Sitzung am 21. Juni 1916 Richtungen Aenderungen und Ergänzungen der Vor⸗ lage erwünſcht. Es dürfte angezeigt ſein, die Einzel⸗ heiten nicht in der erſten Leſung hier zum Gegenſtand einer Erörterung zu machen, ſondern ſie vorerſt in einem Ausſchuſſe zu beſprechen, deſſen Einſetzung ich hiermit beantrage. 6 Stadto. Katzenſtein: Meine Herren! Wir be⸗ grüßen es, daß der Magiſtrat eine Vorlage gemacht hat, um der Teuerung etwas Rechnung zu tragen. In der vorigen Sitzung wurde von Magiſtratsſeite erklärt, daß ſeit der letzten Teuerungszulagebewil⸗ ligung, ſeit dem Herbſt, eigentlich eine weſentliche Verſchlimmerung nicht angenommen werden könne, da ſogar durch Höchſtpreiſe gewiſſe Lebensmittel⸗ preiſe herabgeſetzt worden ſeien. Es freut mich, daß der Magiſtrat in dieſer Vorlage anerkennt, daß tat⸗ ſächlich die Verteuerung zugenommen hat. Es iſt ja auch nicht notwendig, das irgendwie zu beweiſen. Bedauern aber müſſen wir, daß der Magiſtrat dieſer Tatſache in einem ſo unzulänglichen Maße Rech⸗ nung getragen hat, wie das geſchehen iſt, daß vor allen Dingen für die ledigen und die kinderloſen Arbeiter Lohnaufbeſſerungen überhaupt nicht vorge⸗ ſehen ſind. Ich glaube, es wird notwendig ſein, dieſe Dinge bis zur nächſten Sitzung noch einmal einge⸗ hender zu beraten. Wir hoffen, daß es möglich ſein wärd, in einem Ausſchuß noch wenigſtens einige Verbeſſerungen durchzuſetzen, und ſchlagen Ihnen deshalb vor, die Vorlage einem Ausſchuß zu über⸗ weiſen. (Die Verſammlung beſchließt mit großer Mehr⸗ heit die Ueberweiſung der Vorlage an einen Ausſchuß von 15 Mitgliedern und wählt in dieſen Ausſchuß die Stadtverordneten Dr Damm, Dr Frentzel, Frie⸗ drich, Gebert, Jaſtrow, Kantzenbach, Katzenſtein, Dr Liepmann, Mann, Mener, Otto, Panſchow, Rieſen⸗ berg, Dr Rothholz und Zaein.) Vorſteher Dr. Frentzel: Wir kommen nunmehr zu Punkt 10 der Tagesordnung: Vorlage betr. Neuverpachtung der ſtädtiſchen Rieſel⸗ felder. Druckſache 70. Stadtv. Dunck: Meine Herren! Ich beantrage namens meiner Freunde die Annahme der Magi⸗ ſtratsvorlage. Sie iſt im Magiſtrat und in der Kanaliſationsdeputation eingehend beraten worden. Die Deputation hatte ſogar einen Unterausſchuß eingeſetzt, der die neuen Pachtſäte eingehend beraten und feſtgelegt hat. Als beſonders erfreulich iſt zu begrüßen, daß nach Möglichkeit der Gemüſebau ge⸗ fördert worden iſt. Bereits im Jahre 1915 haben 40 Morgen Land mit Gemüſe bebaut werden können; in dieſem Jahre iſt die Fläche auf 110 Morgen erhöht worden. Wir begegnen hier beſonderen Schwierig⸗ keiten durch die Arbeiterverhältniſſe, haben uns aber eine Fläche bis zu 200 Morgen reſerviert, um den Gemüſebau noch weiter auszudehnen. Das Gemüſe ſoll der Bevölkerung Charlottenburgs zugeführt werden. Ich beantrage alſo die Annahme der Ma⸗ giſtratsvorlage. Stadtv. Leupold: Meine Herren! Meine Freunde beantragen, für dieſe Vorlage einen Ausſchuß ein⸗ zuſetzen. Wir glauben, daß es gerade bei der heutigen Zeit notwendig iſt, möglichſt Gewicht darauf zu legen, daß die Rieſelgüter in eigene Bewirtſchaftung über⸗ 125 gehen. Wir haben geſehen, daß durch die Kriegs⸗ verhältniſſe die Städte in größtem Maßſtabe von 71 benuchteiligt worden ſind. Es gibt