S itzung am 10. Mai 1916 „führe. Ich erkenne es mit dem Herrn Oberbürger⸗ meiſter nicht nur als gerechtfertigt, ſondern als durch⸗ ans erwünſcht an, daß der Landwirt ſich nicht zu einem großen Schlachten und An⸗den⸗Markt⸗bringen des Viehes entſchließt, bevor es genügend fett iſt, wodurch wichtige Nahrungsmittel verloren gehen würden. 4 Es kommt weiter als Bedenken gegen die Fleiſch⸗ karte hinzu, daß der Bedarf an Fleiſch ſeitens der einzelnen Teile der Bevölkerung verſchieden iſt. Der Bedarf an Brot iſt ungefähr gleichmäßig oder läßt ſich doch in wenige große Kategorien bringen, und wir ſehen, wie gut und glatt es ſich bewährt, im allgemeinen jedermann die gleiche Brotmenge zu ge⸗ währen und durch Zuſatzkarten beſtimmten Kreiſen der Bevölkerung ein Mehr zu bieten. Bei dem Fleiſch iſt es anders. Der Mann, der noch in der Blüte ſeiner Jahre ſteht, hat einen andern Fleiſch⸗ bedarf als der alte Mann oder gar die alte Frau, der geiſtige Arbeiter einen andern als derjenige, der kör⸗ perlich arbeitet, und ſolcher Unterſchiede ſind gar piele. Es fällt endlich noch ins Gewicht, daß, während wir bei dem Brot im weſentlichen mit einer Einheits⸗ qualität zu rechnen haben, bei dem Fleiſch ganz ver⸗ ſchiedene Sorten vorhanden ſind, die ſich nicht in gleichem Maße für alle Schichten der Bevölkerung eignen, auch früher nicht in gleichem Maße von den einzelnen Teilen der Bevölkerung aufgenommen worden ſind. Aber trotzdem führt uns über alle dieſe Beden⸗ ken, die beſtehen und bleiben werden, eins hinweg, nämlich das große Argument, daß jetzt nicht ſo viel Fleiſch vorhanden iſt, oder wenigſtens nicht ſo viel er⸗ reicht werden kann, um auch nur die Mindeſtmenge, „die für jeden erwachſenen Menſchen notwendig iſt, unſeren Mitbürgern zugänglich zu machen. Ob uns die Fleiſchkarte die Sicherheit bietet, daß das anders wird, dahinter mache ich ein großes Fragezeichen. Aber das iſt jedenfalls gewiß: durch die Fleiſch⸗ karte wird vor der geſamten Be⸗ völkerung klargeſtellt, daß reich und arm, Wohlhabende und Unbemittelte nur eine gleiche Menge Fleiſch be⸗ ziehen können, und das räumt dasjenige hin⸗ weg, was ich in der jetzigen Lage für das Allerge⸗ fährlichſte halte, den Glauben, daß ein Teil der Be⸗ völkerung Ueberfluß hat, während andere hungern müſſen. (Sehr richtig!) Das allein genügt zum Beweiſe, daß die ſchleunige Einführung der Fleiſchkarten geboten iſt. Unſer Antrag unterſcheidet ſich nun von dem Antrage der ſozialdemokratiſchen Fraktion in dieſem Punkte inſofern, als wir den Magiſtrat nur auf⸗ fordern, unverzüglich Fleiſchkarten einzuführen, wäh⸗ rend die Herren Kollegen von der ſozialdemokratiſchen Fraktion die Einführung von Fleiſchkarten „na ch dem Muſter der ſüddentſchen Staaten“ verlangen. Herr Kollege Hirſch hat bereits ange⸗ deutet, daß er unſerem Antrage zuzuſtimmen geneigt wäre; er legt auf das ſüddeutſche Muſter ſcheinbar keinen großen Wert. Wir haben davon abſehen zu follen geglanbt, auf ein beſtimmtes Muſter hinzu⸗ weiſen, weil wir nicht überſehen können, welches Muſter das beſte iſt, und es der Lebensmitteldepn⸗ tation überlaſſen wollen, die daraufhin genau zu prüfen. Auch die