108 Gedanken, die ich Ihnen vorgetragen und ſind wohl auch die anderen an unſerm Antrage beteiligten Herren durchaus keine Gegner von ſt ä d tiſchen Verkaufsſtellen. Ich gebe zu, daß ſtädtiſche Verkaufsſtellen manches für ſich haben. Ich gebe zu, daß es mißlich iſt, wenn in demſelben Laden ſtädtiſches Fleiſch und Fleiſch des beteiligten Handlers verkauft wird. Ich würdige vor allen Dingen, daß derartige ſtädtiſche Verkaufsſtellen auch dazu dienen würden, Verdächtigungen hintanzuhal⸗ ten, wie ſie durch das Nebeneinander des Verkaufs von ſtädtiſcher und privater Ware zurzeit an der Ta⸗ gesordnung ſind. Aber die ſe ganze Frage iſt eine Zweckmäßigkeitsfrage und muß als ſolche behandelt werden. Städtiſche Verkaufs⸗ ſtellen ſind jedenfalls, wenn ſie am Platze ſind, nur dann am Platze, ſobald genügend Ware vorhanden iſt. Iſt nicht genügend Ware vorhanden, dann würden die ſtädtiſchen Verkaufsſtellen es mit ſich bringen, daß nur an ganz wenigen Stellen der Ver⸗ kauf ſich vollziehen würde: die Einrichtung würde dann nicht zu einer Erleichterung des Bezuges ſtädtiſcher Ware führen, ſondern im Gegenteil zu einer Erſchwerung. Ich muß ferner darauf auf⸗ merkſam machen, daß wir hinſichtlich einiger Nah⸗ rungsmittel jett bereits eine andere Regelung haben, die, ſoweit bekannt, irgendwelche Mißſtände nicht ge⸗ zeitigt hat. Sie wiſſen, daß Gemüſe und Kartof⸗ feln durch eine Intereſſengemeinſchaft vereinigter Kleinhändler abgeſetzt werden. Es liegt kein Anlaß vor dieſe Organiſation zu beſeitigen, ſolange man ihr nicht irgendwelche Vorwürfe machen kann. Des⸗ halb wollen wir darauf verzichten, den Magiſtrat zur Schaffung von ſtädtiſchen Verkaufsſtellen auf zu⸗ fordern. Wir überlaſſen es vielmehr der Le⸗ bensmitteldeputation und dem Magiſtrat, nach Zweckmäßigkeitsgründen zu befinden, ob und in wel⸗ chem Umfange ſtädtiſche Verkaufsſtellen errichtet wer⸗ den ſollen. Meine Herren, das, was ich allgemein gegen Verallgemeinerung gegen Handel und Gewerbe ge⸗ ſagt habe, trifft auch für Punkt 3 des Antrags der ſogialdemokratiſchen Partei zu. Dort wird gefor⸗ dert, daß „für eine ſchärfere Kontrolle der Ladenbnhaber geſorgt werde.“ Die Kon⸗ trolle iſt wünſchenswert, iſt notwen⸗ d i g. Sie muß in dem erforderlichen Umfang und in geeigneter Art ausgeübt werden. Indeſſen, wir brauchen dieſe Kontrolle nicht in einer W 2 iſe zu verlangen, die ein Mißtrauensvo⸗ tum gegen die Ladeninhaber im allge⸗ meinen in jich ſchließ t. Aus dieſem Grunde wollen wir lediglich den letzten Teil des An⸗ trags annehmen, nämlich daß, ſolange und ſoweit ſtädtiſche Verkaufsſtellen nicht eingerichtet ſind, ſach⸗ kundigen Perſonen das Betreten der Nahrungsmittel⸗ geſchäfte und die Kontrolle der Verkaufsart erlaubt wird. Aber auch in dieſem Teile erlauben wir uns einen kleinen Abänderungsvorſchlag. Der Herr. Oberbürgermeiſter hat ſchon darauf hingewieſen, daß es nicht angebracht wäre, allzu viel und nicht unbedingt ſachkundige Leute nun — ver⸗ zeihen Sie das harte Wort auf unſere Nahrungs⸗ mittelgeſchäfte loszulaſſen. Das hat in der Tat keinen Zweck und liegt auch nicht in unſerm Sinn. Wir wiſſen, daß unſere