Sitzung am §. März 1916 47 gebunden ſind, in der jetzigen Kriegszeit nur gemein⸗ ſchaftlich derartige Anträge zu ſtellen. Hätten wir ge⸗ wußt, daß eine derartige Abrede nicht als verbindlich angenommen wird, dann wären wir mit einem ähn⸗ lichen Antrag ebenfalls hervorgetreten. Meine Herren, uns genügt nun aber nicht allein dieſes Zeichen der Anerkennung der Not des Haus⸗ beſitzes, ſondern wir hätten gern, obgleich die Mittel dafur nach dem Etat ja ſehr knapp bemeſſen ſind, auch in anderer Weiſe dem Hausbeſitz eine Erleichterung verſchafft. Das wünſchen wir um ſo mehr, als ja der Erlaß der Umſatzſteuer zunächſt nicht dem Beſitzer, ſondern dem Hypothekengläubiger zugute kommen wird. Da möchten wir Ihrer Erwägung unterbreiten, ob es nicht angängig wäre, bei der Kanaliſationsge⸗ bühr um ¼ % herabzugehen, daß wir alſo ſtatt 1,15 % nur 1,05 % des Gebärdeſteuernutzungswertes erheben. Ich glaube, das geht ganz leicht. Wir haben einen Reſervefonds von ca. 160 000 ℳ. Dieſen Re⸗ ſervefonds werden wir nicht parat halten müſſen, wie wir das im Jahre 1913 mußten, weil wir dem un⸗ günſtigen Ausgang eines großen Prozeſſes mit der Stadt Berlin entgegenſehen mußten, der uns mehrere 100 000 ℳ gekoſtet hat. Wenn Sie um dieſes 0,1 % ermäßigen, ſo würde das ca. 108 000 ℳd ausmachen. Würde um dieſen Betrag dann der Reſervefonds ge⸗ kürzt, ſo würden wir immer noch 50 000 ℳ haben, und ich glaube wohl, daß das für ein Kriegsjahr genug ſein dürfte. Wir werden Ihnen alſo im Ausſchuß einen derartigen Antrag unterbreiten. Dann, meine Herren, glauben meine Freunde, daß bei den Ermittelungen nach einer neuen Steuer⸗ quelle zu unterſuchen wäre, ob es ſich nicht empfichlt, die Filialſteuer einzuführen, wie ſie in Stealitz ſeit dem Jahre 1913 mit gutem Erfolg und insbe⸗ ſondere mit gutem finanziellen Ertrage beſtehen ſoll. Während die Gewerbeſteuer in Steglitz noch im Jahre 1913 nur. 80 000 ℳ, glaube ich, einbrachte, iſt der Ertrag im folgenden Jahre nach der Einführung der Filialſtener auf 150 000 ℳ aeſtiegen. Wenn Sie Steglitzer Verhältniſſe mit den hieſigen vergleichen, ſo werden Sie mir wohl Recht geben, wenn ich ſaae, daß man bei einer gleichen Anwendung dieſer Steuer mehrere 100 000 ℳ aus den in Charlottenburg be⸗ triebenen Filialgeſchäften würde herausbekommen können. Damit würde man die Charlottenburger Be⸗ triebe und den Charlottenburger Handel aeoenüber dem Eindringen von Filialen ſchützen, die doch mei⸗ ſtens Berliner Großbetrieben angegliedert ſind. Die Befürchtung, die bei manchen Ladenvemmietern beſteht, daß durch ſolch eine neue Beſteuerung das Vermieten ihrer Ränmlichkeiten erſchwert oder weniger einträa⸗ lich gemacht wird, ſcheint mir übertrieben. Denn ob der Berliner Großhändler, ob der Berliner Fabrikant hier in Charlottenburg einige 100 % Steuern mehr oder weniger bezahlt, das wird für die Frage nicht in Betracht kommen, ob er ſeine Filiale hier beſtehen läßt oder mit Verluſt der hineingeſteckten Unkoſten wieder einziehen ſoll. Dagegen werden ſowohl die An⸗ geſtellten wie die Charlottenburger Handeltreibenden Vorteil von einer derartigen Steuer haben. Schließlich, meine Herren, möchte ich noch auf eine Anreaung hinweiſen, die mein Fraktionsfreund Dr Byk ſchon vor zwei Jahren, glaube ich, aegeben hat, das iſt die Frage der Erhöhung des Schul⸗ geldes bei den höheren Lehranſtalten. Das Schulgeld bei den höheren Lehranſtalten iſt im Vergleich zu dem Schulaeld in den Nachbarorten im allgemeinen bedeutend niedriger. Wenn Sie für jeden Knaben und für jedes Mädchen jährlich das Schul⸗ geld nur um 20 ℳ erhöhen, ſo würden Sie eine Mehr⸗ einnahme von über 120 000 ℳ erzielen können, nach meiner Anſicht aber dadurch weder eine unbillige Härte herbeiführen, noch einen Wegzug von Charlot⸗ tenburg veranlaſſen, oder den Zuzug in irgend einer Weiſe vermindernd beeinfluſſen. 