——. 110 Was in bezug auf die Abgrenzung einzelner Wirt⸗ chaftsgebiete innerhalb des Reiches während des trieges geleiſtet worden iſt, das wird ſpäter wahr⸗ ſcheinlich ſehr erhebliches Kopfſchütteln hervorrufen. Wir haben ſeinerzeit nach vielen Kämpfen und Mühen glücklich den Deutſchen Zollverein begründet und müſſen es erleben, daß heute faſt jeder Korpsbezirk zu einem beſondern Staate durch Ausfuhrverbote uſw. ausgeſtaltet wird. Das iſt natürlich eine Maßnahme, die unter keinen Umſtänden gebilligt werden kann. Ich erwähne es deswegen, weil wir, ſoweit wir inner⸗ halb der Städte Produzenten ſind, nämlich auf dem Gebiet der Milchverſorgung vermöge unſerer Abmelk⸗ wirrſchaften, gerade wegen ſolcher Ausfuhrverbote in eine außerordentlich ſchwierige Lage gekommen ſind. Jeder Viehhalter in Charlottenburg wird Ihnen mit⸗ teilen, daß das Heuausfuhrverbot des 3. Armeekorps nach Groß⸗Berlin, das übrigens eine ganz eigenartige Geſtaltung von Groß⸗Berlin vorgenommen hat man hat das Zweckverbandsgebiet Groß⸗Berlin neuer⸗ dings ſo abgegrenzt, daß man Spandau heraus und Potsdam hineingenommen hat, (Heiterkeit) außerdem noch Oberbarnim —, daß dieſes Heuaus⸗ fuhrverbot nach Groß⸗Berlin dahin gewirkt hat, daß die Heupreiſe bei uns bereits auf beinah 9 für den Zentner geſtiegen ſind. Nun ſtellen Sie ſich vor, in welche Schwierigkeiten unſere Viehhalter kommen, wenn neben den koloſſal hohen Kraftfutterpreiſen auch dieſe Preiſe für das Heu gezahlt werden müſſen. Wir haben nach dieſer Richtung hin verhandelt, und ich muß anerkennen, daß die Intendantur des 3. Armeekorps bereit iſt, uns entgegenzukommen. Die Verhandlungen ſchweben noch. Sie können ſich aber denken, meine Herren, daß für die Dauer dieſes Zuſtandes innerhalb Charlottenburg natürlich außer⸗ urdentliche Schwierigkeiten eingetreten ſind. Meine Herren, die Anfrage nach den einzelnen Maßnahmen, die wir innerhalb unſeres von mir be⸗ grenzten Aufgabenkreiſes ergriffen haben, wird mit den erforderlichen Einzelheiten, Zahlen uſw. Herr Stadtrat Dr. Gottſtein nachher beantworten. Man kann ſie in zwei Gruppen teilen: Wirtſchafts⸗ maßnahmen, Vorratsbeſchaffung und Verteilung und Verwaltungsmaßnahmen, Ueberwachung des lokalen Handelsverkehrs im Intereſſe der Verbrauchs⸗ regelung. Ich will nur allgemein hervorheben, daß wir alsbald nach L r des Krieges in der Zeit des Ueberfluſſes mit Vorbedacht und Entſchiedenheit daran gegangen ſind, uns von dem Ueberfluß für die Zeit etwaiger Knappheit einzudecken. Dies gilt ins⸗ beſondere für die Zeit, als einige Nationalökonomen den Krieg gegen das Schwein als den neunten Feind Deutſchlands gepredigt haben, und dieſer Anregung gemäß angeordnet wurde, von den Schweinen ſo viel wie irgend möglich abzutöten. (Zuruf: Leider!) Dieſe Zeit haben wir benutzt, um uns möglichſt viel Schweinefleiſch hinzulegen. Ich ſtimme Herrn Stadtv. Wöllmer darin bei, daß die Knappheit an Fleiſch wahrſcheinlich in allernächſter Zeit noch größer wer⸗ den wird — ein wenig erfreuliches Bild, aber ein Bild, das wir nicht verſchönern dürfen. Für dieſe Zeit werden uns unſere Fleiſchvorräte von beſonde⸗ rem NRutzen ſein. Auch von ſolchen Produkten, die wir im weſentlichen aus dem Ausland