Sitzung am §. März 1916 dieſer Politik heute ein gewiſſes Lob inſofern ſingen hören, als er ſie als eine Ueberſchußpolitik bezeichnet hat, d. h. alſo: es iſt uns trotz unſerer dauernden Ausgaben immer noch gelungen, bei mäßigen Steuer⸗ ſätzen nicht nur die Bedürfniſſe des Tages zu be⸗ friedigen, ſondern auch für die Zukunft bis zu einem gewiſſen Grade Vorſorge zu treffen, in einem ſolchen (Grade, daß wir heute noch im zweiten Kriegsjahr alts unſeren Reſervefonds zehren können, wenn auch das Fett etwas geringer geworden iſt, als es früher war. Meine Herren, Sie ſehen aber aus dieſer Betrach⸗ tung eins: daß keine anders geartete Finanzpolitik uns vor den Schwierigkeiten, die wir jetzt haben, hätte ſchützen können. Es wäre einzig und allein nur dann möglich geweſen, wenn wir eine Anhäufungs⸗ und Sammlungspolitik getrieben hätten, die in keiner Weiſe berechtigt geweſen wäre, wenn wir alſo mit an⸗ deren Worten hohe Steuern, hohe Gebühren, hohe Preiſe für die Erzeugniſſe unſerer Werke genommen hätten, um die Erträgniſſe nicht der Bürgerſchaft zu⸗ gute kommen zu laſſen, ſondern ſie in einen Sack zu tun. Und wozu und mit welcher Begründung? Dieſe hätte kein Menſch geben können; denn es hat vor 10 Jahren und auch noch ſpäter keinen Menſchen ge⸗ geben, der geglaubt hat, daß wir in den Jahren 1914, 1915 und 1916 in dieſes ſchwere, mörderiſche Rin⸗ gen verwickelt worden wären, das auch ſo wichtige und ſo inhaltsſchwere wirtſchaftliche Folgen für uns haben könnte. Jedenfalls würde derjenige, der ſeiner⸗ zeit mit dieſer Forderung und mit dieſer Begrün⸗ dung aufgetreten wäre, wenig Anhänger gefunden haben, und es wird heute derjenige noch viel weni⸗ ger Anhänger finden, der vielleicht als rückwärts ge⸗ wendeter Prophet heute behauptet, er hätte alles das bereits damals ſchon vorausgeſehen, (Sehr richtig!) und man wäre ihm damals nicht gefolgt. Ich glaube aber weiter — und das iſt mir das Wichtiaſte —, daß uns dieſe Betrachtungen eine ge⸗ wiſſe Zuverſicht für das geben, was ſpäter ſein wird, daß ſie uns das Recht geben, mit einem gewiſſen Optimismus, wie es der Herr Kämmerer getan hat, in die Zukunft zu blicken. Meine Herren, wenn wir ſehen, woran es denn liegt, daß wir jetzt ſo hohe Steuerſätze erheben müſſen, ſo können wir auch hof⸗ fen, daß dieſer wichtigſte Grund in abſehbarer Zeit wegfällt. Ich aehöre nicht zu denienigen, die da alau⸗ ben, daß nach dem Ende des Krieges eine nie geahnte wirtſchaftliche Blüte, eine nie geahnte wirtſchaftliche Entwicklung einſetzen wird. Ganz im Gegenteil, ich glaube, daß wir auch in dieſer Beziehung noch ſchweren Zeiten entgegengehen werden. Aber ich glaube ebenſo feſt an ein, wenn auch langſames, viel⸗ leicht ſehr langſames Anſteigen, und deswegen bin ich der Ueberzeugung, daß wir in kürzerer Zeit auch in bezug auf das Steuerſoll wieder das erreichen, was wir haben würden, wenn der Krieg nicht dazwiſchen gekommen wäre. Ich glaube, daß unſere Umſatzſteuer auch ſo viel bringen wird, daß ſie den Abſtrich, der heute durch den Antrag Meyer angeregt worden iſt und der vielleicht beſchloſſen wird, ertragen wird. Aber dazu gehört, daß wir den Forde⸗ rungen des Tages gegenüber feſt auf⸗ treten, daß wir uns für den Moment rüſten, wo die endgültige Belaſtung 45 nicht ſagen: