Sitzung am 20. Oktober 1915 Anordnungen das mangelnde Produkt gleichmäßig und gerecht zur Verteilung zu bringen, die Preiſe zu regeln und ſo den Verſorgungsverbänden, die nicht jelber produzieren können, diejenigen Mengen ſicher⸗ ſtellen, die notwendig ſind, um die dringendſten An⸗ ſprüche der Bevölkerung zu befriedigen. Dieſe Grund⸗ ſätze bitte ich unter allen Umſtänden ſich klar vor Augen zu halten, um zu erkennen, wo die Grenzen der Gemeindeaufgaben liegen. (Sehr richtig!) Das, was wir als Kommunalverband leiſten können, liegt im weſentlichen auf dem Gebiete der Verbrauchsregelung. Wir ſind in der Lage, die uns zugewieſenen oder geſicherten Mengen ſo zu verteilen, daß der einzelne gegenüber dem andern nicht be⸗ nachteiligt wird. Am vollendetſten iſt uns das auf dem Gebiere der Brotverſorgung gelungen. Dort iſt eine abſolute Verbrauchsregelung erfolgt. Dieſe ab⸗ ſolute Verbrauchsregelung iſt aber nur möglich, wo den Gemeinden auch das Prodükt, das zur Ver⸗ teilung gelangen ſoll, allein und ausſchließlich zur Verfügung ſteht. Denn es iſt unmöglich, eine ab⸗ ſolute und reſtloſe Verteilung vorzunehmen, wenn wir nicht die Hand über dem Produkt haben, nicht kontrollieren können, wo es bleibt. Brotkarten und ähnliche Karten für eine abſolute Verteilung von Be⸗ darfsgegenſtänden des täglichen Lebens ſind nur dort am Platze, wo die Gemeinde auch zu disponieren in der Lage iſt, in welcher Weiſe jeder Teil des zu ſichernden Produkts verwendet werden darf. Trotzdem, meine Herren, können die Gemeinden nicht nur auf dem Gebiete der abſoluten Verbrauchs⸗ regelung, ſondern auch auf dem Gebiete der relativen Verbrauchsregelung etwas leiſten, und ſie werden überall dort auch auf dieſem Wege etwas leiſten anüſſen, wo aus Gründen der Eigenart des Produkts es nicht möglich iſt, das Produkt vollſtändig in unſere Hand zu bringen. Damit komme ich auf die Frage, die der Herr Stadtv. Wöllmer eben berührt hat, die ernſte Frage der Milchverſorgung. Denn die Milch iſt, wenigſtens für Groß⸗Berlin, ein Produkt, für das eine abſolute Verbrauchsregelung nicht möglich iſt. Die Milch, die wir nach Groß⸗Berlin und nach einzelnen Bezirken von Berlin bekommen, fließt uns auf Grund von ſogenannten Pachtverträgen der ein⸗ zelnen Milchpächter zu. Es beſteht die Tatſache, daß in dieſem Jahre abweichend von dem Vorjahre die Milchverpächter, alſo die Produzenten, ſich nicht mehr auf die Lieſerung eines beſtimmten Quantums von Milch verpflichtet haben, ſondern lediglich es über⸗ nommen haben, nach Maßgabe ihrer Erzeugung, aller⸗ dings in dieſem Falle alles, was ſie erzeugen, abge⸗ ſehen von dem eigenen Bedarf, an die Milchhändler abzuliefern. Bei dieſer Sachlage können und müſſen wir insbeſondere für diejenigen Bevölkerungskreiſe ſorgen, die unbedingt auf die Milchnahrung ange⸗ wieſen ſind. Das ſind etwa die Kinder bis zum 14. Lebensjahre, und das ſind die Kranken. Wir können alſo eine Verbrauchsregelung in der Weiſe eintreten laſſen, daß wir für dieſe Bevölkerungs⸗ klaſſen Marken ausgeben und daß wir den Händlern verbieten, bis zu einem beſtimmten Zeitpunkt des Tages an andere als an mit Marken verſehene Per⸗ ſonen Milch zu liefern. Wir wiſſen, wieviel