52 wahrſcheinlich auch nicht ſo ohne weiteres mit den⸗ jenigen Mitteln wird in Ordnung gebracht werden können, die der ſtädtiſchen Finanzwirtſchaft bisher zur Verfügung ſtanden. Ich glaube vielmehr, daß einmal bei dem großen Reinemachen, bei der großen Regelung der finanziellen Beziehungen des Reiches, der Bundesſtaaten und der Kommunen, die nach dem Kriege wird eintreten müſſen, ganz ſelbſtverſtändlich der Rahmen des Kommunalabgabengeſetzes für die Finanzwirtſchaft der Städte als zu eng befunden und daß man deshalb den Städten ganz andere Ein⸗ nahmequellen zuweiſen wird, als es bisher der Fall war. Ich bin deshalb der Anſicht, daß uns die Rege⸗ lung der Verhältniſſe aus dem Kriegsdefizit ſchon jetzt Sorgen irgendwelcher Art nicht machen ſollte. Etwas ganz anderes iſt es natürlich, ob man gewiſſermaßen mit ſolchem Defizit im Rücken ſich nicht ganz beſonders bemüht, den Etat, wie der Herr Kämmerer mit Recht geſagt hat, beſonders zu durch⸗ lenken und zu überlegen und wenn irgend möglich dafür Vorſorge zu treffen, daß nun die Zahl der Defizitjahre ſich nicht mehr vermehrt. Allerdings muß ich ſagen, ich habe die Empfindung, daß, wenn die Anſätze in dieſem Etat in den Ausgaben einiger⸗ maßen ſtichhaltig ſind — wofür ich mich nicht feſt⸗ legen kann und wofür ſich anſcheinend nicht einmal der Herr Kämmerer feſtlegen will —, die Einnahmen ſo ausgezeichnet „opt i miſt iſch“ bemeſſen wor⸗ den ſind, daß an ein Defizit aller Vorausſicht nach nicht zu denken ſein wird. Dabei habe ich allerdings einen etwas anderen Optimismus im Auge als den, den der Herr Kämmerer uns hier vorgeführt hat. Ich bin nämlich der Anſicht, daß der Optimismus des Herrn Kämmerers aus dem Etat nicht recht er⸗ ſichtlich iſt, ſondern dieſer Optimismus ſteckt ſehr zwiſchen den Zeilen des Etats, er beruht weſentlich auf der peſſimiſtiſchen Schätzung der Einnahmen aus der Einkommenſteuer. Der Herr Kämmerer ſcheint mir mit Recht optimiſtiſch genug zu ſein, um zu hoffen, daß ſein Peſſimismus in der Schätzung dieſer Einnahme nicht gerechtfertigt ſein wird. Ich gebe zu, daß das wirkliche Aufkommen aus der Ein⸗ kommenſteuer heute von niemandem vorausgeſagt werden kann. Das iſt zweifellos. Aber es gibt im⸗ merhin doch gewiſſe Anhaltspunkte, die man für oder gegen eine Meinung ins Feld führen darf. Der Herr Kämmerer hat als Anhaltspunkt dafür, daß das Steuerſoll des Einkommens für das Jahr 1916 gegenüber dem Jahre 1915 einen degreſſiven Charakter tragen wird, aus der Broſchüre der Dresdner Bank einen Satz herausgegriffen, der das Ergebnis der Aktiengeſellſchaften im Geſchäftsjahr 1914¹5 verwertet. Dieſe Geſellſchaften haben eine Dividende von nur 6,48% gegen 8,37% verteilt. Nun möchte ich dem Herrn Kämmerer doch ſagen, daß er da wirklich „optimiſtiſch“ im Sinne ſeiner Intereſſen geſchätzt hat. Denn er konnte tatſächlich für das Ergebnis der Aktiengeſellſchaften nichts Un⸗ günſtigeres zugrunde legen als gerade die erſten neun Monate der Kriegszeit. Wer ſich daran erinnert — und wir erinnern uns wohl alle noch jener Zeit —, wie damals alles drunter und drüber ging, wie z. B. gerade die Aktiengeſellſchaften aus Furcht überhaupt keine Dividende verteilten und alles mögliche in Kriegsreſerve ſtellten, wie jeder glaubte, am nächſten Tage bankerott zu ſein —, wer ſich das vor Augen hält, der muß ſich ſagen, daß es ſogar ein Wunder war, daß noch 6,48% an Aktiendividende gegen 8,37% in jener Zeit verteilt