukunft die Steuern jeder Art erhöht %