Sitzung am 8. März 1916 Erhöhung der Pflegeſätze für notwendig hält, mit einer beſonderen Vorlage an die Verſammlung gekom⸗ men wäre. Das hätte ſchon lange, ſchon vor Wochen geſchehen können. Wir hätten die Vorlage heute be⸗ reits verabſchiedet haben können, und unſere Etat⸗ beratung wäre dann weſentlich vereinfacht worden. So aber iſt es nicht ausgeſchloſſen, daß wir vielleicht eine ganze Sitzung des Etatausſchuſſes lediglich mit dieſer einen Frage zubringen müſſen, und dann weiß ich nicht, ob wir auch bei noch ſo gutem Willen und bei Anſtrengung aller unſerer Kräfte imſtande ſein werden, den Wunſch des Magiſtrats zu erfüllen und am 21. bereits den Etat zu verabſchieden. Soviel formell über die Frage der Erhöhung der Verpflegungsſätze. Was die ſachliche Seite betrifft, ſo muß ich mich auf das entſchiedenſte dagegen erklären, daß man in der jetzigen Zeit zu einer ſo gewaltigen Erhöhung ſchreitet. Ich kann da auf lange Aus⸗ führungen verzichten, ſondern mich lediglich auf das berufen, was der Magiſtrat in einer ſeiner früheren Vorlagen ſelbſt ausgeführt hat. Es war das die Vor⸗ lage vom Jahre 1900. Damals war eine Reihe von Gemeinden — wenn ich nicht irre, auch Berlin — da⸗ zu übergegangen, die Verpflegungsſätze in den Kran⸗ kenanſtalten zu erhöhen. Der Magiſtrat hat damals den vernünftigen Standpunkt eingenommen, ſich gegen eine Erhöhung der Verpflegungsſätze für die Charlottenburger Einwohner zu erklären, er hat ſich damit begnügt, nur eine Erhöhung der Sätze für aus⸗ wärtige Kranke zu verlangen. Er ſagte in ſeiner Be⸗ gründung, daß er von weiteren Maßnahmen abge⸗ ſehen hat, einmal um die Krankenkaſſen nicht zu ſehr zu belaſten, andererſeits mit Rückſicht darauf, daß es ſich im übrigen zumeiſt um wenig bemittelte Perſonen handelt, die eine Steigerung der von ihnen zu decken⸗ den Kurkoſtenſchuld ſchwer drücken würde. In der Be⸗ gründung der damaligen Vorlage heißt es ausdrücklich, daß die Feſtſtellung der Kurkoſtenſätze nicht lediglich vom finanziellen Standpunkt aus erfolgen dürfe. Nun aber ſcheint es mir doch, als ob der Magiſtrat in die⸗ ſem Jahre den finanziellen Standpunkt allzuſehr in den Vordergrund rückt. So viel kann man natürlich niemals erheben, wie die Selbſtkoſten ausmachen. Aber ich meine, es iſt durchaus nicht nötig, daß man einen ſo erheblichen Teil der Selbſtkoſten auf dieſe Weiſe deckt, und ich habe den Eindruck, als ob der Magiſtrat zu ſeinem Vorſchlag erſt gekommen iſt, als er auf der Suche war, wie und durch welche Mittel es möglich wäre, den Etat zu balanzieren, denn ſonſt hätte er uns doch vielleicht eine beſondere Vorlage ge⸗ bracht. Jedenfalls ſind meine Freunde nicht geneigt, der vom Magiſtrat erhöhten Taxe für die Kranken⸗ hausverpflegung zuzuſtimmen. Das gleiche, was ich von den Verpflegungs⸗ ſätzen geſagt habe, gilt auch in einem gewiſſen Um⸗ fange von der beabſichtigten Erhöhung der Schulgelder für die Schüler der Fort⸗ bildungsſchulen. Auch hier hätten wir ge⸗ wünſcht, wenn es ſich auch nicht um eine Frage von ſo weittragender Bedeutung handelt, daß der Magiſtrat uns vorher eine Vorlage unterbreitet hätte. Daß die Kriegsausgaben nicht auf den Etat übernommen ſind, entſpricht ja einem Beſchluſſe der Stadtverordnetenverſammlung. Ich glaube, wir haben keinen Grund, an dieſem Beſchluſſe erwas zu ändern. Es handelt ſich um große Summen, die bis⸗ vmn verausgabt ſind. Der Herr Kämmerer hat darauf ingewieſen, daß