Sitzung am 22. Lieferung von Schweinen etwas geringer iſt, wir um ſo mehr mit unſerm Gefrierfleiſch einſetzen. Meine Herren, das iſt das Materielle, was ich Ihnen über die Frage der Zufuhr von Lebensmitteln mitteilen kann. Nun komme ich auf die Frage, die der Herr Vorredner im weſentlichen berührt hat, d. h. auf die Fage der Veuteil un g. Ich habe das erſtere abſichtlich vorweggenommen; denn, meine Herren; wo nichts zu verteilen iſt, hilft die beſte Ver⸗ teilung nichts! (Sehr richtig!) Alſo in erſter Linie muß dafür geſorgt werden, daß überhaupt etwas da iſt, und darauf haben wir natürlich — und das muß immer betont werden nur einen ſehr beſchränkten Einfluß. Insbeſondere iſt es ganz ausgeſchloſſen und muß ſtets ausgeſchloſ⸗ ſen bleiben, daß die einzelnen Städte in ei⸗ nen Konkurrenzkampf um irgendwo vorhandene Nah⸗ rungsmittel eintreten, wodurch die Geſamtlage na⸗ türlich nur verſchlechtert werden kann. Meine Herren, was alſo die Verteilungs⸗ frage anbetrifft, ſo ſteht heute in erſter Linie die ſogenannte Butterkarte zur Diskuſſion, über die ſich ja auch der Herr Vorredner verbreitet hat. Wie man nun auch dieſe Karte ausgeſtalten mag, das allei⸗ nige Heil wird von ihr nicht erwartet werden können. Ich muß bekennen, daß ich perſönlich der Butterkarte recht ſkeptiſch gegenüberſtehe; denn ich glaube nicht, daß die Mißſtände, die wir unumwunden zugeben, Jurch eine Butterkarte weſentlich behoben werden können. Ich gebe aber andererſeits zu, daß ſie ge⸗ rade bei dem von mir ſchon betonten pſychologiſchen Moment, das in der ganzen Nahrungsmittelfrage die Bevölkerung beherrſcht, unter Umſtänden ein erwä⸗ genswerter Verſuch iſt, und in dieſer Beziehung ſtimme ich bis zu einem gewiſſen Grade dem Herrn Vorredner zu. Dieſe Frage iſt aber ſo geartet, daß wir ſie nicht innerhalb unſeres Stadtbezirks Char⸗ lottenburg löſen können; denn darüber, glaube ich, ſind wir alle einig: eine Butterkarte, ſei es nun ein Bezugsſchein, der wohl überhaupt nicht in Frage kommen kann, oder ſei es eine ſogenannte Sperr⸗ oder Maximalkarte, kann nur auf den Butterverſorgungs⸗ bezirk Groß⸗Berlin ausgedehnt werden. Wir können in dieſer Beziehung nicht mit Sonderintereſſen vor⸗ gehen, weil wir dadurch die Allgemeinheit ſchädigen und indirekt auch uns ſelbſt ſchädigen würden. 5 Meine Herren, was die Mißſtände vor den Lä⸗ den betrifft, ſo ſind wir augenblicklich nur ſchwer in der Lage, hier Abhilfe zu ſchaffen. Ob die Butter⸗ karte geeignet ſein wird, uns da zu helfen, ſcheint mir zweifelhaft; denn auch hier wird ja doch der Ausweis nicht verhindern, daß ſich die Bevölkerung, die ja weiß, daß die Butter trotz dieſes Ausweiſes knapp iſt, zu den Läden drängt. Dieſes Moment werden wir alſo auch durch eine Butterkarte nicht ausſchei⸗ den. Wir werden vielleicht verhindern, was ſich jetzt zeigt, daß Einzelne in größerem Umfange Butter beziehen, indem ſie immer wieder zu den Läden hin⸗ laufen. Darauf beruhen auch im weſentlichen die Mißſtände, von denen der Herr Vorredner geſprochen hat. Meine Herren, ich bin zufällig