Sitzung am 16. März 1916 wer nicht näher in die Verhältniſſe eingeweiht iſt, muß eigentlich ſagen: der Magiſtrat und die Mit⸗ glieder der Stadtwerordnetenverſammlung ſind doch recht törichte Leute, daß ſie die Steuervorſchläge, die ihnen Herr Dr. Liepmann unterbreitet, nicht an⸗ nehmen; denn das Geld liegt ja nach Herrn Kollegen I)r. Liepmanns Anſicht auf der Straße. Meine Herren, ſolche Steuervorſchläge, wie er ſie macht, können wir nicht annehmen. Er ſchläat u. a. vor, man ſolle einen Automobilfeuerlöſchzug auf Anleihe nehmen. Er ſpart dabei ein paar tauſend Mark. In Wirtlichkeit ſpart er ſie aber nicht, ſondern er belaſtet die Stadt und legt einen Pump an. Dann könnien wir ja weitergehen und ſagen: wir bezahien überhaupt nichts mehr bar. (Sehr richtig!) Dann könnten wir auch bei 100% Steuerzuſchlag bleiben. Eine ſolche Finanzwirtſchaft dürfen wir auf keinen Fall einführen. Ebenſo müſſen wir uns gegen ſeinen Vorſchlag wenden, das Schulgeld zu erhöhen, ein Vorſchlag, der übrigens bereits im Ausſchuß abgelehnt wurde. Es iſt Herrn Kollegen 1). Liepmann dort nachge⸗ wieſen worden, daß ſein Vorſchſag nicht nur finan⸗ ziell gar keinen Effekt hat, ſondern das er auch gerade in der jetzigen Zeit, wo es ſehr vielen Leuten ſchwer fällt, das Schulgeld für ihre Kinder aufzubringen, eine durchaus antiſoziale Maßnahme bedeutet. (Sehr richtig!) Ich hätte nicht gedacht, daß Herr Kollege I)r Liep⸗ mann dieſen Vorſchlag heute aufs neue aufnehmen würde. Nebenbei bemerkt, iſt es ein Irrtum des Herrn Kollegen Dr Liepmann, wenn er ſagt, im Etatsaus⸗ ſchuß wäre ihm keine Gelegenheit gegeben worden, ſeine Vorſchläge zu machen. Etatsausſchuß geſeſſen haben, werden mir zugeben, daß ſie mit Ausnahme ſeiner Anregung betr. den berühmten Automobilfeuerlöſchzug, den wir auf Abzahlung oder gegen Pump nehmen ſollen, heute wirklich nichts Neues von ihm gehört haben. Alles das, was Sie uns heute erzählt haben, haben Sie bereits im Etatsausſchuß hinreichend geſagt, und Sie haben nur zuletzt, nachdem Sie geſehen hatten, daß gar keine Stimmung für Ihre abenteuerlichen Pläne vorhanden wa, erklärt: auf weitere Pläne verzichte ich, — weil Sie ihr Schickſal vorausſahen. Wir haben uns doch auch über die von Ihnen ſo wiel geprieſene Filialſteuer im Etatsauschuß ſehr ein⸗ gebend unterhalten. Aſſo ſagen Sie uns, was eigent⸗ lich neu an Ihrer Rede geweſen iſt. Nicht einmal die Tatſache war neue, daß man, wenn man Char⸗ lottenburg vollkommen im Dunklen läßt, dann auch wieder einige tauſend Mark ſpart. Herr Kollege Dr. Liepmann, das wiſſen wir alle; aber wir ſtehen nicht auf dem Standpunkt, daß wir in die mittelalterlichen Zuſtände zurückkehren ſollten. Wir ſagen nicht: wir Straßen möglichſt dunkel ſollen die Charlottenburger 1 laſſen, ſondern wir meinen, daß wir das tun müſſen, was im Intereſſe der Sicherheit und des Verkehrs geboten iſt. Ich glaube, Sie werden nicht behaupten wollen, daß es in Charlottenbura zu hell iſt. Ihre Ausführungen aben das nicht bewieſen. Vorſteher I)r Fren tze l: Sie ſtellen (Heiterkeit. 