126 Wir nehmen alſo, meine Herren, trotz der Be⸗ denten die Vorlage, wie ſie aus dem Ausſchuß her⸗ ausgekommen iſt, an, ja, wir gehen noch weiter und bitten Sie, ihr eine Erweiterung zu geben, die ich in gewiſſer Weiſe ſchon in der vorigen Sitzung durch den Antrag angeregt hatte, den Sie damals ohne Ausſchußberatung dankenswerterweiſe angenommen haben. Dieſer Antrag, der die Verſorgung mit ande⸗ ren Rohſtoffen wie Lebensmittel zum Gegenſtand hatte, beſagte aber nur, daß der Magiſtrat bei der Regierung dahin vorſtellig werden möge, die Schritte für Herabſetzung der Preiſe auch auf dieſe Rohſtoffe auszudehnen. Jetzt bitten wir Sie, durch den Antrag den Magiſtrat auch zu erſuchen, ſelbſt Vorkehrungen zu treffen, um dieſe Rohſtoffe beim Abſatz an die Be⸗ völkerung zu verbilligen. Der Antrag lautet: In Nr. 1 des Ausſchußantrages hinter dem Wort „Lebensmitteln“ einzufügen: „und ande⸗ ven zum Lebensunterhalt notwendigen Roh⸗ ſtoffen“. Meine Herren, eine derartige Einwirkung iſt ſeh wohl möglich und nicht ſchwer zu erreichen. Ich be⸗ trachte z. B. als einen in Betracht kommenden Roh ſtaff das Leder, hinſichtlich deſſen ich mich des nähere: bei der Kriegsrohſtoffabteilung des Kriegsminiſte⸗ riums erkundigt habe. Ich bin dort freundlicherweiſ. darüber unterrichtet worden, wie die Verhältniſſe liegen. Wir haben für den Heeresbedarf Leder über⸗ genug, ſo daß mindeſtens jeden Monat große Ver⸗ käufe von freigegebenem Leder vorgenommen werden können. Dieſe Verkäufe ſind öffentlich und werden in den Fachzeitungen bekannt gegeben. Die Stadtver⸗ waltung hat alſo die Handhabe, Leder zu ſachgemäßen Preiſen engros zu erſtehen und kann es dann den Kleingewerbetreibenden, den Schuhmachern und auch den Händlern, zu einem billigen Preiſe abgeben, dabei aber dieſe Gewerbetreibenden und Händler verpflich⸗ ten, nicht über einen beſtimmten Satz auf den Preis des Leders aufzuſchlagen. Auf dieſe Weiſe wird es 3. B. möglich werden, den Preis für das Beſohlen der Stiefel, der auf 6,50 ℳ geſtiegen ſein ſoll, wieder be⸗ deutend herabzumindern. Meine Anregung an den Magiſtrat geht alſo dahin, derartige Maßnahmen wohlwollend in Erwägung zu ziehen. Eine weitere von dem Herrn Kollegen Katzenſtein]“ im Ausſchuß gemachte Anregung, die ſich dort aber leider nicht zu einem Antrag verdichtet hat, möchte ich aufnehmen. Wenn man an den Läden vorbeikommt, die die ſtädtiſcherſeits beſchafften Lebensmittel an die minderbemittelte Bevölkerung abſetzen, ſo ſieht man die Frauen, eng gedrängt, ſtundenlang warten, um ſich dann ſchließlich das ihnen zugeteilte Maß gewiſſer⸗ maßen erkämpfen zu können. Eine Aenderung wäre ſehr leicht möglich, wenn durch Nummern, die vor⸗ her ausgegeben werden, immer die ungefähre Zeit an⸗ gegeben wird, zu der die betreffenden Käufer und] Käuferinnen vorgelaſſen werden können. Es wurde ſchon im Ausſchuß geſagt, daß eine derartige Maß⸗ regel Koſten verurſachen würde. ſicht kommt es darauf nicht an, wenn es ſich jetzt darum handelt, der Bevölkerung in ihrer Not aufzuhelfen, etwas größere Koſten auf ſich zu nehmen. (Stadtv. Katzenſtein: Sehr richtigl) Deswegen wünſchen wir, daß die von Herrn Kollegen Katzenſtein zuerſt in Anregung gebrachte Maßregel beim Magiſtrat Anklang findet und eingeführt wird. können. Nach unſerer An⸗ Sitzung am 3. November 1915 Meine Herren, ich ſchließe mit dem Ausdrucke der