Sitzung am 10. Januar 1916 Ich möchte dann noch auf das eingehen, was Herr Kollege Meyer erwähnt hat, daß jetzt bei den Grundbeſitzern wenig Reigung beſteht, an die Kriegs⸗ teilnehmer Kleinwohnungen zu vermieten; er hat ja den Grund dafür ſchon angegeben. Es iſt natürlich den Hausbeſitzern nicht angenehm, die zu vermieten, daß ſie nachher einen größeren Nachlaß bewilligen müſſen. Wir haben nichts dagegen, daß der Magiſtrat weiter darüber berät, was geſchehen ſoll, wenn viel⸗ leicht eine Wohnungsnot eintritt; ich glaube aber nicht, daß das der Fall ſein wird, und bin nicht der Anſicht, daß beſondere Mittel angewandt werden ſollen, um dieſem Uebel eventuell vorzubeugen. Stadtv. Gebert: Meine Herren! Was ich gern konſtatieren möchte, iſt, daß von ſämtlichen Rednern die Notwendigkeit einer Wohnungsreform anerkannt worden iſt. Das iſt ein Zeichen dafür, daß die ganze Bauart, wie wir ſie vor dem Kriege in Charlotten⸗ burg gehabt haben, eine Aenderung erfahren wird und und erfahren muß. Herrn Stadtrat Sembritzti möchte ich bemerken, daß unſer Antrag beileibe nicht eine Beunruhigung in den Kreiſen der Bevölkerung hervorrufen ſoll, ſondern i m Gegenteil eine Beruhigung. Auch ich möchte über die Erfahrungen betreffs des Wohnungsvermietens einige Mitteilungen machen. Es kommen jetzt ſehr viele Krieger⸗ frauen es ſind nicht vereinzelte Fälle — nach den Unterſtützungskom⸗ miſſionen und beklagen ſiſch bit rer da⸗ rüber, daß es ihnen nicht möglich i ſt, Wohnungen zumieten. Wenn die Geſchichte ſo weiter geht, dann ſehe ich die Gefahr vor Augen, daß der Magiſtrat eines ſchönen Tages vielen Krieger⸗ frauen Unterkunft gewähren muß. Wie er das macht, wird dann ſeine Sache ſein. Ich will damit nicht alle Beſitzer treffen, namentlich nicht diejenigen, die beſonderes Entgegenkommen zeigen. Auch dafür haben wir viele Erſahrungen; das ſoll ohne weiteres anerkannt werden. 5 Ich will auch zugeben, daß für die Stadt Char⸗ lottenburg allein die Löſung der Frage außerordent⸗ lich ſckwierig iſt. Aber was will denn unſer Antrag? Unſer Antrag will, daß die Stadt Charlottenburg die notwendigen Wege beſchreiten ſoll, die unter Umſtän⸗ den dazu führen, daß auch die übrigen Gemeinden Groß⸗Berlins dieſer Frage mehr und mehr näher treten. Das iſt eine Handhabe, mit der der Ma⸗ giſtrat von Charlottenburg arbeiten kann. Ich erinnere Sie ferner an die Bauausſtellung, die beace in der Kunſtakademie in der Harden⸗ bergſtraße ſtattfand, wo auf die Bauart von kleinen Wohnungen in Form von Bildern und ſonſtigen Dar⸗ ſtellungen hingewieſen wurde, wo auch die Notwen⸗ digkeit betont wurde, Kleinwohnungen für Char⸗ tottenburg zu bauen. Meine Herren, richtig iſt es ja, daß die Weich⸗ bildgrenze von Charlottenburg ziemlich klein iſt. Unſere Grenzen ſind vom Zentrum der Stadt bald erreicht. Aber wir haben noch genug Ländereien, es iſt doch genügend Platz vorhanden, wo wir Klein⸗ wohnungen errichten können. Ich gebe ohne weiteres zu, daß die Verhandlun⸗ gen mit den Regierungsorganen heute noch ſchweben. Iedoch wollen wir ausſprechen, daß es nicht ſchaden könnte, wenn die Verhandlungenj innerhalb der Re⸗ gierungsorgane beſchleunigt werden. 