Sitzung am 16. März 1916 Stadtv. Katzenſtein: Meine Herren! Der Herr Berichterſtatter hat darauf hingewieſen, daß einiges in den angeſetzten Bewilligungen knapp bemeſſen iſt und es vielleicht notwendig ſein würde, eine gewiſſe Ueberſchreitung einiger Punkte eintreten zu laſſen. Ich möchte dieſe Bemerkung recht energiſch unterſtreichen. Ich beſtreite gar nicht, daß ein Teil der Ausgaben, die ſonſt der Armenverwaltung zur Laſt fallen, durch die Urſachen, die der Herr Berichterſtatter angeführt hat, in Wegfall gekommen iſt und andere Teile auf das Konto der Kriegshilfe übergegangen ſind. Trotz⸗ dem aber ſind die Pflegeſätze, wie ſie hier bewilligt werden, den veränderten Zeiwerhältniſſen gegenüber durchaus unzulänglich. Wir haben im Ausſchuß eine Reſolution beantragt, die wir hier im Plenum nicht wiederholen. Ich halte es aber trotzdem für notwendig, darauf hinzuweiſen, daß es durchaus nötig iſt, bei der Bewilligung von Unterſtützungen der ungeheuren Steigerung der Lebensmittelpreiſe Rechnung zu tragen. Nach der Ueberſicht, die unſerm Entwurf beige⸗ geben iſt, wurden in den Jahren 1911 bis 1913, alſo vor dem Kriege, im Durchſchnitt für die Perſon an laufender Unterſtützung 17,05 ℳ, 17,71 %] und 18,31 ℳ ausgegeben. Dieſer Satz iſt in dem abge⸗ laufenen erſten Halbjahr dieſes Etatsjahres bis auf 18,93 ℳ geſtiegen. Nach dem letzten Bericht der Armenverwaltung iſt der Durchſchnittsſatz heute etwas über 19 ℳ, was im Vergleich mit dem Jahre 1913 eine Steigerung um etwa 3,, % bedeutet. In derſelben Zeit iſt der Betrag der Sonderunterſtützun⸗ gen ganz erheblich zurückgegangen. Er iſt von 1911 bis 1913 von 8,93 ℳ auf 9,24 % geſtiegen und dann ſogar bis auf 8,02 ℳ zurückgegangen. Meine Her⸗ ren, hier ſcheint mir die weiſe Sparſamkeit auf Koſten der ärmſten Opfer unſerer Zuſtände etwas allzu weit getrieben zu ſein. Wir dürfen nicht ver⸗ geſſen, daß die Lebensmittelpreiſe eine Steigerung er⸗ fahren haben, die uns vor wenigen Jahren phantaſtiſch erſchienen wäre. Man hat von fachmänniſcher Seite berechnet, daß ſich der Durchſchnitt der erforderlichen Lebenskoſten ſeit Beginn des Krieges um rund 60 % im Preiſe geſteigert hat. Damit ſteht der Satz, der jetzt bewilligt werden ſoll, durchaus im Mißverhältnis. Es darf nicht ſein, daß in einer Zeit, wo die Not ſo ungeheuer iſt, wo die notwendigſten Lebensmittel wie Gemüſe und anderes zum Teil unerſchwinglich ge⸗ worden ſind, denjenigen, die ſchon vorher nur auf die allerbeſcheidenſten Anſprüche angewieſen waren, jetzt noch ganz weſentliche Beſchränkungen auferlegt werden. Wir haben keinen Antrag geſtellt; ich halte es aber für notwendig, daß die Sparſamkeitspolitik, die auf den verſchiedenſten Gebieten nützlich iſt, hier keinen Platz finden darf, daß es unbedingat notwendig und eine Pflicht der Armenkommiſſionen iſt, den ver⸗ änderten Zeitwerhältniſſen entſprechend bei der Be⸗ 4 der Unterſtützungen weitherziger vorzu⸗ gehen. Stadto. Bergmann: Ich bedaure, daß Herr Kol⸗ lege Katzenſtein aus meinen Ausführungen vorhin nicht die Schlußfolgerung geꝛogen hat, daß ſeinen Wünſchen, die auch den Wünſchen aller entſprechen, unbedingt nachgegangen wird. Ich habe ausdrücklich betont, daß wir bereit ſind, Ueberſchreitungen zuzu⸗ ſtimmen, ſofern ſie ſich als notwendig erweiſen. Wenn Herr Katzenſtein