Erwartung, daß es den vereinten Anſtrengungen der ſtaatlichen und kommunalen Verwaltungen ge⸗ lingen wird, der Teuerung Herr zu werden; ſonſt würde ich nicht davor zurückſchrecken, noch ein⸗ ſchneidendere Maßregeln zu beantragen. Sind doch (Hott ſei Dank genügend Vorräte zum ausreichenden Unterhalt der Bevölkerung in Deutſchland vorhanden, ganz abgeſehen von der Ausſicht, daß wir größere Zu⸗ uhren aus den neu erſchloſſenen Balkanländern in nächſter Zeit erhalten werden. Es kommt daher nur darauf an, daß der Abfatz und die Ver⸗ teilung in richtiger und vol ksfreund⸗ licher Weiſe geregelt wir d. Dafur hat Allerdings nach unſerer Anſicht in erſter Linie das Reich einzutreten; die Selbſtwerwaltungskörper⸗ ſchaften aber, und insbeſondere unſere in Charlotten⸗ burg, werden ohne Rückſicht auf etwaige Mehraus⸗ gaben willig folgen. Stadtv. Katzenſtein: Meine Herren! Ich be⸗ grüße den Antrag des Herrn Kollegen Dr Liepmann in bezug auf die Ausdehnung der von der Stadt ge⸗ gebenenfalls zu verteilenden Lebensbedürfniſſe und bitte Sie, ihm zuzuſtimmen. Was den zweiten Punkt betrifft, ſo iſt er im Ausſchuß der Deputation über⸗ wieſen worden, und ich hoffe, daß ſie der Anregung auf Einführung von nummerierten Marken und ſon⸗ ſtigen praktiſchen Maßnahmen beim ſtädtiſchen Le⸗ bensmittelverkauf eine geneigte Würdigung zuteil werden laſſen wird. So intereſſant und lehrreich die Verhandlungen im Ausſchuß geweſen ſind, ſo muß doch mit Bedauern feſtgeſtellt werden, daß das praktiſche Ergebnis recht gering iſt. Wir haben gehört, was die Stadt bisher bereits unternommen hat; wir haben aber nicht ge⸗ hört, daß die Stadtverwaltung in der Lage iſt, noch weſentlich weitere Gebiete der Lebensmittelverſorgung in Angriff zu nehmen. Nun weiß ich, daß es ſich hier nur zu einem Teil um eine Schuld unſerer Verwal⸗ tung handelt. Wir ſind gewiſſermaßen in einem eiſernen Käfig; es ſind nicht nur die äußeren Um⸗ ſtände, die Kriegsverhältniſſe, ſondern es iſt die Wir⸗ kung der geſamten, jahrzehntelang dem Kriege vorher⸗ Zegangenen agrariſchen Politik mit ihren jetzigen Folgen, die es der Stadt unmöglich macht, ſo durch⸗ greifend, wie es notwendig wäre, vorzugehen, um dem Notſtande abzuhelfen. Aber trotzdem, es handelt ſich zu einem Teil auch um Verſäumniſſe der Stadt, die heute nach mancher Richtung noch gut gemacht werden Wenn man ſagt, die Stadt ſei nicht in der Lage geweſen, ſie habe nicht die Kräfte gehabt, um ſo⸗ fort in großem Umfange eingreifen zu können, ja, warum hat ſie dieſe Kräfte nicht gehabt, warum iſt ſie nicht in der Lage geweſen? Von ſozialdemokratiſcher Seite iſt ſeit einem Jahrzehnt und länger immer die Forderung geſtellt worden, daß notwendige Lebensbe⸗ Dürfniſſe kein Gegenſtand privater Spekulation ſein vürften, ſondern daß es eine weſentliche Aufgabe der Gemeinde ſei, hier regelnd und verſorgend einzu⸗ treten. Wenn wir Gas, wenn wir elektriſches Licht der Bevölkerung beſorgen, iſt es dann nicht unendlich wich⸗ tiger, z. B. der Milchverſorgung, der Brotverſorgung, und was uns ſonſt noch notwendig iſt, Aufmerkſam⸗ keit zu widmen? Wäre auf dieſem Gebiete, wie das in mancher Hinſicht von anderen Städten geſchehen jiſt, rechtzeitig geaubeitet worden, dann hätteñ wir auch während des Krieges mehr unternehmen können. Aber mehr noch, es iſt auch während des Krieges von einer Reihe von Gemeinden mehr geſchehen. Ich