eine ganze Reihe deutſcher Städte, welche die Rieſelgüter ſelbſt bewirtſchaften. Wir glauben, daß ſich aus einer eingehenden Beratung der Vorlage im Ausſchuß Vorteile ergeben können, daß vielleicht die Möglich⸗ keit vorliegt, die Bewirtſchaftung der Rieſelfelder in eigene Regie zu nehmen. Wir erſuchen deshalb, einen Ausſchuß einzuſetzen. Stadto. Rieſenberg: Meine Herren! Meine Freunde ſind geneigt, in einem Ausſchuſſe mitzu⸗ arbeiten, und zwar beſtimmen uns dazu verſchiedene Gründe. Zunächſt möchten wir gerne wiſſen, ob es nicht möglich wäre, eine größere Fläche als 200 Morgen zum Anbau von Gemüſe zu verwenden. Was andere Städte auf dieſem Gebiete geleiſtet haben, können wir in Charlottenburg nicht ohne weiteres in Anwendung bringen. Berlin baut z. B. eine Fläche von 24 000 Morgen ſelbſt an, über 6000 ha. Da wollen 200 Morgen, die Charlottenburg in Anbau nehmen will, nicht ſehr viel bedeuten. Allerdings neigte Berlin vor dem Kriege dahin, nach und nach größere Strecken der Verpachtung zu übergeben. Ich glaube aber, daß der Krieg in dieſer Anſchauung Wandel ſchaffen wird und ſchon Wandel geſchaffen hat. Die Errichtung einer großen Dörranſtalt in Berlin ſcheint darauf hinzu⸗ deuten, daß Berlin auch in zukünftigen Jahren einen etwas größeren Gebrauch von der eigenen Bewirt⸗ ſchaftung machen wird. Z3'weitens leiten uns etatsrechtliche Bedenken. Es wird zu prüfen ſein, ob der Gewinn dem Kanali⸗ ſationsetat belaſſen oder dem Allgemeinen Etat überſchrieben werden ſoll. Dieſe Frage müßte unke⸗ dingt im Ausſchuſſe geprüft werden. Berlin hat meines Wiſſens einen Sonderetat für dieſe Angele⸗ genheit, den ſogenannten Güteretat. Es geht nicht an, daß etwaige Ausfälle, die hier eintreten können, den Grundbeſitzern zu Laſten geſchrieben werden. Auch die günſtige Erfahrung, die wir mit dem Verkauf von Gemüſe am Fürſtenbrunner Weg ge⸗ macht haben, ſollte uns zu Bedenken veranlaſſen. Ich habe mich perſönlich überzeugt, wie der Verkauf am Fürſtenbrunner Weg vor ſich geht, und kann nur feſtſtellen, daß Gemüſe dort reichlich begehrt worden iſt. Es ſind Bürger mit der Bahn aus der Gegend vom Knie gekommen, haben das Fahrgeld bezahlt, um hier friſches Gemüſe zu billigen Preiſen zu kaufen. Der Verkäufer, an den ich mich wandte, erzählte mir, daß man lebhaft bedauerte, nicht mehr Gemüſe auf den Markt werfen zu können. Der Ma⸗ iſtrat hat uns auch durch den Zwiſchenverkauf an die emüſehändler einen ſehr gangbaren Weg ge⸗ wieſen, wie billiges, friſches Gemüſe ſchnell unter die Bevölkerung gebracht werden kann. Ich wünſchte, daß derartige Verſuche in immer größerem Maßſtabe ausgeführt würden. Auch hierzu könnte die Beratung dieſer Vorlage im Ausſchuſſe beitragen. Der Vertrag läuft allerdings erſt zum Oktober 1917 ab, und wir wollen hoffen, daß zu dieſem Termin der Friede eingekehrt ſein wird. Ob aber dann ſchon der wirt⸗ ſchaftliche Friede eingezogen ſein wird, das bezweifeln, glaube ich, wir alle. Der wirtſchaftliche Krieg wird nach dem Frieden erſt recht und in verſchärftem Maße in die Erſcheinung treten. Wir haben geſehen, daß der wirtſchaftliche Krieg unſere häuslichen Verhältniſſe derart auf den Kopf geſtellt hat, daß es dringend not⸗