Sitzung am 22. Dezember 1915 Plötzlichkeit. Man konnte nicht überſehen, wie weit ſich die Verhältniſſe ausdehnen würden; man glaubte eben, durch ſchnelles Abſchlachten der Schweine die wirtſchaftliche Frage beſſer zur Erledigung zu brin⸗ gen. Man hat ſich eben darin geirrt. Aber in an⸗ deren Städten geſchieht doch etwas, Herr Oberbürger⸗ meiſter! Die heutige Abendausgabe der Voſſiſchen Zeitung bringt eine Nachricht aus Cöln; da heißt es: Die Stadtverwaltung von Cöln hilft ſich ſelbſt; nachdem nur 700 Schweine auf den Markt gebracht worden waren, hat die Stadt 400 zugekauft und hat damit den Markt gedeckt. Ich weiß, daß wir uns auch in der Stadtverwaltung ſeinerzeit mit der Schweinemäſterei, mit der famoſen Schweinezüchterei beſchäftigten. Wir ſind ja dabei elendiglich in die Brüche gegangen — wenn auch nicht die Stadt, ſo doch die Geſellſchaft. Aber ſollte es denn nicht möglich ſein, aus unſeren Kreiſen Fachleute zu neh⸗ men, die ſich einmal auf die Socken machen, aufs Land gehen und verſuchen, dort Schweine anzu⸗ kaufen? Auf meinen Rundfahrten in der Provinz treffe ich ſehr viele Händler, die auf die Dörfer gehen und den Kleinbauern die Schweine ablaufen, um ſie auf den Markt zu treiben. Dieſe Frage kann doch ebenfalls erwogen werden. 5 Wenn der Herr Kollege Liepmann ſagt, das Herumſtehen auf der Straße ſei ein Symptom der Knappheit, ſo wage ich zu behaupten: es iſt ein Symptom der nicht richtigen Vertei⸗ lung der Lebensmittel. Sehr richtigt bei den Sozialdemokraten. Wir wollen eben unter allen Umſtänden die Ver⸗ teilung der Lebensmittel in gerechte, glatte Bahnen lenken. Nun möchte ich noch auf das innige Verſtändnis zurückkommen zwiſchen den draußen und hier im Innern Kämpfenden, von dem der Herr Oberbürger⸗ meiſter geſprochen hat. Ich will betonen, daß von unſerer Seite mit aller Macht bei unſeren in den Schützengräben befindlichen Freunden darauf hinge⸗ wieſen wird: beruhigt euch, es wird etwas aemach. Tatſache iſt, daß dieſer Krieg im weſentlichen ein wirtſchaftlicher Kampf iſt. Davon ſind wir alle durch⸗ drungen. Aber Tatſache iſt auch, daß wir von den regierenden Organen verlangen müſſen, daß ſie alles tun, was notwendig iſt. Es iſt hervorgehoben worden, daß unglaubliche Handlungen des Lepensmittelwuchers vorgekommen ſind. Meine Herren, die finden Sie auch heute noch, Sie können Umſchau halten, wo Sie wollen. Darum iſt es notwendig, daß wir immer und immer wieder darauf hinweiſen: Stadtverwaltung, wenn du nichts machen kannſt, dann gehe nach der richtigen Stelle und verſuche dort, ein Wort dreinzureden, und mache das mit allen dir zu Gebote ſtehenden Mitteln. Ich glaube, es war notwendig, daß wir hier in der Oeffentlichkeit dieſe Frage angeſchnitten haben; es war um ſo notwendiger, um uns ſpäter nicht den Vorwurf machen zu laſſen, wir hätten während der Kriegszeit geſchlafen, die Stadtverwaltung Charlot⸗ tenburg hätte nichts unternommen, die Stadtverord⸗ neten ſäßen in dieſem mit Glas bedeckten Saale und ließen den lieben Gott einen guten Mann ſein. Dar⸗ um war es notwendig, einmal die Frage in der hreiteſten Oeffentlichkeit zu ventilieren, und ich hoffe, daß der Magiſtrat aus all dem, was er gehört hat, die erforderlichen Schlüſſe ziehen und die notwendi⸗ gen Wege