88 digen Lebensmitteln hat in den letzten Tagen ſchwere Mißſtände gezeigt, die zu bedauerlichen Ausſchreitungen geführt haben. Welche Mitteilungen darüber kann der Magiſtrat der Stadtverordnetenverſammlung machen, und welche Maßregeln hat er ergrif⸗ fen oder denkt er zu ergreifen, um ſeinerſeits dieſen Mißſtänden nach Möglichkeit abzu⸗ helfen? Charlottenburg, den 8. Mai 1916. Otto, Wöllmer, Meyer, Mosgau, Ruß. Ich möchte an den Herrn Oberbürgermeiſter die Frage richten, wie er dieſe Anfragen zu behandeln wünſcht und ob der Magiſtrat in der Lage iſt, noch in der heutigen Sitzung eine Antwort darauf zu geben. Oberbürgermeiſter Dr. Scholz: Meine Herren! In einem Augenblick, wo unſere Bürgerſchaft wohl mit begreiflicher Spannung einer Erörterung ihrer berufenen Vertreter über die Ereigniſſe der letzten Woche entgegenſieht, halte ich es für unſere Pflicht, dieſe Erörterung nicht nur in aller Offenheit, ſon⸗ dern auch mit möglichſter Beſchleunigung vorzuneh⸗ men. Aus dieſem Grunde erkläre ich mich namens des Magiſtrats gern zur ſofortigen Beantwortung der Anfragen bereit. Vorſteher Dr. Frentzel: Der Antrag lautet fol⸗ gendermaßen: Die Stadtverordnetenverſammlung wolle ſchließen: Der Magiſtrat wird erſucht, 1. nach dem Muſter der ſüddeutſchen Staaten unverzüglich Fleiſchkarten einzuführen; 2. für die Verteilung der ſtädtiſchen Nahrungs⸗ mittel beſondere Verkaufsſtellen zu ſchaffen, in denen unter Ausſchaltung des Handels die Nahrungsmittel unter Leitung und Aufſicht ſtädtiſcher Organe unmittelbar der Be⸗ völkerung zugeführt werden; 3. ſolange und ſoweit ſtädtiſche Verkaufsſtellen nicht eingerichtet ſind, für eine ſchärfere Kon⸗ be⸗ trolle der Ladeninhaber zu ſorgen und zu dieſem Zwecke ſämtlichen Mitgliedern der ſtädtiſchen Körperſchaften und ſonſtigen ge⸗ eigneten Perſonen insbeſondere au Frauen — im Einvernehmen mit der Poli⸗ zeibehörde Ausweiskarten auszuſtellen, die zum Betreten der Läden und zur Kontrolle der Art des Verkaufs berechtigen. Charlottenburg, den 8. Mai 1916. Bade, Dr Borchardt, Gebert, Hirſch, Katzen⸗ ſtein, Klick, Leupold, Peeſch, Scharnberg. Vogel, Wilk, Zaein. Für dieſen Antrag beantragen die Antragſteller die Dringlichkeit. Ich frage, ob gegen die Dringlich⸗ keit der Behandlung Widerſpruch erhoben wird. Das geſchieht nicht; ich kann alſo feſtſtellen, daß wir dieſen Antrag als einen dringlichen auch noch in der heutigen Sitzung behandeln werden. Ich denke, daß wir dieſe beiden Anfragen und den Antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Beſprechung ſtellen, indem ich mir bezüglich der ge⸗ ſchäftsmäßigen Behandlung, der Vereinigung in der Debatte, ebenſo hinfichtlich der Abſtimmung, weiteres Sitzung am 10. Mai 1916 vorbehalte und in der Beziehung auch eventuellen Anträgen entgegenſehe. Wir treten nunmehr in die Tagesordnung ein. Punkt 1: Vorlage betr. Unterſtützungen aus den Stiftungen für Hinterbliebene von Beamten, Privatdienſtver⸗ pflichteten