Sitzung am 8 März 1916 Ich glaube, dieſe Vorſchriften werden ſich bei Be⸗ endigung des Krieges ſchwer rächen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten!) Meine Herren, als der Krieg ausbrach, haben wir uns damit einverſtanden erklärt, daß das Woh⸗ nungsamt in Charlottenburg ſeine Tätigkeit zum größten Teile einſtellte. Wir alle waren uns vielleicht der Tragweite dieſes Beſchluſſes nicht be⸗ wußt; ich kann das wohl von mir und meinen Freun⸗ den ohne weiteres zugeben. Wir haben damals in Ueberſtürzung gehandelt, wie wohl die meiſten bei Ausbruch des Krieges gehandelt haben. Ich glaube, es hat ſich jetzt aber doch wohl gezeigt, daß es wün⸗ ſchenswert geweſen wäre, wenn das Wohnungsamt ſeine Tätigkeit nach wie vor entfaltet hätte, und ich möchte wünſchen, daß die Funktionen des Wohnungs⸗ amtes ſobald wie möglich wieder in Kraft treten. Meine Herren, bevor ich nun auf die Frage der neuen Einmahmequellen eingehe, geſtatte ich mir ein Wort an meinen verehrten Herrn Vorredner. Herr Kollege Dr Liepmann iſt hier gewiſſermaßen als Mädchen aus der Fremde erſchienen, nur mit dem Unterſchied, daß er nicht jedem, ſondern nur einigen eine Gabe, allerdings eine ſehr beſcheidene Gabe ge⸗ bracht, dafür aber anderen um ſo mehr zu nehmen verſucht hat. Ich verſtehe ja das Beſtreben des Herrn Kollegen Dr Liepmann, allerhand neue Steuern zu ſuchen, und ich habe mich, als ich ſeine Vorſchläge hörte, gewundert aß er nicht noch weitere gemacht hat. Ich wartete jeden Augenblick darauf, daß er uns auch die in irgendeinem Vorort kürzlich einge⸗ führte Katzenſteuer oder auch die Pferdeſteuer, die noch in einem Orte Deutſchlands beſteht, zur Nach⸗ ahmung empfehlen würde. Das, was Herr Kollege Dr Liepmann vorge⸗ ſchlagen hat, iſt doch eigentlich herzlich unbedeutend, ſoweit unſer Etat in Frage kommt. Er regte eine Herabſetzung der Kanaliſationsgebühren um ¼% an. Meine Herren, berechnen Sie einmal, was das ausmacht. Das macht ſelbſt für ganz große Objekte herzlich wenig, ein paar Mark aus. Und glauben Sie wirklich, daß damit den Hausbeſitzern ſo geholfen würde, daß wir zu dieſem Zwecke erſt unſere Steuer⸗ ordnung ändern, die Genehmigung der Regierung einholen und wer weiß wie viele Schreibereien darauf verwenden ſollten? Ich glaube, es lohnt ſich wirklich nicht der Mühe. Die Hausbeſttzer würden ſich wahr⸗ ſcheinlich, wenn der Vorſchlag des Herrn Kollegen Dr Liepmann angenommen würde, bitter darüber beſchweren, daß er ihnen ein paar Pfennige geſchenkt hat; denn mehr iſt es im Grunde genommen nicht. Für die Einführung einer Filialſteuer wird ſich, hoffe ich, außer Herrn Kollegen Dr Liepmann hier im Saale niemand finden. Ebenſo hoffe ich, daß ſeine Anregung, die Schulgelder zu erhöhen, von keinem einzigen, auch nicht einmal von ſeinen eigenen eunden befolgt werden wird. Herr Kollege Liepmann meinte allerdings, Charlottenburg hätte noch ſtarke Steuerquellen, die erſchloſſen wer⸗ den können. Ja, er hat nur vergeſſen, uns dieſe Steuerquellen zu nennen. (Stadtv. Dr Liepmann: Die Einkommen⸗ ſteuer!) die haben Sie nicht zu nennen ver⸗ 22 Ga recht, 4. gleichzeitig darauf