Sitzung am 20. liberalen Fraktion, zweitens zu dem Antrage der ſozialdemokratiſchen Fraktion, drittens zu dem Antrage Hubatſch und Genoſſen und viertens zu dem Antrage Liepmann und Genoſſen. Da die Anträge 1 und 3 dem Wortlaut nach völlig identiſch ſind, möchte ich vorſchlagen, daß wir beide zuſammennehmen, wenn die Herren, die eigentlich den Vorrang hätten, damit einverſtanden ſind. Die Herren ſind damit einver⸗ ſtanden. Wir kommen demnach zu den Anträgen der Stadto. Wöllmer und Gen. und Dr Hubatſch und Gen. betr. Maßnahmen gegen die Lebensmittelteuerung. Antragſteller Stadtv. Wöllmer: Meine Herren! Es herrſcht ſeit einiger Zeit eine begreifliche außer⸗ ordentliche Beunruhigung in der Bevölkerung dar⸗ über, daß trotz erheblicher Verteuerung der Lebens⸗ mittel ſeit Monaten eine weitere ſtarke Erhöhung be⸗ vorſtehen könnte. Beſonders in der letzten Zeit kon⸗ zentriert ſich die Erregung darauf, daß die Milch⸗ und Butterpreiſe nicht nur ganz beſonders geſtiegen ſind, ſondern daß eine weitere Steigerung bevorſteht. In der Tat ſind ja die Preiſe ſo, daß für viele Schichten der Bevölkerung der Genuß von Butter unerſchwing⸗ lich iſt. Die Gefahr in bezug auf die Milchverſorgung iſt ebenfalls erheblich. Als eine herzerfriſchende Tat kann man es bezeichnen, daß der Oberkommandierende der Marken zunächſt wenigſtens dem Preistreiben einen Riegel vorgeſchoben hat durch Feſtſetzung von Höchſtpreiſen für Butter mit Geltung bis Ende dieſes Monats. Es ſchwirren in den Tageszeitungen allerlei Artikel und Hinweiſe auf bevorſtehende Maßnahmen der Regierung. Authentiſch ſind dieſe Mitteilungen bis jetzt nicht. Es iſt Pflicht der Stadtverordneten⸗ verſammlungen, alſo auch unſerer Verſammlung, dieſen Zuſtänden gegenüber Stellung zu nehmen, und es iſt ja auch heute aus allen Fraktionen unſerer Stadwer⸗ ordnetenverſammlung ein Antrag eingebracht worden, Der dasſelbe Ziel verfolgt, nämlich mit dem Magiſtrat gemeinſam Schritte zu unternehmen, die auf eine Ver⸗ billigung der wichtigeren Lebensmittel hinzielen oder wenigſtens ihre weitere Verteuerung verhindern. Ich glaube daher, es wird angebracht ſein, namentlich auch im Hinblick auf den Antrag der ſozialdemokratiſchen Frakrion, der verſchiedene Vorſchläge enthält, die ſämt⸗ lichen Anträge einem Ausſchuß von 15 Mitglidern zu üerweiſen, und ich erlaube mir, dieſen Antrag zu ſtellen. Ich wende mich nun zu unſerm Antrage, der in Form einer Anfrage den Magiſtrat um Auskunft bittet. Unſere Stadtverordnetenverſammlung hat be⸗ kanntlich bei Beginn des Krieges den Beſchluß gefaßt, die Deputation zur Beratung von Maßregeln gegen die Lebensmittelteuerung zu ermächtigen, ihr geeignet erſcheinende Maßnahmen auf dem Gebiete der Lebens⸗ mittelverſorgung zu treffen. Zu dieſem Zwecke wurden bis jetzt 3 Millionen Mark Kredit zur Verfügung ge⸗ ſtellt, um allerlei wichtige Lebensmittel, Kartoffeln, Hülſenfrüchte, Reis, Fettwaren, Schweinefleiſch, Speck uſw. uſw., einzukaufen und an die Bevölkerung abzu⸗ geben. Damals iſt ausdrücklich darauf hingewieſen worden, daß ein großer Teil dieſer wicht. en Lebens⸗ mittel einen eiſernen Beſtand bilden ſoll, der nur in Zeiten der Not zur Veräußerung zu gelangen habe. Der Magiſtrat hat dann vor einiger Zeit die Ihnen ekannte Druckſchrift herausgegeben: „Kriegmaßnah⸗ men der Stadt Eharlottenburg“, und in dieſer Druck⸗ ſchrift findet ſich auch eine Berichterſtattung über das, Oktober 1915 107 was auf dem Gebiete der Lebensmittelverſorgung bis⸗ her geſchehen iſt: