Sitzung am 20. Oktober 1915 reits ſehr ernſthaft gearbeitet hat; die Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters namentlich haben den Ge⸗ dankengang, von dem wir hier ausgegangen ſind, durch⸗ aus beſtätigt. Er hat dargelegt, wie wir das ja auch ſchon wiſſen, daß es nicht die Schuld der einzelnen Ge⸗ meinde, ſondern die Schuld einerſeits der allgemeinen Umſtände und zum zweiten der beſonderen Maßnah⸗ men oder Nichtmaßnahmen, die heute getroffen ſind, iſt, die dieſe ſchwere Bedrängnis herbeigeführt haben. Die Folgen der Kriegsnot müſſen wir heute auf uns nehmen, und ſoweit es ſich um notwendige Beſchrän⸗ kungen handelt, von denen der Herr Bürgermeiſter ſprach, wird auch jeder bereit ſein, ſich ihnen zu unter⸗ werfen. Der Aushungerungsplan unſerer Feinde wird ſo lange zu nichte werden, als wir noch Brot und Kar⸗ toffeln haben. Aber, meine Herren, es handelt ſich nicht um notwendige Beſchränkungen, ſondern es iſt die Uelerzeugung, daß allerwegen nach Recht und Billigkeit verfahren wird, von der der Herr Bürger⸗ meiſter geſprochen hat, in den weiteſten Volkskreiſen 1. nicht vorhanden, und ſie kann nicht vorhanden ein. (Sehr richtig!) Denn es ſir) in ſo einſeitiger Weiſe durch die Organe der Produzenten, die doch bisher in ganz beſonderem Maße den Patriotismus für ſich in Anſpruch genom⸗ men haben, eigene Intereſſen gewahrt worden, es iſt mit einer Rückſichtsloſigkeit über die dringlichſten Lebensintereſſen breiter Volksmaſſen hinweggegangen worden, ohne daß die Regierung, beſonders die preu⸗ ßiſche Regierung im Landwirtſchaftsminiſterium, dem entgegengetreten iſt, daß in den weiteſten Volkskreiſen die Ueberzeugung beſteht, daß heute ſelbſt unter den beſonders ſchweren Umſtänden, unter denen das ganze Volk leidet, ſich in den maßgebenden Kreiſen nicht die Intereſſen der Gefamtheit, ſondern die Intereſſen be⸗ ſtimmter Kreiſe durchſetzen, die über beſonderen Ein⸗ fluß und beſondere Beziehungen verfügen. (Sehr richtig!) Dieſen Intereſſen gegenüber iſt es um ſo notwenoiger, daß die Vertretungen unſerer Großſtädte, die heute ja doch ſchon einen ſo erheblichen Teil unſerer Geſamt⸗ bevölkerung einſchließen, mit viel größerer Schärfe und viel größerer Rückſichtsloſigkeit vorgehen. Meine Herren, Sie haben ja in früherer Zeit ſchon viele Beſchlüſſe zu faſſen gehabt, um der Not entgegenzuwirken. Es ſind Teuerungszulagen gegeben worden, ſie ſind auch erhöht worden, man hat der be⸗ Dürftigen Bevölkerung mannigfache Vergünſtigungen gewährt. Aber das alles kommt mir vor, als wollte man auf einem lahmen Pferde mit einem Renner um die Wette reiten; man bleibt immer zurück. Das, was man hier beſchließen kann, wird jederzeit durch die ungeheuerlichen Steigerungen zunichte gemacht, und darum iſt es, wie geſagt, notwendig, daß über den Rahmen der einzelnen Gemeinde hinaus durch um⸗ faſſende Maßregeln, wie ſie ja nun vielleicht angebahnt ſind, von denen wir aber immer noch keine Ergebniſſe erlebt haben, tatſächlich die Intereſſen des geſamten Volkes, das heute ſo große Opfer bringen muß, wirk⸗ lich auch zur Geltung gebracht werden. 