Sitzung am 8. März 1916 Ich glaube, daß, wenn man dieſe Verſchiebung der Wirtſchaft in ihrer Geſamtheit betrachtet, man doch wohl ſagen darf, daß die Schätzung, die der Herr Kämmerer aufgeſtellt hat, uns das Mindeſtmaß deſſen angibt, mit dem wir ziemlich ſicher an Ein⸗ kommenſteuer rechnen können. Das iſt, glaube ich, nicht übertrieben. Ich perſönlich bin aber darüber hinaus der Anſicht, daß in Wirklichkeit der Ertrag wahrſcheinlich nicht unerheblich höher ſein wird. Es iſt ja auch noch in Betracht zu ziehen, ob die Annahme zutrifft, von der wir ja wohl augenblicklich ausgehen, daß wir während des ganzen Steuerjahres Krieg haben werden. Darüber hat uns ja auch der Magiſtrat im Dunkeln gelaſſen. (Große Heiterkeit.) Aber einen Fingerzeig in lichtvolle Gefilde hat er uns doch dafür gegeben, daß er der Annahme iſt, daß ſpäteſtens mit dem Schluſſe des Etatsjahres der Krieg beendet ſein wird. Denn in dem Kapitel XIv finde ich 50 ℳ für den Deutſchen Hilfsverein in Paris eingeſetzt. (Heiterkeit.) Ich nehme an, daß der Magiſtrat von der Annahme ausgeht, daß entweder mit dem Ablaufe des Etats⸗ jahres der Krieg beendet ſein wird oder wir dann wenigſtens in Paris eingezogen ſind. (Erneute Heiterkeit.) Nimmt man nun an, meine Herren, daß der Magi⸗ ſtrat in dieſer optimiſtiſchen Auffaſſung der Welt⸗ lage Recht hat, ſo würde jedes Vierteljahr — das wird mir der Herr Kämmerer zugeben —, das uns ſchon den Frieden in dieſes Etatjahr hineinbringen würde, dazu beitragen, gewiſſe Pofitionen erheblich günſtiger zu geſtalten, als es ſonſt der Fall iſt. Ich gebe zu, auch darüber kann man ſtreiten; (Heiterkeit) ich perſönlich bin der Anſicht, daß ſich dadurch viele Dinge günſtiger geſtalten würden. Insbeſondere würden z. B. gewiſſe Rentner ihre jetzt nicht bezahl⸗ ten Kupons bezahlt erhalten, und die Zinſen, die ſie aus fremden Landen jetzt nicht bekommen können, würden eventuell frei werden. (Stadtrat und Kämmerer Schol tz: Das wirkt ja erſt ſpäter!) Aber, meine Herren, ob man nun meiner Anſicht iſt oder nicht, wenn man ſich lediglich auf den Stand⸗ punkt ſtellt, den ich bei Schätzung des Einkommen⸗ ſteuer⸗Einkommens einnehme, ſo wird man aus dieſer Etataufſtellung eine gewiſſe Berechtigung für die Herabſetzung der Gaspreiſe herleiten können. Ich perſönlich halte es für ganz ummöglich, die Bevöl⸗ kerung gleichzeitig mit 170% Einkommenſteuer und mit einer Erhöhung der Gaspreiſe um 3 zu belaſten. Ich bin durchaus nicht etwa grund⸗ ſätzlich gegen eine Erhöhung des Gaspreiſes oder gegen indirekte Steuern. Der Kollege Hirſch hat ge⸗ gt, die direkte Steuer ſei die einzige gerechte Steuer. Ich halte dem Prinzip nach die Einkom⸗ menſteuer und jede direkte Steuer in der Tat für 53 eine dem gerechteſten Steuerprinzip entſpringende S 9 5191 7% „ Stener 51 „oine Steuer. Aber dieſe gerechte Steuer wird zu einer Ungerechtigkeit dadurch, daß ſie allein ſteht. (Sehr richtig!) Sie muß meines Erachtens durch das Dazukommen