Sitzung am 22. Dezember 1915 das iſt ja auch ſicherlicherlich wahr⸗ ungewöhnlich viel Butter verſchaffen. Er hat ſich dabei zu meinem großen Bedauern — und ich beklage das außeror⸗ dentlich — dahin geäußert, daß das gerade ſolche Leute tun, die immer den Patriotismus gepachtet zu haben glauben. Wenn Herr Wilk damit hat ſagen wollen, daß es gerade wohlhabende Kreiſe ſind, ſo befindet er ſich, glaube ich, da doch auf dem Holzwege. (Sehr richtig!) Sehen Sie ſich doch die Leute einmal an, Herr Kol⸗ lege Wilk, die vor den Butterläden ſtehen! (Stadtv. Wilk: Die Armen haben ja kein Geld dazul) Ich habe es wiederholt getan. Meine Herren, ſind 5as Leute aus wohlhabenden Kreiſen, die ſich da ſtundenlang hinſtellen? (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Das ſind Be⸗ auftragte!) —Nein, es ſind gerade Leute aus den minderbemit⸗ telten Schichten, die die Butter kaufen. Der Herr Oberbürgermeiſter hat vorhin ſchon eine Aufklärung über die Geſchichte von dem Ohn⸗ machtsanfall gegeben. Ich will Ihnen ein ähnliches Beiſpiel anführen, das beweiſt. daß Herr Wilk un⸗ recht hat. Eine wohlhabende Frau, die beim beſten Willen keine Butter bekam, es aber im Intereſſe ihrer Familie für durchaus nötig Hielt, hat ſich auch vor dem Laden aufgeſtellt und wollte warten. Sie mußte aber das Warten aufgeben, weil ſie von den einfachen Frauen verſpottet wurde, die immer rie⸗ fen: „Die Frau mit dem Federhut will uns die Butter wegkaufen!“ Alſo, Herr Kollege Wilk, die Sache ſtimmt nicht. Sie müſſen ſolche Vorwürfe nicht erheben, ſie ſind unberechtigt, und es iſt be⸗ klagenswert, wenn man gerade in dieſer Verſamm⸗ lung ſolche Ausdrücke gebraucht. (Sehr richtig!) Ich möchte auch im Sinne der Ausführungen. mit denen der Herr Oberbürgermeiſter ſchloß, den Appell an Sie, Herr Kollege Wilk, und Ihre Freunde richten, doch mehr an die allgemeinen Intereſſen zu denken und nicht gegen einzelne Schichten der Be⸗ völkerung ſo ſchwere Vorwürfe zu erheben, die durch gar nichts begründet ſind. (Bravo 1 Stadtv. Wilk: Meine Herren! Wenn meine Ausführungen etwas lebhaft geweſen ſind, ſo ent⸗ ſpricht das ungefähr der Stimmung der Bevölkerung, die mit dem Einkauf der Lebensmittel zu tun hat. Was meine Aeußerung bezüglich der Konſum⸗ vereine betrifft, ſo iſt mir dieſe Mitteilung zuge⸗ gangen, ſogar nachträglich noch von der Geſchäftslei⸗ tung des Konſumvereins beſtätigt worden, daß der Magiſtrat von Charlottenburg im Gegenſatz zu den Magiſtraten der übrigen Berliner Gemeinden ſich abſeits geſtellt hätte. Ich werde morgen noch Gele⸗ genheit nehmen, die Sache telephoniſch zu unterſuchen. Saollte ich im Unrecht ſein, ſo bedauie ich, darauf ein⸗ gegangen zu ſein. 157 Die Ausführungen des Herrn Oberbürger⸗ meiſters drängen latſächlich immer mehr auf die Ein⸗ führung einer Reichsbutterkarte, und zwar in einer Form, die ſich ungefähr dem Syſtem anſchließt, wie cs tatſächlich mit großem Vorteil in der Stadt Stettin angewandt wird. Die Herren des Magiſtrats werden ja genügend Fühlung mit anderen Stadtgemeinden haben und werden ſicherlich auch eine derartige Ver⸗ teilung zu Geſicht bekommen können. Ihren Aeußerungen, Herr Oberbürgermeiſter, be⸗ züglich des Verſtehens zwiſchen den draußen Kämp⸗ fenden und denen, die hier im Innern den Kampf führen, ſtimmen wir ſchließlich voll bei. Aber wir denken eben, wenn wir hier kämpfen, an das heran⸗ wachſende Geſchlecht. Wohin ſoll es denn führen, wenn unſere Jugend ſo ſchlecht mit Lebensmitteln verſorgt wird; was ſoll denn überhaupt aus dem her⸗ anwachſenden Geſchlecht werden! Daran müſſen wir doch denken. Dieſe Frage iſt doch ſo ernſt und ſo brennend, daß ſchon längſt etwas hätte gemach werden müſſen. Wenn ich vorhin der Reichsregierung einen Vorwurf gemacht habe — nach meinem Dafürhalten war es ja verhältnismäßig gelinde, (Heiterkeit) der Herr Vorſteher hat das gerügt —, ja, meine Herren, ich verſtehe das nicht anders, ich ſpreche eine ziemlich derbe Sprache, und ich muß ſagen: wenn draußen die Herresverwaltung ſo gearbeitet hätte⸗ ich wiederhole das nochmals „ dann wäre es bei uns hier drinnen ſchlecht beſtellt geweſen. Alſo, meine Herren, ich bitte Sie, machen Sie Ihren Einfluß nach Möglichkeit überall geltend, be⸗ ſonders beim Magiſtrat, daß eine gerechtere Vertei⸗ lung der Lebensmittel platzgreift. Ich halte das auch aufrecht, was Herr Kollege Wöllmer in Abrede ſtellt, daß eine beſtimmte Klaſſe der Bevölkerung für ſich beſondere Vorteile in Anſpruch nimmt. (Widerſpruch.) Ich wiederhole noch einmal: die ärmere Bevölkerung iſt gar nicht in der Lage, irgend welche Lebensmittel auf Vorrat zu kaufen. (Erneuter Widerſpruch, Zurufe und Heiterkeit.) — Ich bitte Sie, das iſt doch ein einfaches Rechen⸗ exempel: die Leute können das eben nicht. (Widerſpruch und Zurufe.) Wenn Arbeiterfrauen auch darunter ſind und ſich dahinſtellen — es iſt ja nicht hübſch, wenn ſie der⸗ artiges machen —, ſo ſind ſie beauftragt, (Widerſpruch und Unruhe) ſie bekommen für jedes Viertel⸗ oder halbe Pfund einen Groſchen mehr, (Unruhe und Zurufe: Beweiſe!) und um ſich die paar Pfennige zu verdienen, des⸗ halb machen ſie derartige widerliche Manipulationen. (Widerſpruch und wiederholte Rufe⸗ Das müſſen Sie beweiſen!)