die Steigerung einen progreſſiven Charakter hat. Das iſt durchaus kein Wunder. Ein⸗ 51 mal nimmt die Zahl der Einberufenen von Monat zu Monat zu, und zweitens müſſen auch die Unter⸗ ſtützungen entſprechend der gewaltigen Steigerung der Lebensmittelpreiſe frtgeſetzt erhöht werden. Alſo wir dürfen uns nicht darüber wundern, daß die Ausgaben eine ſolche Steigerung erfahren haben. Ja, ich fürchte ſogar, daß die Progreſſion in den nächſten Monaten noch erheblich ſtärker ſein wird. Aber, meine Herren, wenn die Ausgaben auch noch ſo hoch ſind, zu viel können wir für die Kriegerfamilien nicht ausgeben. Es iſt hier von verſchiedenen Rednern unſeren vor dem Feinde ſtehenden Kriegern Dank und Anerken⸗ nung ausgeſprochen worden. Auch wir ſchließen uns dieſem Dank und dieſer Anerkennung an. Aber wir ſollen es nicht bei Worten bewenden laſſen, ſondern den Worten müſſen die Taten folgen. Wir als Ver⸗ treter der ſtädtiſchen Körperſchaften können ihnen unſern Dank am beſten dadurch abſtatten, daß wir alles tun, um von ihren Familien die Sorge zu nehmen, und zu verhindern, daß ihre Familien in Not und Elend verſinken. Stadtv. Bernhard: Meine Herren! Ich habe nicht den Auftrag und auch nicht die Hoffnung, im Namen einer großen Anzahl meiner Freunde zu ſprechen. Aber ich halte gerade dieſen Etat für ſo wichtig, daß ich nicht umhin kann, meinen perſön⸗ lichen Standpunkt darzulegen, der in manchen weſentlichen Dingen von dem allgemein hier vorge⸗ brachten abweicht. Auch ich bin der Anſicht, daß dieſer Etat wie jeder Etat aus indirekten Geſichtspunkten heraus be⸗ urteilt werden muß, die aus den vorangegangenen Etats und aus der Wirkung eines Budgets auf die künftigen gewonnen ſind. Doch ich möchte darauf aufmerkſam machen, daß gewiſſe Ausführungen des ſehr verehrten Herrn Kämmerers den Eindruck er⸗ wecken könnten, als ob manche Erſcheinungen frühe⸗ rer Etats uns heute zu einer ganz beſonders ängſt⸗ lichen Bedachtſamkeit veranlaſſen müßten. Der Herr Kämmerer hat geſagt: man kann jahrelang eine Ueberſchußwirtſchaft treiben, aber man darf nicht ebenſo viele Jahre lang eine Defizitwirtſchaft treiben. Das iſt natürlich an und für ſich etwas durchaus Richtiges. Wir ſtehen jedoch in Charlottenburg gar nicht vor der Tatſache, jahrelang eine Defizitwirt⸗ ſchaft getrieben zu haben. Wenn der Herr Kämme⸗ rer insbeſondere auf das Defizit des Jahres 1914 und des Jahres 1915 hingewieſen hat, mit insgeſamt zwiſchen 3 Millionen und 3½ Millionen, ſo ſind das Kriegsdefizits, und es kann für uns natürlich niemals die Sorge in Frage kommen, dieſe Defizits der Jahre 1914 und 1915 irgendwie regulär etats⸗ mäßig zu decken. Das Defizit dieſer bei⸗ den Jahre iſt durch den Krieg hervor⸗ gerufen. Es handelt ſich hier meines Erachtens genau ſo gut um Kriegskoſten wie bei jener Kriegs⸗ rechnung, die nach dem Beſchluſſe der ſtädtiſchen Kör⸗ perſchaften neben dem normalen Etat als beſondere Rechnung herläuft. Die Sorge, dieſe Deftzits zu decken, wird nach meiner Anſicht erſt an uns heran⸗ treten, wenn wir uns mit der allgemeinen Kriegs⸗ defizitsdeckung zu beſchäftigen haben werden. Wir ſind uns ſicher darüber klar, daß das geſamte Defizit des Krieges nur wird gedeckt werden können durch die vom Herrn Kämmerer ſchon in Ausſicht geſtellte Kriegsanleihe. Wir ſind uns aber weiter klar dar⸗ über, daß das erhebliche Plus an Zinſen, das aus den Kriegsanleihen den ſtädtiſchen Etat belaſten wird,