96 ſammlung abgelehnt worden ſind, und ich glaube, Sie werden ſich nach dem Kriege ſehr zu überlegen haben, ob Sie dann nicht ſelbſt auf die früher von uns gegebenen Anregungen zurückkommen müſſen. Jetzt iſt es natürlich nicht möglich, das, was ſo lange verſäumt iſt, die Fehler der Vergangenheit, ſofort wieder gutzumachen; wir würden dann vielleicht nur Pfuſchwerk leiſten, und das liegt nicht in unſerer Abſicht. Jedenfalls zeigt es ſich jetzt, daß ſich die Fehler der Vergangenheit ſchwer rächen. Ganz beſonders groß ſind die Mißſtände auf dem Gebiete der Fleiſchverſorgung. Aber auch ſonſt haben ſich, wie Herr Kollege Otto bereits ausführte, Mißſtände herausgeſtellt, und zwar bei der Ver⸗ jorgung der Bevölkerung mit Butter, teilweiſe mit Brot, bei der Verſorgung mit Milch und ſtellenweiſe auch ſchon bei der Verſorgung mit Zucker. Herr Kollege Otto hat Ihnen geſagt, daß es zeitweiſe bei einigen Bäckern gar kein Brot gab. Auch ich kenne Leute, die hin⸗ und herliefen und nicht imſtande waren, auf ihre Brotkarte Brot zu erhalten. Die Mißſtände bei der Butterverſor⸗ gung ſind von uns in der Sitzung vom 22. De⸗ zember vorigen Jahres infolge einer Anfrage meiner Freunde beſprochen worden. Damals haben wir die Einführung einer Butterkarte angeregt. Der Herr Oberbürgermeiſter hat in Ausſicht geſtellt, daß nach Einführung der Groß⸗Berliner Butterkarte die Miß⸗ ſtände beſeitigt würden; er hat geſagt, daß ſich die Zufuhren reichlicher geſtalten würden, und tatſächlich haben die Anſammlungen vor den Butterläden zeit⸗ weiſe aufgehört. Aber heute ſehen wir vor den But⸗ terläden genau dieſelben Anſammlungen, Sehr richtig!) wenn nicht noch Anſammlungen in viel ſtärkerem Maße als früher. 5 (Sehr richtigl) Meine Herren, worauf iſt das zurückzuführen? Die Butter iſt in dem beſchränkten Umfange, wie ſie jedem Einwohner zuſteht, vorhanden, und man muß ſich wundern, wie es möglich iſt, daß, wenn tauſend Leute vor einem Butterladen ſtehen und um 4 Uhr der Butterverkauf beginnt, bereits um ℳ,5 Uhr die Parole ausgegeben wird: es iſt keine Butter mehr da! Dann werden die Maſſen empört, ſie ſagen ſich: das geht nicht mit rechten Dingen zu, hier müſſen irgendwie Durchſtechereien vorgekommen ſein. O0 das ſtimmt oder nicht, das können wir leider nicht unterſuchen; aber Sie werden mir zugeben, daß man es der Bevölkerung — und es handelt ſich hier um alle Schichten der Bevölkerung —, die ſo lange war⸗ tet, nicht verdenken kann, wenn ſie da auf einen der⸗ artigen Verdacht kommt. Meine Herren, wie iſt es mit der Milch? Zeitweiſe bekommt man keine Milch. Die Händſer erklären, ſie hätten keine Milch. Ich glaube auch, daß das wahr iſt. Sie können zahlreiche Frauen finden, die nicht einmal imſtande ſind, ſich für ihre kranken Kinder das nötige Quantum Miſch zu ver⸗ ſchaffen, obwohl ſie einen Ausweis vom Magiſtrat haben, der ſie eigentlich zur Entnahme von Milch berechtigt. Alſo daß Mißſtände beſtehen, iſt nicht mehr von der Hand zu weiſen. Es fragt ſich nur: was können Sitzung am 10. Mai 