Quanten Milch zurzeit hereinkommen, und ſind infolgedeſſen ſicher, daß die Marken, die wir ausgeben, unbedingt honoriert werden können. Soweit dann noch Reſte übrig bleiben — und nach unſerer Meinung würde, 109 wenn ſo verfahren wird, wie ich eben ſagte, noch ein erhebliches Quantum an Milch für die Bevölkerung übrig bleiben —, werden dieſe Reſte von einer be⸗ ſtimmten Stunde ab für die übrige Bevölkerung im freien Verkehr zur Verfügung ſtehen. Was die Butter betrifft, ſo ſteht ſte in einem relativen Verhältnis zur Milch. Die Milch iſt der Stoff, aus dem die Butter gewonnen wird, und die Preiſe, die für die Butter bezahlt werden, haben einen unbedingten Einfluß auch auf die Milch. Es iſt ein einfaches Rechenexempel, feſtzuſtellen, wie viel der Ertrag an Fett aus einem Liter Milch ausmacht und wie die Magermilch verwertbar iſt. Man kommt zu dem ſehr einfachen Ergebnis, daß der Verkauf von Vollmilch überhaupt nicht mehr zu den bisherigen Preiſen von 22 § ab Stall zweckmäßig iſt, wenn für die Butter auch nur die Preiſe bezahlt werden, die noch vor kurzem bezahlt wurden, alſo etwa 2,50 % für das Pfund Butter. (Zuruf: 3 %I) — Vor kurzem, ich ſpreche nicht von den allerletzten Preiſen! — Es iſt nachgewieſen, da ja durchſchnitt⸗ lich bei dem heutigen Kraftfutter etwa 3% Fett⸗ ausbeute aus dem Liter Milch zu erzielen iſt, daß der Produzent, wenn er das Fett verbuttert, allein aus der Fettgewinnung 18 bis 19 5 bekommt. Da ſich der Produzent noch weiter etwa 5 mindeſtens als Wert der Magermilch für die Verfütterung an die Schweine rechnen kann, ſo ergibt ſich, daß bereits der Produzent ſich ſeine Milch mit 24 § das Liter ſelbſt rechnen kann und daß infolgedeſſen eine Ablieferung der Milch zu 22 5, wie jetzt die Pachwerträge durch⸗ gängig lauten, für ihn nachteilig iſt. Unter dieſen Umſtänden iſt es durchaus und dringend notwendig, die Butterpreiſe feſtzuſetzen; denn je weiter die Butterpreiſe ſteigen, deſto größer iſt die Gefahr, daß die Milchproduktion zur Buttergewinnung in er⸗ höhtem Maße verwandt und die Abgabe von Milch eingeſchränkt oder doch ſehr verteuert wird. (Sehr richtig!) Meine Herren, wir haben uns mit aller Ent⸗ ſchiedenheit bei dem Oberkommando der Marken dafür verwendet, daß endlich für die Butter Höchſt⸗ preiſe feſtgeſetzt werden. Sie haben ja aus der Be⸗ kanntmachung vom Sonntag früh erſehen, daß dieſem Antrage ſtatigegeben worden iſt. Dieſes Vorgehen iſt naturgemäß nur proviforiſch; denn es iſt undenkbar, Höchſtpreiſe für einzelne Bezirke feſtzuſetzen, ohne daß gleichzeitig Höchſtpreiſe für das ganze Reichs⸗ gebiet, wenn nötig, in relativer Abſtufung, feſtgeſetzt werden. Sehr richtig!) Wenn Sie den von mir an die Spitze meiner Aus⸗ führungen geſtellten Gedanken feſthalten, daß das Wirtſchaftsgebiet des Reiches eine Einheit iſt und daß innerhalb des Wirtſchaftsgebiets ein Bezirk der Konkurrent des andern iſt, dann müſſen Sie ſich von ſelbſt ſagen, daß jede einzelne Maßnahme zur Sicherung lediglich eines Bezirks — abgeſehen von der Verteilung — immer zur Schädigung eines andern oder des eigenen Bezirks führt oder doch ſeine Verhältniſſe unmittelbar wirtſchaftlich be⸗ einflußt. (Sehr richtig!)