bemängelt, daß die Pfle⸗ geſätze ſetzt nicht höher ſind als früher, ſo hat er wohl leider im Ausſchuß nicht zugehört, als ich ſagte, daß 71 die ſchweren Fälle jetzt im großen und ganzen aus⸗ ſcheiden, weil ja die Kriegshilfskommiſſicnen in den meiſten Fällen dafür eintreten. Wenn er weiter be⸗ mängelt, daß die Sonderunterſtützungen jetzt nicht höher ausfallen als früher, ſo muß ich ihn da auch wieder auf die Kriegshilfskommiſſionen verweiſen; denn neue Fälle kommen meiſtens gar nicht hinzu. Dieſe Sonderunterſtützungen werden von den Kriegs⸗ hiülfskommiſſionen in weitgehendem Maße gegeben. I1id was chließlich die Lebensmittel anbelangt, die jetzt vielfach von den Armenkommiſſionen gegeben werden, ſo verweiſe ich auch auf das, was ich vorhin geſagt habe, daß die Hergabe von Lebensmitteln wohl eine Steigerung erfahren wird. Sie wiſſen, daß man in der Armenverwaltung ſeit einigen Jahren da⸗ zu übergegangen iſt, außer den baren Unterſtützungen auch Lebensmittel zu verabfolgen. Hiervon wird das kann ich Ihnen aus meinen Erfahrungen in der Armendirektion verſichern — der weitgehendſte Ge⸗ brauch gemacht und auch fernerhin gemacht werden. (Die Verſammlung ſtellt Kapitel v Armen⸗ weſen — in Einnahme und Ausgabe nach dem Vor⸗ anſchlage des Magiſtrats unverändert feſt.) Vorſteher Dr. Frentzel: Kapitel vI — Krankenanſtalten. Berichterſtatter Stadtv. Panſchow: Meine Herren! Bei dem Kapitel der Krankenanſtalten hat nur die Erhöhung der Pflegeſätze zu einer Erörterung Veranlaſſung gegeben. Von dem Magiſtrat iſt be⸗ antragt worden, die Pflegeſätze auf 4 % zu erhöhen. Ein Teil der Mitglieder des Ausſchuſſes war anderer Meinung. Namens des Ausſchuſſes muß ich Ihnen die Annahme des Kapitels in der vorgeſchlagenen Faſſung mit der einzigen Aenderung empfehlen, daß beim Waldhaus Charlottenburg unter Abſchnitt 15 1200 ℳ für Möbel und andere Einrichtungsgegen⸗ ſtände für zwei Schweſtern neu eingeſetzt werden. Stadtv. Ahrens: Meine Herren! Ich habe im Auftrage meiner Freunde den Antrag zu ſtellen und bitte Sie, demſelben zuzuſtimmen, daß der Ver⸗ pflegungsſatz in der dritten Klaſſe der Krankenhäuſer nicht auf 4 ℳ, ſondern nur auf 3,50 ℳ erhöht wird. Einzelne Nachbargemeinden, beiſpielsweiſe Schöne⸗ berg und Weißenſee, haben den Verpflegungsſatz nur auf 3,50 ℳ erhöht. In Berlin — ich habe mich bei meinen Freunden erkundigt — ſteht bisher nichts im Etat; man ſcheint dort eine beſondere Vorlage über die Erhöhung der Pflegeſätze ſpäter einbringen zu wollen. Ich kann aber jetzt ſchon ſagen, daß eine ſtarke Strömung gegen die Erhöhung der Pflege⸗ ſätze auf 4 ℳ auch in Berlin vorhanden iſt. Sollte man nachher in Berlin nur auf 3,50 ℳ gehen, dann wären wir in Charlottenburg, da ſchon unſere beiden anderen Nachbargemeinden auf 3,50 ℳ gegangen ſind, mit dem Satze von 4 ℳ iſoliert. Das könnte ſchließ⸗ lich die Krankenkaſſen veranlaſſen, in ähnlicher Weiſe gegen Charlottenburg vorzugehen, wie es vor einigen Jahren in Schöneberg geſchehen iſt. Dort hatte man ſeinerzeit verſucht, die Verpflegungsſätze für Aus⸗ wärtige enorm zu erhöhen. Die Krankenkaſſen, die ja unter ſich vereinigt ſind, hatten beſchloſſen, die Krankenhauskoſten in den unteren Klaſſen nicht mehr zu übernehmen, und Schöneberg hat nach kurzer Zeit kapitulieren müſſen. Ich möchte Sie bitten, meine