beziehen, und die bei Beginn des Krieges noch in größeren Mengen vorhanden waren, haben wir uns Vorräte geſichert. Sitzung am 20. Oktober 1915 Seit geraumer Zeit haben wir eine Verteilung dieſer Vorräte vorgenommen. Daneben haben wir verſucht — und werden es uns weiter angelegen ſein laſſen , von derjenigen Stelle im Reich, die die Zentraliſierung der Beſchaf⸗ fung von Lebensmitteln darſtellt, und der es ob⸗ liegt, innerhalb des Reiches den Ausgleich vorzu⸗ nehmen, ſo viel an Lebensmitteln uns zu beſchaffen, wie ſie uns zuweiſen kann, um dieſe Materialien an die Bevölkerung abzugeben. Herr Stadtrat Dr Gottſtein wird Ihnen nachher auch noch mit⸗ teilen, welche Beſchränkungen gegenwärtig uns noch bezüglich der Abgabe der vorhandenen Materialien durch dieſe Stelle, die Zentraleinkaufsgeſellſchaft, auf⸗ erlegt ſind. 2 1 NMñʃeine Herren, Sie werden daraus erkennen, daß das, was in unſeren Kräften ſtand, um uns mit Vor⸗ räten in einer die Allgemeinintereſſen reſpektierenden Weiſe zu verſehen, von uns geleiſtet worden iſt und weiter geleiſtet werden wird. 1 Die zweite den Kommunen obliegende Aufgabe der Ueberwachung des lokalen Handelsverkehrs als Grundlage etwaiger Verbrauchsregelungen hat die Mittel für ihre Wirkſamkeit ja eigentlich erſt durch die Bekanntmachung über die Errichtung von Preisprüfungsſtellen vom 25. September 1915 erhalten. Dieſe Bekanntmachung hat auch für das Reich erſt das Mittel für ein wirkſames Handeln auf dem Gebiete der Lebensmittelfürſorge geſchaffen. (Stadtv. Dr Liepmann: Sehr richtig!) Es iſt zu erwarten, daß, wenn die Reichsprüfungs⸗ ſtelle erſt wirklich in Funktion iſt — und der ernſt⸗ hafte Wille zum Helfen wird nach meinem Dafür⸗ halten beim Reiche nicht fehlen —, wir dann in ge⸗ ſündere und klarere Bahnen kommen. Vorläufig werden wir, ſoweit die ſtatiſtiſchen Vorarbeiten unſeres engeren Wirtſchaftsgebiets in Betracht kom⸗ men, alles tun, um dieſe zu fördern. Wir haben insbeſondere den Groß⸗Berliner Gemeinden vorge⸗ ſchlagen, im Wege der Verordnung zur Ueberwachung des Buttermarktes eine periodiſche Meldepflicht für ſämtliche Perſonen, die überhaupt Butter lagern, derart einzuführen, daß die Meldungen über die Buttervorräte dreimal im Monat erſtattet werden, damit wir ſtets über die Vorräte unterrichtet ſind. (Bravol) Das gleiche wird auch bezüglich der Milch geſchehen. Meine Herren, ich richte an dieſer Stelle einen allgemeinen Appell an die Bürgerſchaft, in dieſer ernſten und ſchwierigen Zeit nicht zu verzagen und ſich die Beſchränkungen, die notwendig ſind, aufzu⸗ erlegen. Dabei fpreche ich die Hoffnung aus, daß es gelingen wird, das Vertrauen, das die Bürgerſchaft 10 die 7.4. der 1 . 44901 111 ſetzt, in jeder Beziehung zu r rtigen. bin über⸗ zeugt, daß, wenn die 1 das Bewußtſein hat, daß nach Recht und Billigkeit verfahren wird, ſie ſich allen Beſchränkungen gern unterwerfen wird und auch im Intereſſe des Vaterlandes gern bereit ſein wird, ſelbſt eine gewiſſe Not zu ertragen. Dieſes Bewußtſein aber können nicht wir allein, ſondern müſſen auch die höchſten Reichsſtellen der Bevölke⸗ rung beibringen. (Sehr richtig!) Mit dem Wunſche, daß dies gelingt, ſchließe ich meine Ausführungen. (Lebhafter Beifall.)