156 Meine Herren, das hat ein Doppeltes zur Folge: ein Materielles und ein Moraliſches. Das Mate⸗ rielle liegt darin, daß die Intendantur des Feld⸗ heeres der größte Käufer auf dem Lebensmittelmarkt iſt, den wir überhaupt haben. Erſtens nimmt ſie aus dieſem Grunde einen großen Teil, einen ſehr ins Gewicht fallenden Prozentſatz von Lebensmitteln aller Art aus dem inländiſchen Markt fort. Sehr mit Recht; denn keiner von Ihnen wird wollen, daß unſere Braven draußen etwa ſchlecht ernährt werden ſollen. Dazu kommt noch etwas anderes. Die In⸗ tendantur des Feldheeres iſt genötigt, häufig ſchnell zuzugreifen und unter Umſtänden auch verhältnis⸗ mäßig höhere Preiſe zu zahlen. Auch das wird nie⸗ mand tadeln; denn es handelt ſich wirklich in erſter Linie darum, daß Lebensmittel ſchnell und in erſter Qualität beſorgt werden. Aber daß auch dieſes Moment auf unſern Inlandspreis, auf unſere ganze Wirtſchaftspolitik im Inlande einen Einfluß ausübt, wird kaum jemand beſtreiten können. Und nun kommt die moraliſche Seite, die vielleicht noch wichtiger iſt. Dieſes innige Ver⸗ ſtehen, von dem ich ſchon ſprach, ſcheint mir bisher nicht überall in unſer Volk eingedrungen zu ſein. (Sehr richtig!) Daß unſere Kämpfer draußen natürlich alle Auf⸗ munterung aus dem Inlande bei ihrem mir ſehr wohl und aus über einjähriger Tätigkeit bekannten außerordentlich ſchweren Dienſt im Kämpfen und im Standhalten nötig haben, bedarf keiner näheren Darlegung. Daß auf der andern Seite die Beun⸗ ruhigung, die hier im Inlande herrſcht, die in die Zeitungen kommt und die, was das Schlimmſte iſt, von den Frauen der Kriegsteilnehmer an ihre Män⸗ ner im Felde immer wieder berichtet wird, (Sehr richtig!) nicht geeignet iſt, die Widerſtandskraft unſerer tapfe⸗ ren Kämpfer draußen zu ſteigern, liegt ebenfalls auf der Hand. (Sehr richtigl) Meine Herren, ich bin überzeugt, daß wir uns in dieſer Beziehung noch etwas mehr Beſchränkung auf⸗ erlegen können, 4 (Sehr richtig!) und mit unſerm Urteil über unſere wirtſchaftlichen Verhältniſſe im Inlande noch etwas zurückhaltender ſein ſollten, und daß jeder an ſeinem Teil zum Zwecke dieſes innigen Verſtehens zwiſchen draußen und drinnen dazu beitragen muß, daß die Verhältniſſe hier mindeſtens nicht übertrieben ſchwarz geſchildert werden. (Sehr richtig!) Denn nur dann, meine Herren, wenn ein wirklich inniges Verſtehen zwiſchen draußen und drinnen vor⸗ handen iſt, werden wir, wie ich überzeugt bin, bis zu einem ehrenvollen Frieden durchhalten, der unſerm Vaterlande den Platz an der Sonne ſichert, auf den es Anſpruch hat. (Lebhafter Beifall.) (Ein von dem Stadtv. Dr Borchardt geſtellter Antrag auf Beſprechung der Anfrage wird genügend unter⸗ ſtützt. tützt.) Sitzung am 22. Dezember 1915 Stadtv. Wöllmer: Meine Herren! Nach den in⸗ tereſſanten und eingehenden Ausführungen des Herrn Oberbürgameiſters in bezug auf die ſchwebenden Fragen erübrigt ſich ja eigentlich eine allgemeine Be⸗ ſprechung, die ja zu irgend welchen Beſchlüſſen dieſer Verſammlung nicht führen kann. Dennoch