hereinbrechen, ſondern auf uns zukommen wird, d. h., daß wir das, was heute zu tun nötig iſt, auch wirklich tun, dazu die Energie und Entſchlußkraft haben und es nicht verſchieben. In dieſem Sinne, glaube ich, wird es die Bürgerſchaft verſtehen, wenn wir ſie heute mit einer Erhöhung der Laſten nicht verſchonen können. Sie ſoll dazu dienen, uns ſchnell einen beſſeren Tag herbeizuführen, deſſen Morgenröte uns hoffentlich recht bald aufgehen wird. (Lebhafter Beifall.) Stadtv. Dr Liepmann: Meine Herren! Sie werden verſtehen, wenn ich den vorgelegten Etat in meinem und meiner Freunde Namen nicht mit beſon⸗ derer Genugtuung begrüße; Sie werden ferner ver⸗ ſtehen, wenn ich mich der Kritik, die der Herr Vorred⸗ ner ſoeben beim Schluſſe ſeiner Rede über unſere bis⸗ herige Finanzpolitik geübt hat, nicht vollkommen anſchließen kann. Der Herr Vorredner hat mich zwar ſchon vorher auf Aeußerungen des Mißfallens vorbereitet, wenn ich mich etwa erdreiſten ſollte, hier als ein „zurückgewandter Prophet“ aufzutreten, um auf die Kritik der früheren Finanzgebarung einzu⸗ gehen. Ich will Ihnen aber gleich ſagen, daß mir dieſe Abſicht fern liegt. Trotzdem hat er mich durch ſein Lob auf die frühere Ueberſchußpolitik herausge⸗ fordert, Ihnen in kurzen Worten zu ſagen, daß ich nicht die Ueberſchußpolitik, ſondern die Sparſam⸗ keitspolitik für die richtige halte, und daß wir auch ohne Krieg ſchon im Jahre 1913 auf Grund der bisherigen § inanzgebarung ein Defizit gehabt haben, das hätte vermieden werden können und ſollen. Nun, meine Herren, möchte ich trotzdem meiner hohen Befriedigung darüber Arsdruck geben, daß die von uns leider ſo oft vergeblich empfohlene Spar⸗ ſamkeit in dieſem Etat durch den Magiſtrat befolgt worden iſt. Sie iſt und konnte allerdings nur in⸗ ſoweit befolgt werden, als das bei den Fumdamenten möglich war, auf denen nach einer lange geübten ſtädtiſchen Finanzpolitik, die weit in frühere Zeiten zurückreicht, unſere ſtädtiſchen Einrichtungen aufge⸗ ſcaut ſind, und ſoweit dabei überhaupt eine ſparſame Wirtſchaft in Frage kommen konnte. Wenn wir zu einer ſo ſtarken Erhöhung unſerer Belaſtung gelangt ſind wie jetzt, ſo konn man mit Recht darauf hinweiſen, daß ein beträchtlicher Teil der Gründe in den anormalen Zuſtänden liegt, in denen wir uns in den letzten anderthalb Jahren be⸗ funden haben: in der Teurung, in der Not des Krie⸗ ges, die es zu lindern galt. Wie ich vorhin aber ſchon ſagte, ſehen wir arch ein gut Teil der Veran⸗ laſſung in dem Steigen der Ausgaben in weit zu⸗ rücktiegender Zeit. Ich will dabei nur an unſere ſtädtiſcherſeits erbauten Theater und an die teure Errichtung unſerer Kranken häuſer er⸗ innern. In dieſer Beziehung möchte ich Ihnen aus der Sitzung der Staatshaushaltskommiſſion des Ab⸗ geordnetenhauſes vom 18. Februar d. I. mitteilen, was vielleicht noch nicht bekannt ſein wird, daß der Herr Miniſter des Innern durch ſeinen Vertreter, Herrn Miniſterialdirektor Kiichner, ausführen ließ, er ſei auch heute noch gemäß dem Erlaß des Miniſters von Dallwitz vom 14. November 1913 der Anſicht, daß ein Krankenbett durchſchnittlich nicht mehr als 3000 bis 4500 ℳ koſten ſollte. Bei uns koſtet es der Kriegswirtſchaft auf uns, ich will 10 000 ℳ und mehr. Er ſetzte allerdings hinzu: