Sitzung am 10. Mai 1916 karten, die wahrſcheinlich nur Sperrkarten ſein kön⸗ nen, annehmen werden; das wird Sache des Magi⸗ ſtrats oder der Deputation ſein. Aber um das eine möchte ich Sie bitten, daß Sie ſich grundſätzlich auf den Standpunkt, der Fleiſchkarte ſtellen und in dieſem Punkte unſerm Antrage zuſtimmen. Ich bin über⸗ zeugt, daß ſich der Magiſtrat, wenn ein einmütiges Votum der Stadtverordnetenverſammlung vorliegt, dem nicht widerſetzen kann, ſondern daß er dann un⸗ verzüglich an die Ausführung des Antrags geht. Erreichen läßt ſich ſchon etwas durch ſolche Karten. Ich erinnere daran, daß z. B. die Konſumgenoſſen⸗ ſchaft bereits jetzt Karten mit Nummern eingeführt hat, und zwar für alle Lebensmittel, die knapp ſind. Es werden alle Lebensmittel, die knapp ſind, ratio⸗ niert, und der Verkehr wickelt ſich dort gut ab. Viel⸗ leicht iſt es möglich, auf der Baſis, die dort bereits beſteht, weiter zu bauen. Meine Herren, wir ſordern dann weiter die Er⸗ richtung ſtädtiſcher Verkaufsſtellen. Ich habe bereits vorher geſagt, daß ich durchaus nicht behaupten will, daß ſich alle Händler, auch nicht alle Fleiſcher, ſo unlautere Manipulationen haben zu Schulden kommen laſſen, wie ſie von eini⸗ gen ihrer Berufskollegen berichtet werden. Aber in dieſem Falle hilft es einmal nichts: hier muß der Unſchuldige mit dem Schuldigen leiden, und ſelbſt diejenigen, die grundſätzlich auf dem Standpunkt ſtehen, daß der freie Handel auf keinen Fall ausge⸗ ſchaltet werden darf, möchte ich bitten, ſich einmal in dieſem Fall über ihre Prinzipien hinwegzuſetzen und ſich zu ſagen, das es ſich hier um eine Kriegsnotwen⸗ digkeit handelt, wobei das Intereſſe des Einzelmen hinter das Intereſſe der Geſamtheit zurück⸗ treten muß. 1 Meine Herren, wir werden durch ſtädtiſche Fleiſchverkaufsſtellen zweierlei erreichen: einmal, daß ſich der Handel nur in reeller Weiſe vollzieht, und zweitens, daß die Preiſe geſenkt werden. Mir liegt hier der Bericht der ſtädtiſchen Fleiſchhalle von Wil⸗ mersdorf vor. Es iſt ſehr intereſſant, aus dem Be⸗ richt feſtzuſtellen, daß die Durchſchnittsverkaufspreiſe in der ſtädtiſchen Fleiſchhalle zu Wilmersdorf erheb⸗ lich niedriger geweſen ſind als die Preiſe, die zu glei⸗ chey Zeit im freien Handel bezahlt wurden. So z. B. koſtete im Dezember vorigen Jahres im freien Handel das Kilo Rindfleiſch in Wilmersdorf 3,16 , während es in der ſtädtiſchen Fleiſchhalle nur 2,59 J koſtete. Schweinefleiſch fällt hier weg, weil dafür ja Höchſtpreiſe feſtgeſetzt waren. Beim Kalbfleiſch waren die Preiſe 3,75 ℳ bezw. 2,95 %, alſo ein ſehr weſentlicher Unterſchied, und bei Hammelfleiſch 3,85 bezw. 2,81 ℳ, d. h. eine Differenz von über 1 %ℳ pro Kilo. Meine Herren, Sie werden mir zugeben, daß dieſe Zahlen den beſten Beweis dafür erbringen, wie notwendig es iſt, von Stadt wegen derartige Verkaufsſtellen einzurichten. Nun könnte ja eingewendet werden, daß wir die geigneten Kräfte nicht hätten. Meine Herren, die geeigneten Kräfte ſind vorhanden. Wir würden die reellen Händler bewegen, ſtatt im freien Handel nun gewiſſermaßen als Beauftragte der Stadt zu fungieren, und ich glaube, daß ſie ſich dabei nicht ſchlechter