5 aalſo beinen Antrag?) Die Herren, die im 61 — Nein, wir werden unſerer Stellungnahme dadurch Ausdruck verleihen, daß wir gegen den Magiſtrats⸗ antrag ſtimmen. Stadtv. Dr. Liepmann (perſönliche Bemerkung): Ich möchte dem Herrn Kollegen Hirſch nur erwidern, daß mehrere der Vorſchläge von mir oder meinen Freunden im Ausſchuß nicht vorgebracht worden ſind, wie z. B. der Automobillöſchzug. Stadtv. Hirſch: Der iſt auch ſo genial!) Dann möchte ich ihm erwidern, daß er ſich irrt, wenn er erklärt, daß mir nicht von führenden Herren in der Ausſchußſitzung erklärt wurde, ſie wollten auf irgendwelche Vorſchläge unſererſeits nicht eingehen und neue Steuern nicht in Erwägung ziehen. Das iſt wohl geſchehen, und daraufhin habe ich erklärt, dann werde ich meine Vorſchläge nicht machen. Ich habe dann die Vorſchläge und Anregungen, die ich gegeben habe, nicht als Vertreter meiner Fraktion, ſondern als Korreferent vorgebracht. (Die Verſammlung ſtellt den Sonderplan Nr. 5 — Gaswerke in Einnahme und Ausgabe nach dem Voranſchlage des Magiſtrats mit den auf Druckſeite 55 und 56 der Vorlagen angegebenen Aenderungen mit großer Mehrheit feſt.) Vorſteher Dr Frentzel: Herr Kollege Hirſch, der uns verlaſſen muß, um im Abgeordnetenhauſe einer Sitzung beizuwohnen, bittet, daß die Kapitel I11 4 und X, für die er Berichterſtatter iſt, vorweggenom⸗ men werden. (Die Verſammlung beſchließt demgemäß.) Wir kommen alſo zu Kapitel I1I 4 — Höhere Lehranſtalten für die männ⸗ liche Jugend. Berichterſtatter Stadtv. Hirſch: Meine Herren! Bei dem Kapitel höhere Lehranſtalten für die männ⸗ liche Jugend hatten wir uns mit einem Antrag zu beſchäftigen, der bereits vorhin von dem Herrn Kol⸗ legen Dr Liepmann erwähnt wurde, das Schulgeld in ſämtlichen Klaſſen um 20 ℳ zu erhöhen. Der An⸗ trag iſt von der Mehrheit des Ausſchuſſes einmal aus ſozialen Erwägungen heraus, dann aber auch aus der Erwägung abgelehnt worden, daß im Falle der Er⸗ höhung des Schulgeldes ſich ſehr viele Eltern ver⸗ anlaßt ſehen würden, ihre Kinder von den höheren Lehranſtalten wegzunehmen, und daß dann der finan⸗ zielle Effekt, der dem Antragſteller vorgeſchwebt hat, nicht eintreten würde. Im Ausſchuß iſt weiter die Rede davon geweſen, ob es möglich iſt, denjenigen Beſuchern höherer Lehr⸗ anſtalten, deren Väter zurzeit im Felde ſtehen und die auf Kriegsunterſtützung angewieſen ſind, Frei⸗ ſtellen in höherem Maße als bisher zu gewähren. Vom Magiſtrat wurde uns erklärt, daß die Militär⸗ verwaltung für derartige Zwecke bereits Fonds zur Verfügung geſtellt hat und daß in faſt allen Fällen die Hälfte des Schulgeldes erlaſſen wird. Aus dieſem Grunde hat ſich der Ausſchuß nicht veranlaßt geſehen, irgendwelche Anträge nach der Richtung hin zu ſtel⸗ len. Die einzige Aenderung, die an dem Etat vor⸗ genommen worden iſt, finden Sie auf Druckſeite 54