13 Sitzung am 8. März 1916 ganz beſonders in einem Jahr und in einer Zeit wie dieſer geltend, wo das Geſtern von dem Heute Er⸗ eigniſſe von geradezu weltgeſchichtlicher Bedeutung trennen, die auch in ihren wirtſchaftlichen Folgen alles das, was wir noch vor 8 oder 14 Tagen für richtig und wichtig hielten, als unwichtig und falſch erſcheinen laſſen. Das iſt ohne weiteres zuzugeben, und nur ſo kann ich es mir erklären, daß wohlüber⸗ legende und kritikvolle Köpfe zu der Idee kommen, man müßte ſich überhaupt bei der Aufſtellung eines Planes, ſei es für die Stadt, ſei es für den Staat, ſei es für ein anderes Gemeinweſen, die Aufaabe gar nicht ſo ſchwer machen, wie wir es getan haben, fondern man müßte in der Vorausſicht, daß man das Richtige doch nicht trifft, die Sache anders machen: die Ausgaben, ſoweit ſie durch Verträge, Geſetz uſw. abſolut feſtſtehen, zuſammenſtellen, die übrigen tarie⸗ ren, natürlich möglichſt niedrig, und demgegenüber dann eine Einnahmedeckung ſuchen, indem man beſtrebt, zunächſt die Steuern möglichſt niedrig zu bemeſſen, danach das Einkommenſteuerſoll zu berech⸗ nen und auch die anderen Faktoren ſo zuſammenzu⸗ ſtellen, daß buchmäßig eine gewiſſe Deckung zuſam⸗ menkommt. Ich muß ſagen: wie in dieſer Weiſe ein Etat gemacht werden ſoll, iſt mir nicht ganz verſtändlich, und der Künſtler, der das fertig bringt, wird, glaube ich, auch ſchließlich an ſeinem Kunſtwerk, wenn näm⸗ lich das Jahr abgelaufen iſt und von jeder Seite kritiſiert werden kann, nicht viel Freude erleben. Ich möchte eine ſolche Art der Bilanzierung nicht mit⸗ machen; ſie iſt für mich — vielleicht mit etwas Ueber⸗ treibung geſprochen — zu ſehr die Finanzpolitik des Unbewußten, und ich halte ſie deswegen für falſch, weil, je länger der Krieg dauert, wir uns in allen wirtſchaftlichen Fragen darauf einrichten müſſen, ihn zunächſt als eine Dauererſcheinung anzuſehen. Wenn wir das tun, dann ſind wir ſicher, daß wir auch den wirtſchaft⸗ lichen Krieg auf allen Fronten ge⸗ winnen werden; es wird gelingen, denn es iſt zum großen Teil ſchon ge⸗ lungen. Aber dieſes Einrichten auf den Krieg als Dauererſcheinung bedeutet für uns nichts anderes, als den Forderungen, die uns gegenübertreten. ins Geſicht zu ſehen, ihnen nicht auszuweichen und ſie in ihrer Größe und Schwere nicht abſichtlich ver⸗ kennen zu wollen. Zweitens würde ich eine derartige Finanzpolitik deswegen für falſch halten, weil ſie auf die Leute keine Rückſicht nimmt, mit deren Hilfe wir ja unſere ganze Finanzpolitik durchführen. Denn diejenigen, die uns die Gelder zur Verfügung ſtellen, d. h. unſere Gläubiger, haben das ja in der Erwartung getan und nachdem ſie die Ueberzeugung gewonnen hatten, daß die Finanzpolitik unſerer Stadt eine ſorgfältige und überlegte iſt. Sie würden eine gewaltige Enttäu⸗ ſchung erfahren, wenn ſie glaubten, fich überzeugen zu müſſen, daß wir von dieſen geſunden Prinzipien irgendwie abweichen. Nun aber gehe ich nicht ſo weit, zu glauben, daß der gute finanzielle Leumund unſerer Stadt, das, was man früher Kredit nannte, darunter leiden wird, daß wir die Einkommenſteuer eventuell um einige Prozent abſtreichen. Ganz im Gegenteil; ich ſtehe auf dem Standpunkt, daß die beiden Forderungen, die