möchte ich mir erlauben, auch meinerſeits auf die Ausfüh⸗ rungen des Herrn Wilk einiges zu erwidern. Herr Wilk hat mit Recht auf die Mißſtände hingewieſen, die vor den Butterläden herrſchen. Auch der Herr Oberbürgermeiſter hat dieſe Zuſtände be⸗ dauert. Der Mangel an Ware als die eigentliche Ur⸗ ſache dieſer Anſammlungen der Käufer herrſcht erſt, ſeitdem die Höchſtpreiſe für Butter feſtgeſetzt ſind. Dieſe Zuſtände haben im weſentlichen ihre Urſache in dem Rückgange der Einfuhr aus dem Auslande. Der Herr Oberbürgermeiſter hat weiter ausgeführt, wir dürften hoffen, daß in nächſter Zeit größere Mengen ausländiſcher Butter zugeführt werden, ſo daß dann auch eine ausgiebigere Verſorgung der Bevölkerung wahrſcheinlich iſt. Wenn nun von Herrn Wilk eine Butterkarte ge⸗ fordert wird, ſo iſt es mir zweifelhaft, ob wir hier in dieſer Verſammlung zu einem abſchließenden Ur⸗ teil über dieſe Frage kommen. So einfech, wie ſich Herr Wilk die Einrichtung einer Butterkarte vorſtellt, iſt es doch nicht; das wiſſen diejenigen Mitglieder dieſer Verſammlung, die gleichzeitig Mitglieder der Lebensmitteldeputation ſind, und es iſt ein Unrecht, wenn Herr Wilt dem Magiſtrat oder der Deputation vorwerfen zu dürfen meint, daß in den letzten Wochen in dieſer Beziehung nichts getan ſei. Mem kommt nur bis jetzt zu keinem abſchließenden Urteil, weil man doch nicht nur die Butterkarte einführen will — die Einführung der Butterkarte wäre ja am Ende eine leichte Sache —, ſondern weil ganz ungewiß iſt, welche Wirkung die Einführung der Butterkarte haben und ob im weſentlichen dadurch etwas geändert wird. Ich teile die Anſicht des Herrn Oberbürger⸗ meiſters, daß die Einführung der Butterkarte großen Stils, der Reichsbutterkarte, wenn ich ihn recht ver⸗ ſtanden habe, in ihren Wirkungen doch noch ſehr zweifelhaft erſcheint. Es könnte unter Umſtänden die Reichsbutterkarte eine große vermindernde Wirkung auf die Produktion ausüben. Gegen die Einführung einer Sperrkarte aber, wie ſie Herr Wilk vielleicht auch wünſcht, würde ich perſönlich nichts einwenden: aber ich muß zugeben, wie ich mich ſelbſt habe heute in der Deputationsſitzung überzeugen laſſen, daß ſie nur für Groß⸗Berlin möglich iſt. Nur ſo könnte eine Sperrkarte eingeführt werden, aber nicht eine Ige⸗ meine Butterkarte wie die Brotkarte. Denn mit der Einführung einer derartigen Butterkarte würde der Magiſtrat wie für Brot gleichzeitig die Verpflich⸗ tung übernehmen, daß dem betreffenden Vorweiſer der Karte auch die Butter beſtimmt geliefert wird. Dieſe Verpflichtung kann nicht übernommen werden. Es kann ſich alſo meines Erachtens nur darum handeln, daß eine Sperrkarte für Groß⸗Berlin einge⸗ führt wird, wodurch das, was den Herrn Kollegen Wilk ſo außerordentlich aufgeregt hat, verhindert wird, nämlich daß die Käufer mehr Butter kaufen, als ſie eigentlich im Intereſſe der Allgemeinheit kaufen ſollten. Auch in bezug auf das Hamſtern, das Herr Wilk erwähnte, geſtatten Sie mir noch einige Worte. Er hat gemeint, daß ſich eine Menge Leute — und