Sitzung am 10. Mai 1916 In den Verhandlungen wurden aber auch Fragen geſtreift, die ſich auf die zukünftige Geſtaltung des Unternehmens namentlich in finangieller und bilanzieller Art beziehen, und es wurde eine Reihe von Wünſchen nach Ausgeſtaltung in dieſer Beziehung geäußert. Man war jedoch hier vollkommen darin einig, daß man der zuſtändigen Deputation, d. h. der Deputation für den Bau und Betrieb des Opern⸗ hauſes, in dieſer Beziehung, alſo de lec ferenda, nicht vorgreifen ſolle. Der Ausſchuß ſelbſt ſah ſeine Aufgabe mit der Prüfung der vorliegenden Rechnungen als erfüllt an. Ich empfehle Ihnen, meine Herren, im Sinne des Ausſchußantrags bei der Abſtimmung zu verfahren. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Ausſchuſſes mit großer Mehrheit, a) von dem bei den Akten befindlichen Jahres⸗ abſchluß nebſt Geſchäftsbericht der Schiller⸗ Theater⸗A.⸗G. für 1914§15 Kenntnis zu nehmen, b) von dem bei den Akten befindlichen Jahres⸗ abſchluß nebſt Bilanz und Gewinn⸗ und Ver⸗ luſtkonto des Deutſchen Opernhauſes auf den 31. Auguſt 1915 genehmigend Kenntnis zu nehmen.) Vorſteher Dr. Frentzel: Meine Herren! Damit ſind die Gegenſtände unſerer Tagesordnung erſchöpft, und wir kommen nunmehr zur⸗ Verhandlung der beiden Anfragen, die der Magiſtrat heute beantworten will, und des Antrags, der von Ihnen vorhin als dringlich erklärt worden iſt. Da die Gegenſtände dieſer beiden Anfragen und des Antrags ſich zum Teil decken, halte ich es für zweckmäßig, daß wir ächſt einmal in der Diskuſſion dieſe drei ver⸗ binden. Ich denke, Ihre Uebereinſtimmung voraus⸗ geſetzt, ſo zu verfahren, daß ich zuerſt nach der Stärke der Fraktion dem Antragſteller bezw. Frageſteller das Wort zur Begründung gebe und darauf die Ant⸗ wort des Magiſtrats abwarte. — Die Verſammlung iſt damit einverſtanden. Die Redner würden ſein zunächſt Herr Kollege Otto, dann Herr Kollege Hirſch und Herr Kollege Dr Stadthagen. Anfrage der Stadtv. Otto und Gen. betr. die Lebensmittelverſorgung der Charlottenburger Be⸗ völkerung. 5 Antrag der Stadtv. Bade und Gen. betr. Maß⸗ nahmen zur Regelung der Verteilung der Lebens⸗ mittel. Anfrage der Stadtv. Dr. Stadthagen und Gen. betr. die Einführung einer Fleiſchkarte. Frageſteller Verſorgung Charlottenburgs mit Lebensmitteln hat zu Zuſtänden geführt, die unbedingt eine Beſprechung in dieſer Verſammlung erforderlich machen. Aus dieſem Grunde haben meine Freunde die Anfrage, die Ihnen allen vorliegt, geſtellt. Erwähnt werden in dieſer Anfrage vor allem die Vorgänge bei der Verſorgung des Fleiſchmarktes. Hier liegen die Zuſtände beſonders arg, und ich glaube, es nicht übertrieben, wenn, gerade auf dieſen Punkt hinweiſend, die Anfrage von ſchweren Mißſtänden ſpricht. Die Mißſtände in der Verſor⸗ Stadtv. Otto: Meine Herren! Die 93 gung des Fleiſchmarktes liegen einmal in der Knapp⸗ heit der Vorräte und zum zweiten in der Höhe der Preiſe. Die Knappheit der Vorräte — und das möchte ich hier mit allem Nachdruck ausſprechen — empfinden alle Kreiſe der Charlotten⸗ burger Bevölkerung, die bemittelten wie die unbemittelten. Es wäre ein Irrtum, anzunehmen, daß von dieſer Knappheit nur die minderbemittelten Kreiſe betroffen würden. Auch in dieſer Verſamm⸗ lung wird eine ganze Reihe von Mitgliedern ſein, denen es nicht gelungen iſt, in den letzten Tagen oder Wochen Fleiſch überhaupt (Sehr richtig!) oder in nennenswertem Umfange zu erhalten. Sehr richtigl) Dieſe Knappheit hat nun bei den Verkaufsſtellen, die ſtädtiſches Fleiſch abgeben, zu geradezu unglaub⸗ lichen Zuſtänden geführt. Es iſt vorgekommen, und es kommt vor, daß Käufer und vor allen Dingen Käuferinnen nicht nur die ganze Nacht vor dieſen Verkaufsſtellen ſich aufpflanzen oder hinſetzen, ſon⸗ dern auch noch die Tagesſtunden bis in den Nach⸗ mittag hinein warten, um überhaupt Fleiſch zu be⸗ kommen. (Zurufe: Nicht zu bekommen!) — Oder nicht zu bekommen, was richtiger iſt. Hand in Hand mit dieſer Knappheit gehen Preiſe, die teil⸗ weiſe eine geradezu phantaſtiſche Höhe erreicht haben und die das häßliche Wort vom Wucher direkt her⸗ ausfordern. Es iſt begreiflich, daß derartige Vor⸗ kommniſſe in der Charlottenburger Bevölkerung eine nicht geringe Erregung hervorgerufen haben, und dieſe Erregung führte zu nicht unbedenklichen Aus⸗ brüchen, als ſich auf Grund verſchiedener Tatſachen allgemein die Meinung feſtſetzte, bei Schlächtern fän⸗ den, ſei es auch nur in vereinzelten Fällen, Verheim⸗ lichungen von Fleiſchvorräten oder ſogar Hinter⸗ ziehungen ſolcher Vorräte ſtatt. Das führte zu jenen bedauerlichen Ausſchreitungen, die Sie alle kennen, die man verurteilen muß beſonders inſoweit, als halbwüchſige Burſchen und Mäd⸗ chen mit Rohheiten und ſinnloſer Zerſtörungswut in Frage kommen, die aber der tieferblickende Volkspſycholog zu verſtehen ſucht, um ihrer Wieder⸗ kehr vorbeugen zu können. (Sehr richtig!) Verſchärfend fällt für die allgemeine Stimmung ins Gewicht, daß die Unregelmäßigkeit der Lebensmit⸗ telverſorgung ſich nicht nur auf Fleiſch erſtreckt, auch die Butterzufuhr iſt in letzter Zeit weſentlich knapper geworden. Sie ſehen jetzt wieder die end⸗ loſe Reihe der Frauen, die Butter zu kaufen ver⸗ ſuchen. Ebenſo hat es bei der Milch⸗ und ſelbſt bei der Brotverſorgung an einzelnen Störungen, wenn auch nur vorübergehenden und darum wohl unbedenk⸗ lichen Charakters, nicht gefehlt. Demgegenüber umfaßt die Bitte in unſerer An⸗ frage drei Punkte. Einmal möchte der Magiſtrat uns mitteilen, was ihm über die ſchweren Mißſtände bei der Lebensmittel⸗, beſonders bei der Fleiſchver⸗