Sitzung am 3. November 1915 erwogen werden, ob es uns möglich iſt, größere Vieh⸗ beſtände zu kaufen, die dann hier zur Abichlachtung gelangen, um auf dieſe Weiſe eine Preisreduktion herbeizuführen. Es wurde dann weiter angeregt, daß ſich der Magiſtrat auch mit dem Einkauf von Brennmateria⸗ lien beſchäftigen ſolle. Auch dieſe Anregung wurde im Laufe der Debatte der Lebensmitteldeputation überwieſen; ſie wird, wenn ſich die Verhältniſſe auf dem Brennmaterialienmarkt verſchlechtern ſollten, zu geeigneter Zeit Schritte unternehmen, um dafür zu ſorgen, daß die Bevölkerung mit billigem Brenn⸗ material verſehen wird. Der erſte Punkt des Antrages geht dahin, den Magiſtrat zu erſuchen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Verſorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln für die Zutunft ſicherzuſtellen. Ich erwähnte ja ſchon vorhin, daß geplant iſt, nötigenfalls eigene Schlach⸗ tungen vorzunehmen und auch weiter die Vorgänge auf dem Lebensmittelmarkt zu verfolgen, um gegebe⸗ nenfalls rechtzeitig für die Zukunſt zu ſorgen. Wie weit das geſchehen kann, ſteht dahin. Wir wiſſen ja, daß uns unſere Geſetzgebung auf dieſem Gebiete ver⸗ ſchiedene Schwierigteiten macht, daß ſehr viele Waren von der Regierung beſchlagnahmt ſind und andere Waren überhaupt nicht an den freien Markt kommen, um der Bevölkerung zugänglich gemacht werden zu können. Zweitens wurde beſchloſſen, den ſtädtiſchen Ver⸗ kauf von Lebensmitteln ſo weit als möglich ausau⸗ dehnen und die Verkaufspreiſe auch ferner ſo feſt⸗ zuſetzen, daß dadurch höchſtens die Selbſtkoſten ge⸗ deckt werden. Hier wurde an die unliebſamen Vor⸗ kommniſſe angetnüpft, die ſich in letzter Zeit bei der Abgabe der ſtädtiſchen Waren abgeſpielt haben. Sie wiſſen, daß ſich vor den einzelnen Verkaufsſtellen unliebſame Szenen abgeſpielt haben, ſo daß wir die Hilfe der Polizei in Anſpruch nehmen mußten, um den Verkehr dort zu regeln. Weiter wurde hierzu beſchloſſen, daß dieſes „höchſtens“ nicht heißen ſolle, es dürfe nur zu dem Selbſtkoſtenpreiſe vertauft werden, ſondern daß auch eventuell im Falle der Not der Magiſtrat ein Opfer nach der Richtung bringen müſſe, daß unter dem Selbſtkoſtenpreis verkauft werden darf. Es iſt alſo nicht ſo, wie in der Bürger⸗ ſchaft das Gerücht geht, daß teilweiſe Lebensmittel zu höheren Preiſen verkauft werden, um den bei an⸗ deren Lebensmitteln eingetretenen Verluſt wieder gut⸗ zumachen. Drittens iſt dann noch beſchloſſen worden, daß bei dem ſtädtiſchen Verkauf namentlich die minder⸗ bemittelte Bevölkerung und hauptſächlich die Krieger⸗ frauen bedacht werden ſollen. Es liegt ja in der Natur der Sachs, daß die ſtädtiſcherſeits erfolgten Ankäufe in erſter Linie dazu dienen, die minder⸗ bemittelte Bevölkerung zu verſorgen. Da nun die Verkaufsregelung für Kartoffeln er⸗ folgt iſt, hoffen wir, daß auch für andere Lebens⸗ mittel — ich weiß, daß die Vorbereitungen dazu im Gange ſind — mäßige Höchſtpreiſe ſeitens der Regierung feſtgeſetzt werden, ſo daß endlich einmal der agrariſche Widerſtand, der ſich bei dieſen Preis⸗ feſtſetzungen bemerkbar gemacht hat, gebrochen wird, und wir ſo zu einigermaßen vernünftigen Lebens⸗ mittelpreiſen kommen. Ich empfehle Ihnen nun namens des Aus⸗ ſchuſſes, dieſe