Sitzung am 10. Mai 1916 Tine Ehrenſchuld, die wir abtragen. Die Kriegsteil⸗ nehmer haben durch den Krieg eine Anwartſchaft nicht erreichen können, und deshalb iſt es meines Er⸗ achtens die Pflicht der Stadt, für die Hinterbliebenen der Kriegsteilnehmer zu ſorgen. Bürgermeiſter Dr Maier: Meine Herren! Der Vorſchlag des Herrn Stadtv. Dr Byk wird ſicherlich im Magiſtrat Verſtändnis finden, ich glaube, daß ſich der Magiſtrat dem Antrag zuſtimmend gegenüber⸗ ſtellen wird; denn es iſt ganz ſelbſtverſtändlich, daß wir uns, wenn die Stadtverordneten wünſchen, nach einigen Jahren erſt einmal die Wirkung dieſer Maß⸗ regel zu prüfen, dieſem Wunſche nicht engegenſtellen werden. Die Ausführungen des Herrn Stadtv. Dr Roth⸗ holz habe ich in ihrer vollen Tragweite leider nicht erkennen können. Ich habe den Eindruck, als ob Herr I)r Rothholz von einer Materie geſprochen hat, die auf einem ganz andern Gebiete liegt als der Gegen⸗ ſtand, den wir hier zum Inhalte unſerer Vorlage ge⸗ macht haben. Meine Herren, die Stiftungen, um die es ſich hier handelt, haben lediglich den Zweck, gegenüber der ſonſtigen ſtädtiſchen Fürſorge im Wege der Un⸗ terſtützung je nach dem Bedürfnis ergänzend und helfend einzutreten, und wir haben nur die Abſicht, die geſamten Mittel, die aus dieſen drei Stiftungen fließen, im Bedarfsfalle auch reſtlos zu verwenden. Dabei denken wir uns das Vorgehen ſo, daß wir natürlich nicht die eine Gruppe je nach der Präven⸗ tion der Anträge durch die andere Gruppe ſchädigen laſſen wollen, ſondern wir wollen lediglich am Jah⸗ resſchluß die Mittel, die für die eine Gruppe nicht verausgabt ſind, für die andere Gruppe verfügbar haben. In dieſer Praris wollen wir alſo an ſich die Selbſtändigkeit der drei Stiftungen aufrechter⸗ halten. Das, was Herr Stadtv. Dr Rothholz an⸗ ſcheinend meint, iſt dagegen eine generelle ergänzende Fürſorge für die Hinterbliebenen von Kriegsteil⸗ nehmern auf der Grundlage eines Rechtsanſpruchs. Meine Herren, die Frage, wie die Kriegsteil⸗ nehmerwitwen und waiſen namentlich von ſolchen Perſonen hinſichtlich ihrer Verſorgungsanſprüche zu behandeln ſind, bei denen die militäriſche Stellung mit der ſozialen Stellung des bürgerlichen Lebens nicht im Einklang ſteht, iſt Gegenſtand der Erwä⸗ gungen der geſetzgebenden Körperſchaften des Reiches, und wir müſſen zunächſt einmal abwarten, wie die geſetzgebenden Körperſchaften des Reiches dieſe Frage erledigen werden. Wir haben aus einem beſonderen Anlaß in einer Vorlage der Stadtverord⸗ netenverſammlung darauf hingewieſen, daß die mili⸗ tärgeſetzliche Verſorgung inſoweit einer Reviſion bedarf, als ſie der bisherigen bürgerlichen Stellung des Kriegsteilnehmers Rechnung trägt, und haben für die Witwen und Waiſen derjenigen ſtädtiſchen Ge⸗ haltsempfänger, für die Unterſtützungen aus Stiftungen bisher nicht verfügbar waren, nämlich der Lehrer, einen beſonderen Fonds von der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung erbeten und auch bewilligt er⸗ halten, um bis zur Regelung von Reichs wegen ein⸗ treten zu können, damit keine Notſtände entſtehen. Die Stadtverordnetenverſammlung hat alſo aner⸗ kannt, daß durch die vorhandenen und neu bereit geſtellten Mittel die erforderliche Hilfe gemeindlich geleiſtet