Nahrungsmitteldeputation ſeit Jahr und Tag mit heißem Bemühen dieſe An⸗ gelegenheit verfolgt: ihre Mitglieder find ſicherlich zuſtändig, die Kontrolle vorzunehmen. Wir teilen auch mit der ſozialdemokratiſchen Fraktion den habe, bin ich Sitzung am 10. Mai 1916 Wunſch, daß weiteren ſachkundigen Perſonen, na⸗ mentlich Frauen, eine ſolche Kontrolle erlaubt wird auf Grund von Ausweiskarten, die mit der Polizei zu vereinbaren wären. Aber auf den geſamten Kreis der Mitglieder der ſtädtiſchen Verwaltung dieſe Kon⸗ trollbefugnis auszudehnen, das ſcheint uns nicht an⸗ gemeſſen und in dieſer Beziehung ſind wir für eine Einſchränkung des ſozialdemokratiſchen Antrags. Meine Herren, noch eine kurze Schlußbemer⸗ kung. Herr Kollege Hirſch hat im Verlaufe ſeiner Rede ausgeführt, er hätte ſich über die Ruhe der Bürgerſchaft angeſichts der Zuſtände gewundert. Ich bin weit entfernt, dieſer Bemerkung des Herrn Kol⸗ legen Hirſch einen Sinn zu unterlegen, den ſie nicht gehabt hat. Aber ich möchte meinen, es iſt nichr richtig, daß man ſich über die Ruhe wundert; denn die Ruhe iſt hier das Normale und Gebotene. Wir waren alle ſehr erfreut, als das Wort von den „Heim⸗ kriegern“ geprägt wurde. Wir haben das Bewußt⸗ ſein gehabt, daß damit anerkannt wird, daß auch das Gros der Bevölkerung, das nicht die Strapazen und Gefahren im Kriege auszuhalten hat, manches⸗ zum Durchhalten des Krieges zu leiſten vermag. (Sehr richtig!) Aber dieſen Ruhm, nach dem wir alle ſtreben, er⸗ wirbt man nicht dadurch, daß man nur Zeuge großer Ereigniſſe iſt, ſondern die Berechtigung darauf muß man auch betätigen und unter Umſtänden dadurch beweiſen, daß man Entbehrungen erleidet, ohne zu klagen oder gar Ausſchreitungen zu begehen. Des⸗ halb möchte ich nicht ſagen: ich habe miſch darüber gewundert — ſondern ich möchte dankbar anerkennen, d a ß die weitere Bevölkerung Charlotten⸗ burgs in dieſer Lage eine würdige Ruhe bewieſen hat. (Sehr richtig!) Mit dieſer Anerkennung verbinden wir allerdings den dringenden Wunſch, daß künftig alles geſchehen möge, um dieſe würdige Haltung nicht zu gefährden, und zwar vermöge einer gerechten Verteilung der vorhandenen Lebensmittel, wie wir ſie an der Spitze unſeres Antrags verlangen. (Bravo!) Stadtv. Bernhard: Meine Herren! Zunächſt möchle ich meiner ganz beſonderen Freude über die beredten Worte Ausdruck geben, in denen der Herr Oberbürgermeiſter davor gewarnt hat, die Schuld an den Zuſtänden, die ſich jetzt entwickelt haben, ein⸗ ſeitig der Landwirtſchaft in die Schuhe zu ſchieben. Ich halte dies Beginnen, das ſich jetzt neuerdings wieder immer ſtärkor bemerkbar macht, für außer⸗ ordentlich bedenklich. Ich kann auch durchaus nicht der Frage ohne weiteres zuſtimmen, die Herr Kol⸗ lege Hirſch an uns gerichtet hat, ob man jetzt nicht einſehe, daß die Behauptung, die deutſche Landwirt⸗ ſchaft wäre in der Lage, das Deutſche Reich zu er⸗ nähren, verneint werden müſſe. Vor allem bin ich der Anſicht, daß ſo die Frage gar nicht geſtellt werden kann. Mir ſcheint vielmehr, es bedeutet enwas ganz Außergewöhnliches, daß ein ſo ausgeſprochener In⸗ duſtrieſtaat wie Deutſchland in der Lage iſt, ſich in