7 Wohnungen ſo 19 Was die Geldfrage betrifft, ſo iſt geſagt worden, das würde Schwierigkeiten machen; man hat gefragt, mit welchem Kapital denn die Bauten errichtet wer⸗ den ſollten. Nun, es gab Gemeinden in Deutſchland, die ſich früher ganz energiſch darauf verſteiften, keine Stadtbauten zu errichten, die aber durch die Verhält⸗ niſſe gezwungen worden ſind, mit dem Kapital der Stadt Wohnungen zu bauen. Auch auf das Genoſſenſchaftsweſen iſt hingewie⸗ jen worden. Scweit ich die Genoſſenſchaftshäuſer in Charlottenburg kennen gelernt habe, ſtellen ſie nicht ideale Bauten dar. Sie ſind genau ſo gebaut und eingerichtet, wie jeder Privatkapitaliſt ſeine Grundſtücke auch baut. Wir finden auch da das Syſtem der großen Aufbauten, drei, vier und mehr Etagen, alſo die Ausnutzung des Bodens nach allen Regeln der Kunſt. Dieſes ſoll man ruhig anerkennen. Wer ſich einmal auf Weſtend den Genoſſenſchaftsbau anſieht, wird zugeben, daß da eine ganze Maſſe Menſchen in einem engen Raum zuſammengepfercht ſind und daß darin das Ideal von Kleinwohnungen, wie wir ſie uns denken, wo Licht, Luft und gute Luft in großem Umfange vorhanden ſein ſoll, nicht zu finden iſt. Alſo man ſoll ſich nicht auf die Ge⸗ noſſenſchaftsbauten verſteifen. Kurz und gut, ich bin der Meinung, Ddaß der Antrag, den wir geſtellt haben, wohl mit freundlichen Augen angeſehen und in die Wirklichkeit umgeſetzt zu werden verdient. Dann noch ein paar Worte zu den Zweifeln, als ob vielleicht nach dem Kriege das Suchen nach kleinen Wohnungen nicht allzu groß wenden wird. Meine Herren, nach dem Kriege wird das Suchen nach fleinen Wohnungen außerordentlich ſtark ſein, nicht nur wegen des Zuzugs nach Berlin, ſon dern au ch infolgedervielen Aenderung en in der wirtſchaftlichen Lage der Kriegsteil⸗ nehmer. Darüber braucht gar kein Zweifel zu beſtehen, daß wir nach dem Kriege mit einer ſtarken Arbeitsloſigkeit in allen Schichten der Bevölkerung zu kämpfen haben wenden. (Widerſpruch.) — Sagen Sie nicht nein, wir ſagen ja. Qieſer Umſtand wird vielfach Beſchränkungen in der Woh⸗ nung bedingen und das Suchen nach kleineren Woh⸗ nungen erſchweren. Im großen und ganzen bin ich von der Beratung inſofern befriedigt, als ſich eine prinzipielle Gegner⸗ ſchaft unſerm Antrage gegenüber nicht gezeigt hat. Ich bite Sie, den Antrag anzunehmen. Antragſteller Stadto. Katzenſtein (Schlußwort): Meine Herren, nur noch wenige Worte! Die all⸗ gemeine Zuſtimmung, die der Antrag gefunden hat, könnte etwas bedenklich machen. (Große Heiterkeit.) Es iſt ganz beſonders die vorſichtige Faſſung des Antrages gelobt worden. Nun halte ich es nicht für einen Vorwurf, wenn man eine Frage, die etwas ſchwierig anzufaſſen iſt, in ihrer Schwieriakeit über⸗ ſieht. Das ſollte aber nicht bedeuten, daß nunmehr gewiſſermaßen mit einer höflichen Verbeugung die Wohnungsfrage für einige Jahre für uns erledigt ſein ſoll. Ich meine nicht, daß dieſe Frage dem Ma⸗ giſtrat zu einem beſſeren Begräbnis überwieſen wer⸗