113 Was kann nun die Gemeinde tun, hat ſie alles getan, und iſt das in der Weiſe geſchehen, wie es etwa notwendig wäre? Wir wollen hier wirklich keine klein⸗ liche Kritik üben, wir wollen gern zugeben, daß mit Hingebung und im ganzen auch auf dem richtigen Wege gearbeitet worden iſt. Aber, meine Herren, es iſt noch manches zu erwägen, was ſich anderwärts be⸗ währt hat und was auch bei uns ins Auge gefaßt werden ſollte. Es iſt hier im weiteren Kreiſe nicht möglich, alle dieſe Fragen eingehender zu erörtern. Doch ſei einiges erwähnt. Speziell die Aufgabe der Milchverſorgung iſt heute ſo brennend ge⸗ worden, daß die Fragen einer für die Dauer beſtimm⸗ ten Organiſation hinter dem augenblicklichen Bedürf⸗ nis zurücktreten. Immerhin hat Straßburg i. Elſ. eine Milchverſorgung während der Kriegszeit einge⸗ richtet, die ſich bisher durchaus bewährt hat, und ich will doch darauf hinweiſen. Wir haben gerade auf Grund der Kriegserfahrungen eine Menge von Ein⸗ richtungen ſchaffen müſſen, die durch ihren inneren Ge⸗ halt beweiſen, daß ſie nicht allein auf den Krieg be⸗ ſchränkt werden können, die in ſich die Entwicklungs⸗ möglichkeiten zu einer dauernden Organiſation tragen. In dieſem Sinne ſollte man auch heute, gerade jetzt, wo ſo viele Erfahrungen geſammelt werden, wo ſo viele neue Verbindungen angeknüpft werden müſſen, die Frage ins Auge faſſen, wie man in Zukunft auf Gebieten, wo das Bedürfnis ſo Dringend iſt wie auf dem der Milch⸗ und der Brotverſorgung, dauernde Einrichtungen ſchaffen kann, Jurch die dem allgemeinen Bedürfniſſe genügt wird. In anderen Gemeinden hat man Schlacht un⸗ gen vorgenommen. 3. B. hat die Stadt Freiburg i. Br. über 200 Milchkühe in eigenen Stallungen zu ſtehen. Sie hat eine ganze Zeit hindurch allwöchent⸗ lich ein Schlachttier geliefert, um auf dieſe Weiſe wenigſtens den Bebürfniſſen der Speiſeanſtalt zu ge⸗ nügen. Alſo die Möglichkeit, da und dort weiter zu gehen, weitere Maßnahmen zu ergreifen, als das bis⸗ her geſchehen iſt, beſteht. Sehr wahr!) Wir dürfen auch weiter nicht vergeſſen, daß die Einrichtungen, die wir hier haben, in mannigfacher Hinſicht verbeſſerungsbedürftig ſind. Ich denke da an unſern ſtädtiſchen F i ſchverkauf, der nach meiner Erfahrung Oisher nicht imſtande geweſen iſt, den all⸗ gemeinen Fiſchvreis herabzudrücken; ich denke an die Einrichtung des ſogenannten gemeinnützigen Ge⸗ müſeverkauf s am Wilhelmsplatz, der geſchloſſen worden iſt, weil er tatſächlich ſeinen Zwecken in keiner Weiſe entſprochen hat. So wäre noch manches anzu⸗ führen, was ſich aber wohl am beſten bis zu den Be⸗ ratungen des Ausſchuſſes zurückſtellen läßt. Weiterhin iſt es, glaube ich, heute dringend not⸗ wendig, daß auf manchen Gebieten die Verſorgung mit anderen Lebensmitteln energiſch in die Hand ge⸗ nommen wird. Es wäre früher vielleicht möglich geweſen, mehr zu tun. Wir haben gehört, daß der Vorrat an ſtädtiſchem Pflanzenfett verbraucht iſt. Ich weiß aber, daß es private Vereinigungen gibt, 3z. B. den Hausarztverein, der heute noch in der Lage iſt, ſeinen Mitgliedern ein ziemlich erhebliches Quan⸗ tum ſolcher Pflanzenbutter zu liefern, und zwar zu einem Preiſe, der die Koſten deckt und doch weit hinter dem zurückbleibt, der heute im Privathandel