worden iſt. (Zuruf: Die Dividende 19151) Seitzung am 8. März 1916 5 5 — Verehrter Herr Kollege, ich bin ja erſt bei 1914, ich komme noch auf das Jahr 1915. — Glücklicher⸗ weiſe haben ſich nun — darüber ſind wir uns alle klar — die wirtſchaftlichen Verhältniſſe in bezug auf die Einkommen des Unternehmer⸗ t u m s überraſchend günſtig entwickelt. Wir wiſſen doch, daß dem Deutſchen Reich bisher Kriegskredite in Höhe von 40 Milliarden bewilligt ſind. Von den 30 Milliarden, die davon bisher ausgegeben worden ſind, haben ſich mindeſtens 25 in irgendeiner Weiſe in Einkommen umgeſetzt. Ich habe die feſte Ueber⸗ zeugung, daß dieſes Einkommen von 25 Milliarden, zu dem auch noch andere Summen hinzukommen, Ddas Minus an Einkommen weſentlich überragt, das an anderer Stelle durch Ausfälle entſtanden iſt. Ich bin der feſten Ueberzeugung — das iſt allerdings eine ganz perſönliche Anſicht —, daß das Jahr 1916 für den preußiſchen Staat an Einkommenſteuerſoll ein Mehr bringen wird. 10, 4 4 4 Allerdings iſt die Frage gerechtfertigt, ob ſich das für die Kommunen im allgemeinen geltend macht und ob insbeſondere die Kommune Charlottenburg daran partizipiert. Dem Herrn Kämmerer gebe ich darin recht: wenn die Aktiendividende im allgemeinen ſo zurückgegangen wäre, wie er annimmt, ſo würde das ein recht bedenkliches Zeichen für Charlottenburg ſein, das ja in der Tat zu ſeinem erheblichen Teil auch ein Rentnerpublikum beſteuert. Glücklicherweiſe iſt aber die Auffaſſung des Herrn Kämmerers darin zu peſſi⸗ miſtiſch. Die Dividenden ſind vielfach ganz erheblich geſtiegen, und nach meiner Meinung wird auch der Dividendendurchſchnitt geſtiegen ſein. (Widerſpruch des Stadtv. D. Frentze 123 Ich ſehe gar nicht ein, warum denn nun gerade die Eharlottenburger Kapitaliſten die ſchlechteſten Aktien beſitzen ſollen. Ich gehe aber weiter und möchte darauf hinweiſen, daß die Renteneinkommen ſo peſſimiſtiſch auch nicht zu beurteilen ſind, wie der Herr Kämmerer es tut. Dieſe Renteneinkommen ſind zu einem nicht unerheblichen Teile ſelbſt da nicht ſo ungünſtig zu beurteilen, wo es auf den erſten Blick gerechtfertigt erſchiene, z. B. bei ruſſiſcher Rente, weil das Publikum vielfach ruſſiſche Rente auf Wegen, die hier zu erörtern zu weit führen und auch nicht ange⸗ bracht ſein dürfte, verkauft und ſeine ertragloſen Werte in ertragreiche, zum mindeſten ertragreichere umge⸗ wandelt hat. Die zweite Kategorie, das Aufkommen an Grund ſteuer, wiwd in der Tat einen Rückgang aufweiſen, obwohl wir ſelbſt ja dieſen Rückgang durch die erheblichen Miet sbeihilfen ſtark vermindert haben, von denen der Herr Kämmerer uns vorhin er⸗ zählte, daß ſie in die Millionen gehen. So vorſichtig man nun aber auch dieſe beiden Gruppen von Ein⸗ kommen bewerten wird, ſo bin ich doch der Anſicht, daß auf der andern Seite das Einkommen aus Unter⸗ nehmungen, aus kaufmänniſchen Erträgniſſen ſehr ſtark und erheblich ſtärker als in früheren Jahren ge⸗ ſtiegen iſt. Nun weiß ich natürlich, daß wir bei ſehr vielen unſerer Steuerzahler — bei allen, die in Ber⸗ lin ihre Geſchäfte haben — da nur mit einem Teile beteiligt ſind. Aber auf dieſen Teil macht ſich die Er⸗ höhung des Einkommens eben bei unſerem Pro⸗ zentteil doch auch bemerkbar. Ich mache namentlich darauf aufmerkſam, daß dieſe gewerblichen Erträge vielfach von Leuten erzielt worden ſind die bis dahin reine Renteneinkommen oder gar Angeſtelltenein⸗ kommen verſteuerten.