heute in der Lage gegweſen, von einer einwandfreien Stelle, nämlich von meiner Köchin, einen ganz intereſſanten Fall zu hö⸗ ren, der mit der ohnmächtig gewordenen Frau des] Dezember 1915 155 Herrn Vorredners im Zuſammenhang zu ſtehen ſcheint. Meine Köchin erzählte mir nämlich, daß ſie ſelbſt auch einen Ohnmachtsanfall einer Frau miter⸗ lebt habe. Dieſer Ohnmachtsanfall ereignete ſich am Schluſſe einer langen Kette — wie ſie ja allen Her⸗ ren bekannt iſt — von Frauen, die vor den Butter⸗ läden warten, und es trat der merkwürdige Zufall ein, daß aus der Taſche dieſer Fran nicht weniger als ſechs Viertelpfunde Butter herauskullerten, wor⸗ aus klar hervorgeht, daß die Frau eben im Begriffe mar, ſich zum ſiebenten Male hinten anzuſtellen und zum ſiebenten Male das ihr zukommende Viertel⸗ pfund Butter in dieſem Laden entgegenzunehmen. (Widerſpruch und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Alſo dieſen Ohnmachtsanfall könnte man eventuell auch gegen die Auffaſſung des Herrn Vorredners ausbeuten. Nun möchte ich noch einen Punkt erwähnen, den der Herr Vorredner auch zur Sprache gebracht hat, um ihm ein entſchiedenes Dementi entgegenzuſetzen. Er hat mitgeteilt, daß ihm irgend ein Magiſtrats⸗ vertreter — ich weiß nicht, wen er meint; jedenfalls habe ich feſtgeſtellt, daß der Magiſtratsdezernent nicht in Frage kommt — geſagt hätte, daß die Geſchäfts⸗ ſtellen der Konſumvereine bei dem Verkauf ſtädtiſcher Nahrungsmittel ausgeſchloſſen würden. Davon iſt keine Rede; das iſt nicht ſo geweſen und wird auch nicht ſo ſein. Auch die Tatſache, daß Konſumvereine nach dem Genoſſenſchaftsgeſetz nur an Mitglieder verkaufen dürfen, kann uns nicht beſtimmen; denn dieſe Frage ſpielt hierbei keine Rolle. Ich kann Ihnen nochmals verſichern, Herr Kollege Wilk,, daß von einem Ausſchluß keine Rede iſt und keine Rede ſein wird. Meine Herren, geſtatten Sie mir zum Schluß noch eine allgemeine Bemerkung. Wir ſtehen in dem ſchwerſten und größten Kampf, den die Weltgeſchichte kennt, und dieſer Kampf zeichnet ſich vor allen Kriegen, die wir oder die andere Staaten bisher ge⸗ führt haben, durch einen Moment aus, das für dieſen Krieg charakteriſtiſch iſt: dieſer Krieg wird nicht nur militäriſch und vielleicht nicht einmal vorwiegend militäriſch, ſondern er wird wirtſchaftlich ent⸗ ſchieden. Das iſt eine Binſenwahrheit. Aber etwas, was leider keine Binſenwahrheit zu ſein ſcheint, und was nach meinem Gefühl immer noch nicht zum vollen Verſtändnis im Volke durchgedrungen iſt, iſt das innige Verſtehen derjenigen, die draußen kämp⸗ fen, und derjenigen, die hier drinnen, ich darf auch wohl ſagen, kämpfen. Dieſes innige Verſtehen ſcheint mir leider noch nicht ſo vorhanden zu ſein, wie es vorhanden ſein müßte. Sehr richtig!) Wir ſind draußen und drinnen eine wirtſchaftliche Einheit, (Sehr richtig!) und wir müſſen unſer ganzes wirtſchaftliches Verhalten nicht nur nach den Verhältniſſen 1 bei uns, ſondern tän ſehr weſentlich auch nach den Zuſtänden, die draußen im Felde herrſchen, einrichten. 6 , SSchr nichtig)