einer indirekten Beſteuerung auch derjenigen Kreiſe ergänzt werden, die ſonſt zu den Laſten nichts bei⸗ tragen würden. Deswegen würde ich mich grundſätz⸗ lich der Auffaſſumg, daß wir nun auch eine indirekte Beſteuerung einführen müſſen, nicht verſchließen. Aber zunächſt: es läßt ſich doch nicht leugnen, daß jede Steuer in der Regel gau nicht den am härteſten trifft, der am meiſten zu ihr beiträgt, ſondern daß gerade die mittleren und kleineren Beitragszahler diejenigen ſind, die relativ am ſtärkſten die Steuer empfinden. Das iſt ſowohl bei der Erhöhung der Einkommenſteuer der Fall als auch bei der Erhöhung der Gaspreiſe. Ich ſtehe auf dem Standpunkt, daß gerade von den mittleren Klaſſen der Bevölkerung und insbeſondere von denjenigen Mitgliedern der Beamtenſchaft und der freien Berufe, die nicht in der Lage ſind, ihr Einkommen zu vermehren, zweifel⸗ 1os dieſe doppelt höhere Beſteuerung am allermeiſten empfunden wird, und deswegen halte ich ſie gerade für dieſe Kreiſe für eine unerträglich hohe Laſt. (Sehr richtig!) Nun hat der Herr Kämmerer immer geſagt, er will die „Gebühren“ für das Gas erhöhen. Ich habe durchaus nicht dabei den Einduuck gehabt, als ob er „Gebühren“ hier in den finanzwiſſenſchaftlichen Theorie verſtanden wiſſen will. Denn es ſind natür⸗ lich keine Gebühren. Aber es klang unbewußt und da war der Herr Kämmerer gewiſſermaßen ein Finanzpolitiker des Unbewußten, Herr Kollege Frentzel — die Auffaſſung hindurch, als ob das Er⸗ trägnis der Gaswerke nur unter dem Geſichtspunkte der indirekten Steuer betrachtet werden muß. Es iſt ja wohl auch kein Zufall, daß das Mehreinkommen der Gaswerke von etwa 1 Millionen durch die Erhöhung des Preiſes beinahe genau dem entſpricht, was win an Vergaſungsmaterial mehr bezahlen müſſen, und es hat den Anſchein, als ob gewiſſer⸗ maßen hier das Prinzip, wenn auch nicht ſtatuiert, doch gebilligt werden ſoll: wenn die Herſtellung des Gaſes teurer iſt, ſo iſt die Berechtigung oder gar der Zwang gegeben, nunmehr dieſe Verteurung durch Erhöhung des Gaspreiſes mehr zu erheben. Mit Recht hat ſich Herr Kollege Frentzel bereits gegen ſolche Auffaſſung gewandt; denn wenn das üblich werden ſollte, ſo könnte die Bevölkerung dann auch mit Recht in guten Jahren die Aufforderung an uns richten, durch eine Verbilligung der Preiſe das zu⸗ rückzuvergüten, was wir mehr einnehmen. Ich bin der Anſicht, daß wir nur um dasjenige Maß die Gaspreiſe erhöhen dürfen, das uns unbedingt ge⸗ boten erſcheint, unbeſchadet des Reſultates der Gas⸗ werke als Geſchäftsunternehmen. Ich halte da den einen Geſichtspunkt für ſehr wichtig, denn die Herren Kollegen Frentzel und Liepmann bereits erwähnt haben, nämlich den der zukünftigen Wirt⸗ ſchaftlichkeit der Gaswerke. Gegen jede Erhöhung des Preiſes ſpricht ja immer die Gefahr der Entwicklungshemmung, die durch die Verhinde⸗ rung des Fortſchreitens der Zahl der Verbraucher bedingt iſt, oder gar die Gefahr des Abganges zahl⸗