beſchreiten wird. 161 Stadtv. Dr. Eyck: Meine Herren! Ich gebe zu⸗ nächſt meiner Freude darüber Ausdruck, daß der letzte Herr Redner einen etwas ruhigeren Ton angeſchla⸗ gen hat und insbeſondere auf jene Redensart, die vor⸗ hin gefallen iſt und die ich als einen Rückfall in Ge⸗ wohnheiten betrachten möchte, die doch mit dem Kriege verſchwunden ſein ſollten, nicht wieder zurückgekom⸗ men iſt. Es hat auch gewiß keinen Sinn, daß wir uns in dieſer Weiſe gegenſeitig Vorwürfe machen, ſondern es kann hier nur auf die praktiſche Frage an⸗ kommen, was geſchehen ſoll. Wenn nun Herr Kollege Gebert wieder die Frage aufgeworfen hat, was denn geſchehen ſei, ſo kann man ihm immer nur wieder entgegenhalten: es iſt alles das geſchehen, was von allen Fraktionen dieſer Stadwer⸗ ordnetenverſammlung angeregt worden iſt. Alles das iſt immer wieder in der Deputation durchgeprüft wor⸗ den. Man iſt jeder Anregung nachgegangen, und wenn ſie von ſeiten der Freunde des Herrn Gebert ge⸗ kommen iſt, gewiß nicht weniger gern, als wenn ſie von anderer Seite kam. Aber ich möchte ihm heute entgegenhalten, daß er doch, wo nun Gelegenheit ge⸗ weſen wäre, neue Vorſchläge zu machen, irgend etwas weſentliches anderes nicht angeregt hat als dieſe Butterkarte, über die er ſich ja auch ſelber ſehr ſkeptiſch geäußert hat. Alſo das gamze Repertoire ſchrumpft auf die Butterſperrkarte zuſammen, von der ja auch von unſerer Seite geſprochen worden iſt. Ich halte ſie per⸗ ſönlich auch für ein Mittel, deſſen man ſich vielleicht bedienen muß. Es iſt ein Verſuch, wenn auch viel⸗ leicht nicht allzu viel dabei herauskommt. Wenn nun Herr Kollege Gebert noch davon ge⸗ ſprochen hat, daß gewiſſe feſte Kunden von den Butten⸗ geſchäften bedient worden ſeien, ſo weiß ich nicht, ob er damit den betreffenden Geſchäften einen Vorwurf hat machen wollen. Soweit ich unterrichtet bin, ſteht die Polizeiverwaltung hier in Charlottenburg auf dem Standpunkt, daß ein derartiges Bedienen feſter Kun⸗ den in geeigneten Grenzen nicht unzuläſſig iſt, und ich kann mich dieſer Auffaſſung auch nur anſchließen; denn ich kann nicht einſehen, warum man demjenigen, der von jeher Kunde eines ſolchen Geſchäftes geweſen iſt, nicht auch ein Quantum Butter zukommen laſſen ſollte, das nicht diejenige Menge überſteigt, die ande⸗ ren Perſonen, die vor dem Laden geſtanden haben, abgeliefert wird. Alſo auch nach dieſer Richtung hin ſcheinen mir die Vorwürfe durchaus unbegründet zu ſein. Ich möchte aber vor allen Dingen konſtatieren, daß ſich die Fragen der Herren von der ſozialdemo⸗ kratiſchen Fraktion, die die Maßregeln kennen lernen wollten, die gegen die beſtehenden Mißſtände bei der Butter⸗, Fett⸗ und Fleiſchverſorgung ergriffen werden ſollten, hier in der Debatte eigentlich nur auf die Butterfrage konzentriert haben. Nach der Richtung, was namentlich in bezug auf die Fleiſchverſorgung ge⸗ ſchehen ſollte, iſt nichts vorgebracht worden. Ich glaube da wohl in Uebereinſtimmung mit den Herren von der ſozialdemokratiſchen Fraktion feſtſtellen zu dürfen, daß nach der Richtung hin ſeitens des Magi⸗ ſtrats alles geſchehen iſt, was nach Lage der Dinge ge⸗ ſchehen konnte. (Sehr richtig!) Sicherlich ſtehen wir alle auf dem Standpunkt, daß dieſe Anſammlungen vor den Buttergeſchäften