werden kann und ſoll. Ich bitte alſo, die von Herrn Dr. Rothholz vorgebrachte Angelegenheit heute nicht zum Gegenſtand einer Erörterung zu 4 89 machen. Sie kann von uns erſt erörtert werden, und wir können erſt prüfen, inwieweit die Gemeinde ihrerſeits generell neben der reichsgeſetzlichen Für⸗ ſorge eintreten ſoll, wenn die geſetzgebenden Körper⸗ ſchaften des Reiches den Gedanken, den ich vorhin ſchon angeführt habe, durch geſetzgeberiſche Maß⸗ nahmen erledigt haben. Stadtv. Dr Rothholz: Die Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters befriedigen mich inſofern nicht, als es jetzt ſchon eine ganze Reihe von Witwen gibt, die eine ſo kleine Reichs⸗ oder Militärpenſton beziehen, daß ſie zweifellos bei dieſen teuren Zeiten nicht auszukommen vermögen. Solange der Mann lebte und im Felde war, bezog die Frau die Kriegs⸗ unterſtützung durch die Unterſtützungskommiſſion; aber wenn der Mann geſtorben iſt und die Frau eine Rente bekommt, dann beginnt erſt das Elend, von dem wir ſo oft in den Unterſtützungskommiſſionen zu erfahren Gelegenheit haben. Deshalb möchte ich darauf dringen, daß wir dieſe Frage jetzt ſchon an⸗ ſchneiden und dem Magiſtrat eventuell Mittel zur Verfügung ſtellen, um in ſolchen dringenden Fällen helfend einzugreifen. Bürgermeiſter Dr. Maier: Ich glaube, daß Herr Dr Rothholz ſämtliche Kriegerwitwen und ⸗waiſen im Auge hat, oder nur diejenigen, deren Ernährer im ſtädtiſchen Dienſt tätig geweſen ſind“ (Stadtv. Dr. Rorhhol z: Nur die letteren!) Für dieſe Fälle reichen unſere Stiftungsmittel voll⸗ ſtändig aus. Wir haben die Fritſche⸗Stiftung, die Schuſtehrus⸗Stiftung und die Jubiläumsſtiftung, und für die Lehrer haben wir uns den beſonderen Fonds bewilligen laſſen, ſo daß für alle Kategorien der ſtädtiſchen Angeſtellten für die Zeit des Ueber⸗ gangs hinreichende Mittel zur ergänzenden Fürſorge vorhanden ſind. Infolgedeſſen iſt bis zur geſetz⸗ geberiſchen Regelung durch das Reich von uns aus nichts zu veranlaſſen. Stadtv. Otto: Die Mehrheit meiner Freunde erkennt die Wichtigkeit der Frage, die Herr Kollege Dr Rothholz hier angeſchnitten hat, an; wir ſind aber der Meinung, daß es ſich nicht empfiehlt, die Frage⸗ mit der Vorlage, die hier zur Verhandlung ſteht, zu verbinden. Daher wird die Mehrheit meiner Freunde auch nicht für den Ausſchußantrag ſtimmen. Stadtv. Katzenſtein: Meine Herren! Der Herr Bürgermeiſter hat ausdrücklich betont und Herr I)r Rothholz hat es beſtätigt, daß ſich deſſen Anregung nur auf die Familien der ſtädtiſchen Angeſtellten, die jetzt im Kriege gefallen ſind, beziehen kann. Ich meine aber, es müßte das auch für die ſämtlichen Kriegerwitwen ins Auge gefaßt werden. Es iſt zur Zeit bei den beſtehenden Lebensmittelpreiſen zweifel⸗ los nicht möglich, auch nur einigermaßen mit den Hinterbliebenenunterſtützungen, die für die niedrigen Chargen von der Militärverwaltung gezahlt werden, auszukommen. Infolgedeſſen ergeben ſich erhebliche Differenzen zwiſchen der ja auch nur ſehr be⸗ ſcheidenen Lebensfürſorge, die die Kriegsunterſtützun⸗ gen gewähren, und zwiſchen der Hinterbliebenenver⸗ ſorgung. Ich glaube, es wird notwendig ſein, auch für diejenigen Witwen, deren Männer nicht in ſtädtiſchen Dienſten geſtanden haben, die entſprechen⸗