Sitzung am 19. Jannar 1916 rente fließt, zum größten Teil wegfallen kann. Eine ganze Reihe deutſcher Gemeinden hat bereits Gar⸗ tenſtädte entweder ſelbſt geſchaffen oder ihre Gründung begünſtigt. Die Stadt Hamburg hat vor ein paar Jahren beſchloſſen, in einer Entfernung von ungefähr 20 km die ſogenannten Walddörfer, die zum Staate Hamburg gehören, allerdings für die Villenbebauung, zu erſchließen. Eine Eiſenbahn mit einer Ausdehnung von etwa 20 kKm, die über 20 Millionen Mark koſten ſoll, ſollte erbaut und die Koſten ſollten durch einen Aufſchlag auf den Preis des dort zu verkaufenden Bodens aufgebracht werden. Nun was dort für ein Villenterrain getan iſt, läßt ſich auch für ein Terrain, das der allgemeinen Be⸗ bauung dienen ſoll, durchführen. Die Erfahrungen in England wie auch mit unſeren deutſchen Garten⸗ ſtädten bei Magdeburg, Nürnberg uſw. uſw. haben gezeigt, daß hier auf ganz ſicherer rechneriſcher Grund⸗ lage das Notwendige geſchaffen werden kann. Es haben Städte in Deutſchland, z. B. Freiburg, weit über 600 Wohnungen ſelbſt erbaut. Die Stadt Zü⸗ rich hat über 1300 Wohnungen mit einem Aufwande von 10 Millionen Franken erbaut. Wo es ſich um einen ſo dringenden Notſtand handelt, wie er jetzt ſchon beſteht und ſich noch in viel ſchärferer Weiſe ankündigt, da wird es eine Aufgabe unſerer Stadt ſein, einzugreifen. In Frankfurt a. M. lebten zu Ende 1914 ſchon etwa 27 000 Menſchen in Woh⸗ nungen, die auf gemeinnütziger Grundlage hergeſtellt waren, alſo eine vollſtändige Mittelſtadt. Frank⸗ furt a. M. iſt ja manchem neueren Gemeindeweſen durch die alteingewurzelten Bürgerſitten vielleicht vor⸗ aus. Aber ich gaaube, auch eine Stadt wie Charlot⸗ tenburg wird über die Mittel und über die perſön⸗ lichen Kräfte verfügen, die notwendig ſind, um hier eine dringende ſoziale Aufgabe zu löſen. Meine Herren, wir alle wiſſen, daß nach dem Kriege an uns die Frage herantreten wird, wie die Menſchenverluſte auszugleichen ſind, wie der gewoll⸗ ten Kinderbeſchränkung, die vor dem Kriege bereits in großem Maße vorhanden war, vorgebeugt werden kann. Wir wiſſen, daß hier ganz gewaltige ſoziale, ſittliche und geſundheitliche Aufgaben zu löſen ſind. In erſter Reihe wird eine Wohnungsreform großen Stils einſetzen müſſen, nicht mit den kleinen Mit⸗ teln, die bisher wohl manchen Notſtand gemildert, aber niemals durchgreifende Abhilfe geſchaffen haben. Wir haben alle gehört, daß wir in einer Zeit leben, in der wir uns gewöhnen müſſen, große Dinge in großem Sinne zu löſen. Große Notſtände treten an uns heran, große Aufgaben wollen gelöſt ſein. Ich hoffe, daß die Wohnungsdeputation, die ins Leben gerufen worden iſt, um ſich mit dieſen Fragen zu befaſſen, die aber bisher während des Krieges kaum tätig war, ſich in recht energiſcher Meiſe der Frage annehmen wird, und daß der Magi⸗ ſtrat uns hoffentlich recht bald mit einer Vorlage kommen wird, die dieſen Notſtänden Abhilfe zu ſchaf⸗ fen beſtimmt iſt. Denn wir dürfen nicht warten, bis der Kriea zu Ende iſt. Wenn der Krieg zu Ende iſt, dann wird die Wohnungsnot unmittelbar an uns her⸗ antreten, dann wind ſie über uns hereinbrechen wie eine Sturmflut. Wir müſſen dn vorbeugen. Es müſſen, ſoweit das bente möalich iſt, Mittel bereitge⸗ ſtellt werden; es müſſen vor allem die Flächen ins Auge gefaßt, die Pläne vorbereitet werden, damit wir eine Aufgabe löſen können, die für die Erneu⸗ erung, für den Wiederaufbau unſerer durch den Krieg 15 geſtörten Volksgemeinſchaft von der allergrößten Be⸗ deutung iſt. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Meyer: Meine Herren! Wenn ich dem Herrn Vorredner nicht auf die Einzelheiten, über die er ſich verbreitet hat, folge, ſo geſchieht es nicht, weil wir der Irage geringeres Intereſſe entge⸗ genbringen, ſondern deshalb, weil die großen Schwie⸗ rigkeiten des Problems, die uns wohl allen aus langem Studium bekannt ſind und von denen der Herr Vorredner auch nur einen Teil hier berühren konnte, unſeres Erachtens es noch nicht geſtatten, eine beſtimmte Stellung zu Einzelheiten zu nehmen. Aber wir ſtimmen mit dem Herrn Vorredner und mit den Herren Antragſtellern völlig darin überein, daß es ſich um eine Frage von außerordentlicher Wich⸗ tigkeit handelt. Der Herr Vorredner hat mit Recht geſagt, daß ſchon jetzt ein gewiſſer Mangel an kleinen Wohnun⸗ gen herrſcht. Aus meiner Tätigkeit an der Spitze einer Unterſtützungskommiſſion kann ich das durch eigene Erfahrungen beſtätigen. Ich habe geſehen, daß es vielfach ſchwer hält, für Kriegerfrauen kleine Wohnungen zu erlangen, und daß ſich ein großer Teil unſerer Vermieter namentlich nicht mehr gern darauf einläßt, Wohnungen auf längere Zeit an ſol⸗ che Frauen zu vermieten, deren Miete gegen einen Nachlaß von der Stadt getragen wird; daß vielfach verſucht wird, in dieſen Fällen die Verträge nur von Monat zu Monat zu verlängern, offenbar deshalb, weil die Vermieter in der Lage ſein zu können glau⸗ ben, bald beſſer über die Wohnungen zu verfügen — ein Verfahren, das ich natürlich hier nur zur Kenn⸗ zeichnung der Verhältniſſe erwähne, nicht etwa, um dem Hausbeſitzerſtande einen Vorwurf zu machen, der (ja in der heutigen Zeit darauf ſehen muß, das, was er vermieten kann, zu möglichſt guten Preiſen zu ver⸗ mieten, um ſeiner Notlage abzuhelfen. Ich glaube auch mit dem Herrn Vorredner, daß nach dem Kriege eine weitere Steigerung der Nachfrage nach kleinen Wohnungen eintreten wird. Wenn der Krieg, wie wir doch alle hoffen, günſtig verläuft, ſo wird nach⸗ her in den großen Städten eine ſtarke Unterneh⸗ mungsluſt die Induſtrie befruchten. Es wird vieles wiederhergeſtellt werden müſſen, was durch den Krieg aufgebraucht iſt, und es wird ſich deshalb eine große Anzahl von Perſonen nach den induſtriellen Städten ziehen, die hier Wohnung ſuchen und Woh⸗ nung haben müſſen. 5 Ich halte es auch mit Herrn Katzenſtein für eine Aufgabe der Kommunen, ſich rechtzeitig darum zu kümmern, daß dieſes Bedürfnis in einer Weiſe befriedigt werden kann, die den gegenwärtigen An⸗ forderungen an ein modernes und hygieniſches Woh⸗ nungsweſen entſpricht. Aber neben der Bedeutung des Problems glaube ich nicht unbetont laſſen zu dürfen die außerordent⸗ liche Schwierigkeit, die mit ſeiner Löſung verbunden iſt. Abgeſehen von den Geſichtspumkten, die der Herr Vorredner bereits beleuchtet hat, laſſen Sie mich hier nur noch auf einige wenige, meines Erachtens be⸗ ſonders wichtige eingehen. Da iſt zunächſt die Frage, wer den Kleinwoh⸗ nunasbau in die Hand nehmen ſoll, mit welchem Kapital es geſchehen ſoll. In den Beratungen, die in verſchiedenen Körpe ſchaften hierüber ſtattaefun⸗ den haben, hat man teilweiſe den Standpunkt ver⸗