Beſchaffung und Verkauf von Lebens⸗ mitteln durch die Stadt. Meine Herren, der Zweck der Maßnahmen des Magiſtrats, abgeſehen von der Monopoliſierung von Brot und Mehl, war ja nicht, den Markt an ſich zu reißen, den Verkauf dieſer Lebensmittel zu monopoli⸗ ſieren, ſondern dem Markt neue Ware zuzuführen und nach Möglichkeit billig an die unbemittelte Be⸗ völkerung abzugeben. Ich habe die Ue“erzeugung, daß der Magiſtrat und die mit ihm arbeitende Deputation ihre Aufgabe ſo weit erfüllt haben, wie es überhaupt möglich war, und alle Schwierigkeiten auf dieſem Ge⸗ biet, ſoweit es ging, zu beſeitigen verſucht haben. Daß bei ſolchen Einrichtungen Organiſationsmängel vor⸗ handen ſind, iſt ja ſelbſtverſtändlich. Wir möchten nun den Magiſtrat bitten, uns Auskunft darüber zu er⸗ teilen, was auf dem Gebiete der Lebensmittelverſor⸗ gung, ſeitdem die Druckſchrift erſchienen iſt, geſchehen iſt, welche Erfolge der Magiſtrat gehabt hat und was er weiter in bezug auf dieſe Dinge zu tun gedenkt. Meine Herren, in der Bevölkerung iſt darüber eine gewiſſe Beunruhigung entſtanden — ich will das nur ſtreifen —, daß bei dem Verkauf von Speck vor den Schlächterläden bedrohliche Anſammlungen ſtatt⸗ fanden. Es ſind Klagen laut geworden, daß nicht alle Oiejenigen, die etwas kaufen wollten, etwas erhielten, daß eine Bevorzugung einzelner Schichten ſtattfände, die Zeit hätten, ſich lange vor den Läden aufzuhalten und ſich vorzudrängen. Ich ſagte ſchon, daß kleine Mängel unvermeidlich ſind bei der Durchführung die⸗ ſer ſchwierigen Frage. Es wäre aber wohl möglich, Daß der Magiſtrat — und ich bitte ihn darum —, noch einmal prüft, ob nicht ſolche Vorkehrungen getroffen werden können, daß das, was an Speck zur Verfügung ſteht, durch die Schlächter an möglichſt viele Perſonen zum Verkauf gelangt, etwa dadurch, daß die Fleiſch⸗ karten von dem Schlächter einen Wochenſtempel be⸗ kommen und daß auch das Quantum des Verkaufs an den einzelnen weiter eingeſchränkt wird, damit an⸗ geſichts der Knappheit, über die ja kein Zweifel be⸗ ſteht, möglichſt viele unbemittelte Bürger etwas er⸗ halten. Wir bitten alſo den Magiſtrat um Auskunft über die Beſchaffung von Kartoffeln, Eiern uſw. Auch würde es zweckmäßig ſein, über die Beſchaffung von Fiſchen etwas zu hören. Beſonders aber ſteht im Vordergrunde die Verſorgung mit Milch und Butter. In der heutigen Abendzeitung, meine Herren, finden Sie die Notiz, daß ſich viele Städte ietzt ſehr energiſch mit der Frage beſchäftigen, allerlei Vorkehrungen für die Zukunft treffen, einkaufen wollen uſw. Es iſt heute nicht Zeit und Ort, dieſe Frage gründlich zu prüfen. Aber darauf darf ich mir hinzuweiſen erlau⸗ ben, daß die Frage der Verſorgung mit Milch und Butter (eins hängt vom andern ab), nicht ſo einfach zu löſen iſt, wie es vielleicht mit Brotgetreide der Fall geweſen ſein mag, daß auch nicht die Feſtſetzung von Höchſtpreiſen allein genügt, ſondern daß tief in das wirtſchaftliche Leben eingegriffen werden müßte, wenn eine allgemeine Reglementierung ſtattfinden ſoll. Aber es muß in dieſer Be⸗iehung etwas geſchehen. Wir richten auch an den Magiſtrat die Frage, ob er jetzt ſchon durch Verhandlungen mit der Regierung oder mit dem Reichsamt des Innern dahin gewirkt hat, daß unſere Bevölkerungsſchichten auskömmlich mit Milch und Butter zu Cilligen Preiſen verſorgt werden. Ich weiſe darauf hin, daß die Frage der Verſor⸗ gung mit Milch und Butter, wenn ſie auch heute noch im Vordergrund der Erörterung ſteht, ſicherlich in