ſtehen als heute, wo ja ſowieſo Tauſende von kleinen Geſchäftsleuten in ihrer Eriſtenz ruiniert ſind. Drittens haben wir dann eine ſchärfere Kontrolle notwendig. (Zuruf: Das iſt die Hauptſachel) 97 Das hat die Polizei auch endlich eingeſehen; ſie hat das Kriegswucherdezernat eingerichtet, von dem wir freilich noch nicht wiſſen können, wie es funk⸗ tioniert, von dem wir aber erwarten wollen, daß eine Reihe von ſchlimmen Mißſtänden durch ſeine Wirkſamkeit beſeitigt werden. Die polizeiliche Kon⸗ trolle, die bis jetzt beſtand, hat ſich durchaus nicht be⸗ währt, ja, man kann ſagen, daß ſie eigentlich Fiasko gemacht hat. Meine Herren, was haben wir erlebt? Wenn die Zeitungsberichte wahr ſind, dann wurden ich glaube, es war in der Grolmannſtraße bei dem Schlächter, wo ſo große Vorräte entdeckt wurden — auf Anordnung der Polizei die wertvollen Waren in Rieſenmengen an die Bevölkerung verkauft; Speck in Mengen von 5 bis 10 Pfund. In einer Zeit, wo weite Schichten der Bevölkerung ſich kaum er⸗ innern, wie Speck ausſieht, kommt irgend ein Po⸗ lizeibeamter und ordnet an: hier iſt Speck vorhan⸗ den, nun ſo viel verkaufen, wie da iſt. Das iſt ge⸗ radezu unverantwortlich und zeigt, daß die Polzei⸗ beamten, die dort tätig geweſen ſind, für die Sache, 9 0 die es ſich hier handelt, abſolut kein Verſtändnis aben. (Sehr richtig!) Ich glaube, daß auch die Kontrolle, die jetzt von den Polizeibeamten vor den Läden ausgeübt wird, abſolut nichts wert iſt. Die Polizeibeamten ſtehen dabei, höeren die Redensarten der Frauen an, machen vielleicht auch ſelbſt einige und halten die Ordnung auf der Straße aufrecht. Aber von dem, was im Innern der Läden vor ſich geht, wiſſen ſie nichts. (Sehr richtig!) Namentlich haben ſie keine Ahnung davon, und können auch keine Ahnung davon haben, wieviel etwa von dem Fleiſch — um bei den Schlächtern zu blei⸗ ben —, das von der Stadt geliefert war, zu Wurſt verarbeitet iſt und dann in einigen Wochen als aus⸗ wärtige Wurſt zu Wucherpreiſen an die Bevölkerung verkauft wird. (Sehr richtig!) Wenn wir eine Kontrolle ausüben, dann iſt es not⸗ wendig, ſie nicht auf den Verkauf zu beſchränken, ſon⸗ dern ſie muß auch auf die Fabrikation der Wurſt ausgedehnt werden. Nur ſo werden wir verhindern, daß die Bevölkerung übers Ohr gehauen wird. Nun fragt es ſich, durch wen die Kontrolle aus⸗ geführt werden ſoll. Wir ſagen in unſerm Antrag, daß die Mitglieder der ſtädtiſchen Körperſchaften das Kontrollrecht bekommen ſollen. Wir ſind uns be⸗ wußt, daß das nur im Einverſtändnis mit der Po⸗ litzei möglich iſt. Aber ich ſtehe da auf dem Stand⸗ punkt des Herrn Kollegen Otto: ich kann mir nicht denken, daß ſich die Polizei in einer ſo wichtigen Sache etwa an juriſtiſche Fragen klammert und ſagt: nein, ihr ſeid nicht zuſtändig, das iſt unſere Sache. Im Gegenteil, wenn die Polizei ihre Aufgabe richtig erfaßt, dann kann ſie es nur mit Freuden begrüßen, wenn ihr aus den Reihen der Bürger freimwillige Hel⸗ fer zur Verfügung geſtellt werden. Ueber den Kreis der Mitglieder der ſtädtiſchen Körperſchaften hinaus müſſen ſelbſtverſtändlich auch ſonſtige geeignete Per⸗ ſonen, Fachleute und vor allen Dingen Frauen, zur