ich aufgeſtellt habe, durch den Voranſchlag des Magiſtrats reichlich, ſehr reichlich erfüllt werden, ſo reichlich, daß es vielleicht möglich wäre, ſie in dieſem oder jenem Poſten noch irgendwie zu ändern. (Sehr richtig!) Die Zahl von 170% iſt ja eine ſehr hoch gewordene oder hoch gebaute, und wir haben in den Zeitungen geleſen — und der Herr Kämmerer hat es uns auch beſtätigt — daß in bezug auf dieſe Zahl ein Einverſtändnis mit unſeren Nachbar⸗ kommunen erreicht iſt. Ich begrüße dieſe Tat⸗ ſache, weil ich es immer als ein gutes Zeichen betrachtet habe, wenn mit unſeren weſtlichen Nachbarvororten in wichtigen Fragen ein Einver⸗ ſtändnis erzielt werden konnte. Ich möchte hier je⸗ doch hervorheben, daß uns dieſes Moment nicht etwa eſtimmen kann, an dieſer Zall nicht zu rütteln. Denn ſchließlich, meine Herren, ſind wir Charlotten⸗ burger Stadtverordnete, wir verfügen über das Geld Charlottenburger Bürger, und die endgültige Ent⸗ ſcheidung über dieſe Zahl muß nach meiner Meinung in dieſem Hauſe und in dieſem Saale fallen. Ich weiß mich in dieſer Beziehung auch im Einklang mit Ausführungen, die ich bei früheren Gelegenheiten hier in dieſem Saale gemacht habe, in denen ich dringend empfahl, ſich nicht allzu weit von dem zu entfernen, was in Wilmersdorf, in Schöneberg an Einkommen⸗ ſteuer uſw. vorgeſchlagen wird. Aber es waren andere Gründe, die meine Freumde und mich damals 1 ranlaßten, dieſen Wemſch — keine Forderung! — auszuſprechen, und ſie haben meiner Meinung nach etwas an Gehalt und Wirkung gegenüber dem, was neu aufgetreten iſt, verloren. Ich folge dem Herrn Kämmerer auch darin, daß ich einzelne Etats und Einzelheiten aus den Kapiteln hier nicht beſprechen will; nur einige Poſitionen möchte ich hier hervorheben. Sie finden in Kapitel 1, I11 und 1I1 und in den Sonderetats die Nach⸗ weiſungen für die Hinterbliebenenfürſorge, und Sie ſehen überall bei dieſen Forderungen, daß zu dieſem Zwecke größere Summen vom Magiſtrat angefordert werden. Wir alle wiſſen, worauf ſich das zurück⸗ führt, und wir gedenken hier in dieſer Stunde mit dankbarer Wehmut derjenigen unſerer Angeſtellten, Lehrer, Beamten und Arbeiter, die nicht mehr an den häuslichen Herd zurückkeren werden und denen deswegen die Sorge für ihre Angehörigen von der Stadt abgenommen werden muß. (Bravo!) Ich möchte mich im übrigen nur noch an den Etat der Gasanſtalt halten und einige Worte über die Steuern ſprechen, beides Dinge, die für mich in unlösbarem Zuſammenhange ſtehen. Meine Herren, bezüglich des Gasanſtaltsetats mache ich eine etwas andere Rechnung auf als der Herr Kämmerer, komme aber im weſentlichen zu demſelben Schluß. Der Ueberſchuß der Gasanſtalt ſoll 2 031 000 ℳ betragen; er bleibt damit noch um ein ſehr Erhebilches hinter den früheren günſtigeren Jah⸗ ren zurück, wo das Soll z. B. im Jahre 1913 2 980 000 ℳ betrug, von dem allerdings nicht alles eingegangen iſt. Nun wird ein Aufſchlag von 1 069 000 ℳ gefordert, wenn ich annehme, daß 52 000 ebm Gas für den Privatgasverbrauch zur Verfügung geſtellt werden. Die Kohlenmehrforde⸗ rung für eben dieſe Menge beträgt 1 546 000 %/. Dazu kommen auf der andern Seite eine halbe Mil⸗ lion Mark mehr für allgemeine Unkoſten, Löhne