2lle dieſe Vorſchläge und Erwägungen werden ſorgfältig mit einem Blick auf die weitere Zukunft und auf die Belaſtungen gemacht werden müſſen, die uns in Preußen und im Reiche auferlegt werden. Dieſe Belaſtungen werden uns nach den Entwürfen, die vorläufig der Finanzminiſter und der Reichsſchatz ſekretär vorgelegt haben, dem Volke keine geringen Aufwendungen zumuten. Wir werden deshalb im Ausſchuß den Etat nach den von dem Herrn Vor⸗ redner ſowohl wie von mir angedeuteten Richtungen prüfen und zuſehen müſſen, wo es angängig iſt, Er⸗ leichterungen zu ſchaffen. Das wird uns aber nicht abhalten, das laſſen Sie mich ſagen, meine Herren, alles das zu bewilligen, was nötig iſt, und das in der Ueberzeugung zu tun, daß in Charlottenburg noch ſtarke Steuerquellen beſtehen, die auch, wenn es not⸗ wendig iſt, noch mehr herangezogen werden können, als ihnen bis jetzt zugemutet wird. Wir werden das tun, um der Not und dem Elend, die ſich ja in der Kriegszeit leider vergrößert haben, zu ſteuern, um nicht nur bei der Bevölkerung, die hier geblieben iſt, ſondern auch bei ihren Angehörigen draußen an der Front die gute, ſiegesgewiſſe Stimmung zu erhalten. Wir ſind zu allen Opfern bereit, die notwendig ſind, um zu einem ehrenvollen, ſiegreichen Frieden mit den⸗ jenigen realen Garantien zu gelangen, die nötig ſind, um uns davor zu bewahren, daß wieder von den be⸗ nachbarten Nationen gegen uns ein derartiges Keſſel⸗ treiben vetanſtaltet wird, wie es bis zum Jahre 1914 zeſchehen iſt. (Bravo!) Stadtv. Hirſch: Meine Herren! Dem Dantk, den der Herr Vorſteher dem Herrn Kämmerer für ſeine lichtvollen Ausführungen abgeſtattet hat, ſchließe ich mich namens meiner Freunde an. In ſachlicher Beziehung allerdings weiche ich in einer ganzen Reihe von Punkten von dem Herrn Kämmerer ab. Ich gebe ohne weiteres zu, daß es bei der ganzen Unſicherheit der Zukunft augenblicklich äußerſt ſchwer iſt, einen Etat aufzuſtellen, der auch nur annähernd der Wirklichkeit nahekommt. Wir ſind weit mehr als in normalen Zeiten auf Schätzungen angewieſen, und der Herr Kämmerer hat ja auch gar kein Hehl daraus gemacht, daß eine ganze Reihe von Poſitionen auf Schätzungen beruhen. Wenn der Etat ſchon in nor⸗ malen Zeiten durch die Schwankungen unſeres wirt⸗ ſchaftlichen Lebens beeinflußt wird, ſo iſt das ſelbſt⸗ verſtändlich in Zeiten kriegeriſcher Ereigniſſe in weit höherem Maße der Fall. Aus dieſem Grunde wird man den ſtrengen Maßſtab der Kritik, den man ſonſt an den Etat anzulegen gewohnt iſt, in dieſem Jahre nicht anlegen können. Ich beneide den Herrn Vertreter des Magiſtrats um den Optimismus, den er zur Schau getragen hat. Leider bin ich nicht ſo optimiſtiſch wie er, ſondern ich fürchte, daß viele Einnahmepoſitionen erheblich hinter dem Voranſchlag zurückbleiben und daß umgekehrt eine große Zahl von Ausgabepoſitionen den Voran⸗ ſchlag weit übertreffen werden. Es iſt allerdings möglich, daß ich zu peſſimiſtiſch urteile, da auch ich genau wie jeder einzelne von uns nur auf Vermutun⸗