162 durchaus unerwünſcht ſind, und alles das, was geſche⸗ hen könnte, um ſie zu beſeitigen, wäre zweifellos au⸗ fßerordentlich erfreulich. Es muß aber auch geſagt werden — und ich möchte das auch meinerſeits beto⸗ nen —, daß man dieſe Dinge doch auch in der öffent⸗ lichen Erörterung nicht allzu ſehr übertreiben ſollte. Ich darf Ihnen einmal einige Zeilen vorleſen, die in der Times darüber geſtanden haben: Die deutſchen Frauen — heißt es da — gingen in den Krieg hinein mit einem Eifer, der ebenſo groß war wie der der Männer. Jetzt aber halten ſie die Belaſtung nicht ſo gut aus wie die Männer. Das lächerliche Geſchrei, das wegen der Butter gemacht wird, iſt typiſch. Es kommen dann die üblichen Uebertreibungen: die kleinen Ruheſtörungen an vielen Orten und die gro⸗ ßen Berliner Unruhen wanen hauptſächlich das Werk von Frauen uſw. Sie ſehen an dieſem Beiſpiel, wie gefährlich es iſt, wenn man bei der Erörterung dieſer Fragen die Wege der Sachlichkeit verläßt, und ich möchte nur bitten, wieder auf ſie zurückzukehren, wie es meines Erachtens ſchon zuletzt der Fall war. Stadtv. Katzenſtein: Meine Herren! Man hat ſich bei der Erörterung der Frage viel mit der Unter⸗ ſuchung aufgehalten, welche Kreiſe es denn ſeien, die im Uebermaß Butter und vielleicht auch ſonſtige knappe Lebensmittel kaufen, und es iſt die Mei⸗ nung ausgeſprochen worden, daß das doch haupt⸗ ſächlich Arbeiterfrauen ſeien. (Widerſpruch.) — Ja, es wurde geſagt, die Menge, die vor den Läden an der Straße ſteht, ſetze ſich ganz überwiegend aus Arbeiterfrauen zuſammen. (Sehr richtig!) Nun, meine Herren, die Leute, die ſich dort etwa ein Viertelpfund Butter zu verſchaffen ſuchen, mögen ja größtenteils Arbeiterfrauen ſein; aber diejenigen, die größere Mengen für ſich, wie man geſagt hat, einhamſtern, werden Arbeiterfrauen nur in ganz ver⸗ ſchwindendem Maße ſein können, (Sehr richtig!) weil ſie bei dem ungeheuren Preis, den dieſes Nah⸗ rungsmittel erreicht hat, gar nicht die Mittel haben, größere Mengen aufzukaufen, und wir dürfen doch nicht vergeſſen, daß es für gewiſſe Kreiſe der Bevöl⸗ kerung, namentlich für diejenigen, wo entweder der Mann oder herangewachſene Kinder längere Zeit, vielleicht über Mittag, auf Arbeit bleiben, im In⸗ tereſſe einer ſachgemäßen Ernährung notwendig iſt, ſich ein gewiſſes Quantum Fett, Butter und ſonſtige Dinge zu verſchaffen. (Stadtv. Bernhard: Sehr richtig!) Wenn hier von den hohen Arbeitslöhnen die Rede geweſen iſt, ſo gebe ich zu, daß es einzelne kleine Schichten gibt, deren Arbeitslöhne außer⸗ ordentlich geſtiegen ſind; das iſt ja eine bekannte Tatſache. Wenn aber hier von 65 ℳ die Rede ge⸗ weſen iſt, die irgendwo ein Fleiſchergeſelle verdienen ſoll — ich weiß nicht, ob es wahr iſt —, (Stadtv. Bernhard: Es ſtand im Vorwärts!) Sitzung am 22. Dezember 1915 ſo möchte ich darauf hinweiſen, daß ich jetzt Gelegen⸗ heit gehabt habe, einen Mann zu ſprechen, der ein tüchtiger Arbeiter iſt — er iſt Kolonnenführer in einer Metallwarenfabrik, wo man für Heereszwecke arbeitet —, der 60 bis 70 ℳ verdient —, nicht am Tage, ſondern in der Woche, und ich glaube nicht, daß die Magiſtratsboten, die heute noch etwa 5 beziehen, daß die Straßenbahner und alle die Leute, deren Einkommen ſich nur in ganz geringem Maße und ganz zweifellos nicht im Verhältnis zur Stei⸗ gerung der Lebensmittelpreiſe erhöht hat, (Stadtv. Bernhard: Sehr richtig!) hier im hohen Grade als Konſumenten in Betracht kommen können. Und daß tatſächlich ein großes Be⸗ dürfnis und in manchen Kreiſen, wo ja auch vor dem Kriege Not geherrſcht hat, Entbehrung vor⸗ handen iſt, das kann doch der nicht beſtreiten, der ſich nur die Geſichter der Kinder und Frauen und die geſamten Geſtalten anſieht. Nun weiß ich wohl, daß ſich durch eine Ver⸗ fügung einer Gemeinde oder auch eines Verbandes wie Groß⸗Berlin, der allerdings in all dieſen Fragen als Einheit auftreten und dadurch mehr erreichen ſollte, für das ganze Reich keine Aenderung erzielen läßt. Aber es läßt ſich doch auf dieſe Weiſe die Frage der Sperrkarten iſt ja hier ſchon mehrmals erörtert worden, ich will darauf nicht weiter ein⸗ gehen — doch erreichen, daß der vorhandene knappe Vorrat nicht in ungehöriger Weiſe verteilt wird. Wenn Herr Kollege Liepmann geſagt hat: wir müſſen alle Entbehrungen mit in Kauf nehmen —, nun wohl, dann ſollen es auch alle tun, dann ſoll die Möglichkeit abgeſchnitten werden, daß gute Kun⸗ den oder ſonſt Leute ſich unter Ausnutzung ihrer Beziehungen übergroße Anteile verſchaffen. (Sehr richtig! Dann habe ich ſchon mehrmals den Vorſchlag ge⸗ macht — und Herr Kollege Liepmann ebenfalls—, es ſollte das Syſtem in bezug auf die Abfertigung der Leute geändert werden. Das iſt es ja gerade, worin Stettin hier vorbildlich gewirkt hat. Herr Kollege Liepmann hat ja den Vorſchlag gemacht, daß man die Abferti⸗ gung nach dem Alphabet einrichten ſollte. Ich halte das nicht für gut durchführbar, wenn eine Organi⸗ ſation fehlt und die Kunden einfach hinkommen; ſte können ſich nicht gut in dieſer Weiſe gruppieren, und es kann vor allen Dingen nicht kontrolliert werden. Wenn aber Karten ausgegeben werden, die auf Num⸗ mern lauten, und dieſe Nummern dann nach dem Wohnbezirk oder auch nach dem Alphabet eingeteilt werden, dann kann man ſehr wohl, wie es in Stettin bei dem Fleiſchverkauf gemacht wird, ſagen: die Nummern von 1 bis 100 werden bis 9 Uhr, die Num⸗ mern von 100 bis 200 um %0 Uhr abgefertigt. Das iſt ein ganz einfaches Verfahren. Wir dürfen auch nicht vergeſſen, wie viel Kraft, Geſundheit und Zeit auf dem jetzigen Wege ſo unnütz vergeudet wird. Die Frage der Fleiſchverſorgung iſt von unſerer Seite heute nicht behandelt worden. Ja, daß ſich die Stadt bemüht, ſoweit ihre Kräfte reichen, Fleiſch zu beſchaffen, haben wir ſchon mehrmals zugegeben. Allerdings habe ich auch ſchon früher darauf hinge⸗ wieſen, daß die Stadt Charlottenburg das tun ſolle, was eine ganze Reihe anderer Gemeinden getan hat, die entweder ſelöſt Schlachtbetriebe eingeführt oder ſich mit anderen zu ſolchen Unternehmungen vereinigt bei den Sozialdemokraten.)