Anregungen, ie Herr Kollege Stadthagen gegeben hat, würden einzelnen Vorgänge 107 hierbei zu erwägen ſein. Kurz und gut, wir denken, daß der Magiſtrat uns Vorſchläge machen wird, denen wir, gleichviel nach welchem Muſter ſie kom⸗ men, folgen werden, wenn ſie die Sache praktiſch und richtig anfaſſen. Meine Herren, wenn in bezug auf Punkt 1 eine ſachliche Meinungsverſchiedenheit zwiſchen den beiden Anträgen nicht beſteht, ſo iſt das allerdings der Fall hinſichtlich des Punktes 2 des ſozialdemo⸗ kratiſchen Antrags, dem wir nicht zuſtimmen können. Der ſozialdemokratiſche Antrag verlangt für die Ver⸗ teilung der ſtädtiſchen Nahrungsmittel beſondere Verkaufsſtellen, in denen „unter Aus⸗ ſchaltung des Handels“ die Nahrungsmittel unter Leitung und Aufſicht ſtädtiſcher Organe un⸗ mittelbar der Bevölkerung zugeführt werden. Mehrere erhebliche Gründg gegen dieſen Teil des Antrags hat der Herr Oberbürgermeiſter bereits mitgeteilt; ich werde ſie nicht wiederholen. Ich muß aber bei der Gelegenheit einige allgemeine Bemerkungen machen, zu denen mich die Zuſpitzung der Anträge der ſozialdemokratiſchen Fraktion zu 2 und 3 in be⸗ zug auf den Handel veranlaſſen. Ich möchte davor warnen, die Miß⸗ ſt än de, die ſich in dieſem oder ienem Geſchäft gezeigt haben, zu verallge⸗ meinern und zum Ausgangspunkte von Angriffen gegen den Handel im allgemeinen zu machen. Es kaun keine Meinungsverſchiedenheit zwiſchen den Mitgliedern dieſer Verſammlung darüber geben, daß da, wo jetzt gewuchert wird, die ſchärf ſte Mi ß bil⸗ ligung am Platze iſt, (Sehr richtig!) die ſchärfſten Strafen, die überhaupt denkbar ſind. Aber ebenſo ſollten wir darin einig ſein, daß das⸗ jenige, was der einzelne vielleicht Uebles tut, keines⸗ wegs verallgemeinert werden darf, wie es geſchehen iſt. Wir haben aus der objektiven Darſtellung des Herrn Oberbürgermeiſters entnommen, daß ſelbſt von den in den letzten Tagen in der Oeffentlichkeit er⸗ örterten Fällen, die eine Fülle von erdrückendem Be⸗ laſtungsmaterial zu bieten ſchienen, ein Teil und ge⸗ rade die, die am meiſten Aufſehen erregt haben, mit einem Ergebniſſe erledigt worden ſind, das für die Beſchuldigten durchaus günſtig iſt. Aber ſelbſt wenn in anderen Fällen möglicherweiſe noch verwerfliche Bereicherungsverſuche der Geſchäftsinhaber feſtgeſtellt werden ſollten, darf daraus nicht gefolgert werden, daß ſich die Fleiſcher insgeſamt zum Nachteil der Bevölkerung bereichern. Gehen Sie durch die Stra⸗ ßen unſerer Stadt, ſehen Sie, wieviel Fleiſcherläden nicht nur an den fleiſchloſen Tagen, ſondern über⸗ haupt geſchloſſen ſind, Sehr richtig!) weil ſie nicht mehr die Möglichkeit haben, ihren Be⸗ trieb fortzuführen! Da wird man ſich nicht die An⸗ ſicht bilden können, daß das Fleiſchergewerbe im all⸗ gemeinen durch den Krieg große ungerechtfertigte Gewinne bezieht. Deshalb wäre es höchſt unbillig, wegen der Verfehlungen einzelner das ganze Lebens⸗ mittelgewerbe bloßzuſtellen und von den ohne⸗ hin beſchränkten Verdienſtmöglichkeiten auszuſchalten. Der Antrag der ſozialdemokratiſchen Fraktion geht nun dahin, Verkaufsſtellen der Stadt für ſtädtiſche Nahrungsmittel zu errichten. Trotz der