1916 die Gemeinden, was können ſpeziell wir in dem jetzigen Moment tun, um die Mißſtände wenigſtens einigermaßen zu beſeitigen. Wir alle wiſſen, daß unſer Tätigkeitsgebiet beſchränkt iſt; aber wir ſollten wenigſtens die Rechte, die wir haben, in vollem Maße ausnutzen. Das iſt durch die Gemeinden auch noch nicht ganz geſchehen. Wir haben noch immer ſehr wichtige Nahrungsmittel, für die bis heute noch keine Höchſtpreiſe feſtgeſetzt ſind, Nahrungsmittel, mit denen infolgedeſſen auch jetzt noch ein geradezu ſcham⸗ loſer Wucher getrieben wird. Sie brauchen ja nur einmal durch die Straßen zu gehen und in den Schau⸗ fenſtern die Preiſe zu betrachten, die von verſchie⸗ denen Kaufleuten für Nahrungsmittel gefordert wer⸗ den, Preiſe, die vielfach das Doppelte und Dreifache von dem ausmachen, was der Nachbar dafür fordert. Hier, glaube ich, muß zunächſt einmal der Hebel an⸗ geſetzt werden. Wir müſſen dafür ſorgen, daß für alle notwendigen Nahrungsmittel Höchſtpreiſe feſtgeſetzt werden, allerdings nicht immer erſt in dem Moment, wenn die Preiſe ſchon eine unerſchwingliche Höhe erreicht haben, (Sehr richtig!) ſondern beizeiten. Da iſt ſchon ſehr viel verſäumt worden. Sorgen wir dafür, daß wenigſtens das, was jetzt noch zu machen iſt, ſobald wie möglich nachgeholt wird. Meine Herren, wir haben in unſerm Antrag zur Beſeitigung der Mißſtände auf dem Fleiſchmarkt in erſter Linie die Einführung von Fleiſch⸗ karten verlangt. Ich mache durchaus kein Hehl daraus, daß wir ein Allheilmittel darin auch nicht erblicken, ſondern daß wir in erſter Linie verlangen müßten, daß das Reich Fleiſchkarten einführt. Aber darauf haben wir ja leider keinen Einfluß. Wir können noch ſo viele Petitionen an die Reichsregie⸗ rung richten; ich glaube, daß ſie ſich darum herzlich wenig kümmert. Deswegen ſollten die Gemeinden ſelbſt vorgehen; wir ſollten dafür ſorgen, daß ent⸗ weder für Groß⸗Berlin oder, wenn die Groß⸗Ber⸗ liner Gemeinden in dieſer Frage nicht unter einen Hut zu bringen ſind, dann für Charlottenburg allein, Fleiſchkarten eingeführt werden. Meine Herren, wir haben in unſerm Antrag geſagt: Fleiſchkarten nach dem Muſter der ſüddeut⸗ ſchen Staaten. Mir ſchwebt dabei die Fleiſchkarte aus Württemberg, Sachſen und Bayern vor; aber ich will ganz offen geſtehen, daß ich mich auf ein be⸗ ſtimmtes Muſter gar nicht feſtlege. Wenn Sie eine Fleiſchkarte einführen wollen, durch die die Verſor⸗ gung der Bevölkerung mit Fleiſch beſſer geregelt werden kann als in den genannten Staaten, ſo ſoll es uns recht ſein. Worauf es uns ankommt, iſt, daß Fleiſchkarten eingeführt werden, die es verhindern, daß ſich der eine Fleiſch in Hülle und Fülle kaufen kann, während ſeine Nebenmenſchen darben. Wenn wir nicht genug haben — und wir haben leider nicht genug —, dann ſoll eben das Wenige, das wir haben, gerecht verteilt werden, (Sehr richtig!) dann ſoll der eine nicht im Ueberfluß leben und der andere hungern. 2 Wir werden ja heute in dieſem großen Kreiſe kaum entſcheiden können, welche Form die Fleiſch⸗