Vorlage ſo, wie ſie Ihnen hier vor⸗ liegt, anzunehmen. Ich möchte hierbei noch erwähnen, — 125 daß die Biennmaterialienfürſorge nicht von der Lebensmitteldeputation, ſondern von anderen Dienſt⸗ ſtellen erfolgen ſoll. Wenn ich nun noch zu dem eingebrachten An⸗ trag komme, den Reichskanzler aufzufordern, behufs durchgreifender Regelung der Nahrungsmittelver⸗ ſorgung die unverzügliche Einberufung des Reichs⸗ tages zu veranlaſſen, ſo iſt Ihnen ja bekannt, daß der ſozialdemokratiſche Parteivorſtand den Reichs⸗ kanzler aufgefordert hat, die Einberufung des Reichs⸗ tages möglichſt bald zu veranlaſſen, um einmal die ganzen Verhältniſſe auf dem Lebensmittelmarkt zu beſprechen. Ich glaube, wenn ſich die Städte hinter dieſen Beſchluß ſtellen, dann wird der Reichskanzler viel eher geneigt ſein, durch den Bundesrat bzw. allein die nötigen Erhebungen anzuordnen und gegebenen⸗ falls ebenſo wie bei der Kartoffelverſorgung mit ſtarker Hand einzugreifen, damit ſich die Verhältniſſe auf dem Lebensmittelmarkt zugunſten der konſu⸗ mierenden Bevölkerung ändern. Vorſteher Dr Frentzel: Ich bemerke, daß ich ver⸗ geſſen habe, Ihnen noch von einem andern Antrag Mitteilung zu machen, der von den Herren Kollegen Dr. Liepmann, Riefenberg, Dr Stadthagen, Ir. Byt, Weiſe und Dr. Genzmer geſtellt iſt und folgender⸗ maßen lautet: In den Ausſchußantrag zu Nr. 1 nach dem Wort „Lebensmitteln“ einzufügen: „und ande⸗ ren zum Lebensunterhalt notwendigen Roh⸗ ſtoffen“. Antragſteller Stadtv. Dr Liepmann: Meine Herren! In der vorigen Sitzung hatte ich bereits er⸗ klärt, daß ich der Vorlage des Magiſtrats mit einigen Bedenken gegenüberſtehe. Dieſe Bedenken ſind zum Teil prinzipieller, zum Teil praktiſcher Natur geweſen und, wie ich ſagen muß, durch die Ausſchußberatung nicht fortgeräumt worden. Die Bedenken praktiſcher Natur ſtellen wir aber zurück, da wir annehmen, daß der Magiſtrat Maß zu halten wiſſen und die beantrag⸗ ten Eingriffe nur ſo weit vornehmen wird, wie es durchaus notwendig iſt, um der Bevölkerung eine aus⸗ reichende Ernährung zu erſchwinglichen Preiſen zu ſichern. Im übrigen bauen wir auch darauf, daß die Ausführung der einzelnen Maßregeln ja in der Teue⸗ rungsdeputation vorberaten und beſchloſſen werden muß und wir dort Stellung nehmen können, wenn nach unſerer Anſicht unnötige Eingriffe in das Wirt⸗ ſchaftsſyſtem, das bis zum Kriege herrſchte, vorgeſchla⸗ gen werden. Was die prinzipiellen Bedenken wegen der in dem Antrag der ſozialdemokratiſchen Fraktion ge⸗ forderten Ausdehnung der kommunalen, faſt könnte man ſagen: kommuniſtiſchen Wirtſchaftsmethode be⸗ trifft, ſo glauben wir auch, dieſe Bedenken zurück⸗ ſtellen zu ſollen, da uns in der jetzigen Zeit jedes er⸗ laubte Mittel annehmbar erſcheint, das uns er⸗ möglicht, der beſtehenden Not zu ſteuern. Dabei den⸗ ken wir nicht allein an die minderbemittelte Bevölke⸗ rung, ſondern wir wollen, daß ſtädtiſcherſeits für die Verſorgung der geſamten Bevöl⸗ kerung, ſoweit ſie nicht im Ueberfluß lebt, einge⸗ treten wird. Mit ſtarker Hand und unerbittlich muß zugegriffen werden, wenn es gilt, derjenigen Teue⸗ rung zu ſteuern, die nicht durch die unabwendbaren Folgen des Krieges, ſondern durch Profitgier und Ausbeutungsſucht einzelner hervorgerufen wird.