158 Stadtv. Bernhard: Meine Herren! Ich kann es ja durchaus verſtehen, daß der Herr Kollege Wilk ſich erregt, und ich habe volles Verſtändnis dafür, daß ſeine Ausführungen ſehr lebhaft geweſen ſind. Aber ich möchte doch den Kollegen Wilt bitten, wenn er ſchon glaubt, beſtimmte Schichten außerhalb dieſes Hauſes angreifen zu ſollen, dann doch wenigſtens dieſe Angriffe nicht auf ſeine Kollegen, die in dieſem Hauſe ſitzen, zu erſtrecken. (Stadtv. Wilk: Das habe ich auch nicht getan!) — Verehrter Herr Kollege Wilk, Sie haben wörtlich geſagt: „Sie ſitzen eben im Gleshauſe!“ Was heißt das? Wir ſitzen allerdings hier unter einer Glas⸗ decke, wie ich eben ſehe, (Heiterkeit) aber ich kann mir nicht vorſtellen, daß dieſes Unter⸗ der⸗Glasdecke⸗Sitzen uns hier zu einer Stellungnahme veranlaſſen ſollte, die wir nicht unſerer inneren Ueber⸗ Wenn wir zu der Ueberzeu⸗ gung kämen, daß gewiſſe Schichten der Bevölkerung zeugung nach haben. ſich beſondere Rechte anmaßen, ſo würden wir, glaube ich, mit aller Energie dem entgegentreten. Nun hat aber Herr Kollege Wilk ſich ſelbſt in einen Widerſpruch verwickelt. Er hat zunächſt er⸗ klärt: da ſtellen ſich gewiſſe Leute auf und nehmen den armen Leuten die Butter weg —, und nachher behnuptet er: die ärmere Bevölkerung hat gar nicht das Geld, ſich Butter zu kaufen. Ja, eines von beiden iſt doch nur möglich. Entweder haben die Leute das Geld, oder ſie können durch das Wegkaufen nicht geſchädigt werden. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Sie haben eben das werden Sie mir doch mindeſtens zugeben das Geld von den beſſeren Kreiſen bekommen!) —Verehrter Herr Kollege, Sie werden mir doch zu⸗ geben, daß darin ein Widerſpruch liegt. Aber ich bin gar nicht Ihrer Anſicht. Tatſäch⸗ lich hat ein großer Teil derjenigen Leute, die man ſonſt als die Minderbemittelten anzuſehen berechtigt iſt, augenblicklich relativ viel mehr die Möglichkeit, ſich Butter zu kaufen, (Lebhafte Zuſtimmung) als eine große Schicht von Angehörigen des Mittel⸗ ſtandes, die ſonſt beſſer ſteht als die Arbeiterſchaft. (Widerſpruch und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Verehrter Herr Kollege Wilk, ich will gar nicht auf den Schlächtergeſellen mit 65 ℳ Tagesverdienſt ein⸗ gehen, der jetzt häufig eine große Rolle ſpielt — der meines Wiſſens zum erſten Mal im Vorwärts auf⸗ getaucht iſt , ſondern ich möchte darauf hinweiſen, daß diejenigen Männer, die augenblicklich in der Heimat die Möglichkeit haben, ſich zu betätigen, einen Lohn bekommen, der es ihnen in hohem Maße er⸗ möglicht, mindeſtens Butter zu kaufen, Sehr richtig!) und daß dieſe Leute augenblicklich mit trockenem Brot in die Werkſtatt wahrhaftig nicht zu gehen brauchen. Sitzung am 22. Darüber ſind wir uns doch ganz einig, lieber Herr Dezember 1915 Kollege Wilk, und unter der Herrſchaft des Burgfrie⸗ dens können wir es uns doch gegenſeitig zugeben, wenn wir recht haben. (Heiterkeit. — Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Es gibt auch Leute, die hamſtern: das iſt keine Frage. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Poſtboten mit 2,50 ℳ) — Ia, ich weiß, Herr Kollege, daß es auch Poſtboten mit 2,50 ℳ Tagelohn gibt. Aber das ſind zum großen Teil 16⸗, 17jährige junge Leute. Ich glaube nicht, daß irgend ein arbeitsfähiger Arbeiter ein ſol⸗ cher Idiot iſt, daß er gegenwärtig für 2,50 ℳ den Tag arbeitet. Das iſt etwas, was ich mir nicht vorſtellen kann. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Magiſtratshilfs⸗ arbeiter mit 5 ℳ!) Wie geſagt, ich gebe zu, es gibt Leute, die ham⸗ ſtern, und auch der Fall, den den Herr Oberbürger⸗ meiſter uns mitgeteilt hat, iſt für das Vorkommen dieſer Tatſache bezeichnend. Es mag auch durchaus vorkommen denn der Verſtand iſt ja nicht an den Steuerzettel gebunden —, daß Leute beſſeren, ſehr Rann Einkommens ſo töricht ſind, ſolche Butterjagd mitzumachen. Es iſt ausdrücklich zu verurteilen, 7 das geſchieht. Daß aber auch bei den Frauen er Kreiſe, die Sie (zu den Sozialdemokraten) ver⸗ treten, die Unvernunft nicht durchweg nicht vorhan⸗ den iſt, (Heiterkeit.) können. Was die Sache ſelbſt betrifft, ſo iſt es zweifel⸗ los außerordentlich bedauerlich, daß ſolche Zuſtände hier eingetreten ſind. Das iſt meines Erachtens na⸗ mentlich deshalb auf das tiefſte zu bedauern, weil es, wie Herr Kollege Wilk ſchon ſehr richtig geſagt hat, gewiſſermaßen eine dauernde Demonſtration auf den Straßen bedeutet, die natürlich jedem Aus⸗ länder ſichtbar iſt, und die nun, wie diejenigen, die die ausländiſche Preſſe leſen, mir zugeben werden, aufs höchſte übertrieben, in der ausländiſchen Preſſe ausgebeutet wird. Schon deshalb iſt das ſehr be⸗ dauerlich. (Stadtv. Wilk: Na alſo!) Auf der andern Seite ſind dieſe Zuſtände auch bedauerlich, weil ſie tatſächlich einen Mißſtand in der Organiſation darſtellen. Das unterliegt für mich gar keinem Zweifel. Dieſen Mißſtand verurteile ich und verurteilen wahrſcheinlich die meiſten von uns genau ſo ſcharf, wie der Kollege Wilk es getan hat. Ich laſſe dahingeſtellt, ob, wenn die Butterorgani⸗ ſation früher überſehen und in Angriff genommen worden wäre, und wenn die Dinge energiſcher von den Reichsorganen gehandhabt worden wären, als es der Fall geweſen iſt, jetzt beſſere Zuſtände vorhanden wären. Aber wir dürfen auch nicht vergeſſen, daß die Butternot in einem gewiſſen inneren Zuſammen⸗ hange mit der Fettnot ſteht, und daß die Kreiſe, die dem Kollegen Wilk nicht ganz fern ſtehen, ſich ſeiner⸗