hinge⸗ geſſen; Sie haben aber 49 wieſen, wie koloſſal durch die neuen Steuern im Reich und im Staate die Einkommen fortan be⸗ laſtet werden. (Stadtv. Dr Liepmann: Sehr wahrl) Daraus kann man wohl ſchließen, daß Sie zwar in der Theorie die Einkommen höher heranziehen wol⸗ len, daß Sie aber in der Praxis, wenn ich z. B. vor⸗ ſchlagen würde, einen Zuſchlag von 250% zu er⸗ heben — ich mache dieſen Vorſchlag nicht —, dieſen Vorſchlag auf das heftigſte bekämpfen würden. Stadtv. Dr Liepmann: Ich würde ihn nur im alleräußerſten Falle annehmen!) — Na alſo, vielleicht einigen wir uns dann. Meine Herren, wie ſoll nun der Etat balan⸗ ziert werden? Der Herr Kämmerer wies darauf hin, daß die Deckung des Defizits durch Steuerzuſchläge allein nicht möglich ſei, einmal deswegen, weil die Zuſchläge dann zu ungeheuerlich werden würden, und zweitens, weil eine Einigung zwiſchen den Groß⸗ Berliner Gemeinden nicht zu erzielen ſei. die Einigung mit den Groß⸗Berliner Gemeinden haben wir von jeher das allergrößte Gewicht gelegt. Aber die Einigung iſt auch jetzt nicht zu erzielen. Wenn das, was in den Zeitungen ſteht, richtig iſt, wird Berlin, trotzdem eine Reihe weſtlicher Vororte 170% erheben will, nicht ſo weit gehen, ſondern nur 160% erheben. Alſo die Uebereinſtimmung, die zweifel⸗ les ſehr wünſchenswert wäre, iſt bisher niemals, auch in dieſem Jahre nicht, erzielt worden. Aber ich gebe zu, daß bereits Fortſchritte in dieſer Be⸗ ziehung gemacht ſind. Zweitens ſagt der Herr Kämmerer, daß die Zu⸗ ſchläge ſo hornend wären. Das iſt doch nur relativ zu verſtehen, horrend im Vergleich zu den Zuſchlä⸗ gen, die wir bisher in Groß⸗Berlin haben, aber nicht horrend im Vergleich zu den Zuſchlägen, die im Durchſchnitt in Preußen erhoben werden. Meine Freunde ſind ſich über ihre Stellung zu den Steuerzuſchlägen noch nicht klar geworden; wir wiſſen nicht, wie hoch wir in der Bewilligung der Steuerzuſchläge gehen können; das wird ja auch im weſentlichen davon abhängen, welche endgültige Ge⸗ ſtalt der Etat erfährt. Aber darin ſind wir einig, daß wir grundſätzlich fordern müſſen, daß die Aus⸗ gaben im weſentlichen durch divekte Zuſchläge zur Einkommenſteuer ge⸗ deckt werden müſſen. Das iſt die einzig gerechte Steuer, und wenn dadurch auch der einzelne belaſtet wird, ſo fällt das nicht allzu ſehr ins Gewicht; denn die Laſt trifft ja, da unſere Staatseinkommenſteuer progreſſiv geſtaltet iſt, im weſentlichen nur diejenigen, die wirklich zahlen können, und die Furcht, der früher immer Ausdruck gegeben wurde, daß die Beſitzen⸗ den aus Charlottenburg wegziehen und andere Vor⸗ orte aufſuchen würden, darf, glaube ich, für uns nicht maßgebend ſein. Gewiß wird der eine oder andere Charlottenburg den Rücken kehren; aber wir dürfen uns dadurch nicht abhalten laſſen, das zu tun, was wir zu tun für notwendig halten. Der Magiſtrat iſt nun dieſen Weg nicht ge⸗ gangen, d. h., er hat die Einkommenſteuerzuſchläge nicht ſo erhöht, um das ganze zu erwartende Defizit damit zu decken, ſondern er ſchlägt daneben noch eine Erhöhung der Gaspreiſe vor, und zwar eine Erhöhung, die recht beträchtlich iſt. Auch da⸗