und Arbeitern. — Druckſache 50. Stadtv. Dr Byk: Im Namen meiner Freunde gebe ich die Erklärung ab, daß wir für die Vorlage eintreten werden; wir ſtellen jedoch den Antrag, die neue Einrichtung nur auf drei Jahre gelten zu laſſen. Wir ſind der Meinung, daß man verſchie⸗ dener Anſicht darüber ſein kann, ob es richtig und zweckmäßig iſt, die drei Stiftungen ſozuſagen in einen Topf zuſammenzuwerfen. Zutreffendenfalls hätte es eigentlich keinen rechten Sinn mehr, die ein⸗ zelnen Stiftungen noch beſtehen zu laſſen, ſondern man könnte ſie dann einheitlich benennen; aber wäh⸗ rend des Krieges und wohl auch in der erſten Zeit des Friedens dürfte es zweckmäßig ſein, es ſo zu halten, wie es der Magiſtrat vorſchlägt. Wenn aber der Krieg zu Ende ſein wird, dann ſollte es der Stadtverordnetenverſammlung doch wieder vorbe⸗ halten ſein, darüber zu beraten, ob der bisherige Zu⸗ ſtand weiter beſtehen oder der heute eventuell einzu⸗ führende fortgeſetzt werden ſoll. Aus dieſem Grunde ſtellen wir den Antrag, dieſe Vorlage nur mit Geltung für die Etatsjahre 1916, 1917 und 1918, alſo bis zum 31. März 1919, zu bewilligen, ſo daß es alſo vor Ablauf des Etatsjahres 1918 der Stadt⸗ verordnetenverſammlung vorbehalten ſein ſoll, noch einmal in Beratungen darüber einzutreten. Stadtv. Dr Rothholz: Meine Herren! Die Stiftungen ſind ein Friedensinſtrument und haben zweifellos in der vergangenen Zeit ihren Zweck er⸗ füllt, ſegensreich gewirkt und allen Anſprüchen ge⸗ nügt, die an ſie geſtellt wurden. Aber in den heuti⸗ gen ernſten Zeiten, wo ſo viele Opfer fallen, ſcheint es mir nicht angängig zu ſein, daß die Hinterbliebe⸗ nen der Kriegsgefallenen nur auf die Stiftungen an⸗ gewieſen ſein ſollen, wenn die Kämpfer noch keine Penſionsberechtigung in der Stadt Charlottenburg erreicht haben. Deshalb ſcheint es mir dringend not⸗ chſwendig zu ſein, daß ſich die ſtädtiſchen Körperſchaften mit dem Gedanken tragen, wie weit die Hinterblie⸗ benen der auf dem Felde der Ehre Gefallenen zu unterſtützen ſind und wie ihnen ein Recht für ihre Zukunft gewahrt wird. Es iſt ja ſicher,daß, wenn wir den Weg beſchreiten, den der Magiſtrat vor⸗ ſchlägt, entweder eine ganze Reihe von Antragſtel⸗ lern abgewieſen wird, oder ſelbſt, wenn die Anträge bewilligt werden, die Bewilligungen ſo klein aus⸗ fallen werden, daß kaum von einer Hilfe geſprochen werden kann, und das ſcheint mir ſehr bedauerlich. Im Namen einer Reihe von Freunden ſtelle ich deshalb den Antrag, die Vorlage des Magiſtrats einem Ausſchuß zu überweiſen. In dieſem Ausſchuß wollen wir erfahren, wie viele Anträge eingebracht ſind, wie hoch ſich die Unterſtützungen für die Fa⸗ milien belaufen, und dann wäre gemeinſam mit dem Magiſtrat zu beraten, ob ſich nicht ein Weg aus⸗ findig machen läßt, auf dem für die Hinterbliebenen der Kriegsteilnehmer in beſſerem Maße geſorgt werden kann. Ich glaube wohl, daß das vielleicht größere Mittel beanſpruchen wird; aber es iſt doch