Sitzung am 7. Februar 1917 waltung, die vor einigen Monaten erſchienen iſt, gleichfalls Vorbereitungen zu einer Förderung des Kleinwohnungsweſens. Ich will hier nur daran er⸗ innern, daß es ſehr wohl möglich iſt, die Schaffung einer gemeinnützigen Baugenoſſenſchaft in die Wege zu leiten, jetzt ſchon Schritte dazu zu tun, um die Mitglieder zuſammenzubringen, damit nachher, wenn der Krieg zu Ende iſt, unmittelbar gebaut werden kann. Die Geſellſchaft für ſoziale Reform macht auch einige Vorſchläge, die für den Augenblick, für die akute Notlage, wie ſie bevorſtehen dürfte, beſtimmt ſind. Sie verlangt, daß die Stadtverwaltung ſich mit dem Militärfiskus in Verbindung ſetze, um möglichſt alle Baracken, die heute für militäriſche Zwecke gebraucht werden, zu erwerben, damit ſie ſpäter für einen erſten Notſtand dienen können; ſpäter kann man ſie zweckmäßig für Volksheime, Waldſchulen uſw. verwenden. Weiter wird angeregt, man ſolle reellen Hausbeſitzern dabei behilflich ſein, daß ſie leerſtehende größere Wohnungen und gewerbliche Lokale, an denen ja heute Ueberfluß iſt, zu zweckmäßigen Kleinwohnun⸗ gen umbauen. Ich weiß wohl, daß es ſich bei all dieſen Dingen nur um vorübergehende Notbehelfe handelt, daß größere und einſchneidendere Maß⸗ nahmen vorbereitet und in die Wege geleitet werden müſſen. Daß aber der Maaiſtrat hierzu keinerlei Bereitwilligkeit zeigt, das müſſen wir ihm mit aller Schärfe zum Vorwurf machen. Natürlich läßt ſich nicht ſagen: ſo wie es nach 1871 geweſen iſt, wird es wieder werden. Aber die „Gefahr iſt vorhanden. Und vergeſſen wir nicht: heute handelt es ſich um weit größere Menſchenmaſſen. Groß⸗Berlin hat heute die fünffache Anzahl Be⸗ wohner, die es damals gehabt hat. Die Gefahr iſt alſo um ſo größer. Wenn die Krieger nach Hauſe kommen und nicht imſtande ſind, ſich eine angemeſſene Wohnung zu ſuchen, namentlich wenn ſie eine größere Anzahl Kinder haben, dann werden ſich die trauri⸗ gen Zuſtände, wie ſie vor dem Kriege ſchon geherrſcht haben, noch verſchärfen, daß der Vater einer größe⸗ ren Kinderzahl überhaupt keine Wohnung mehr be⸗ kommt. Meine Herren, wir reden und hören ſo viel von der Notwendigkeit der Bevölkerungsvermehrung der Notwendigkeit, die Schäden, die der Krieg bringt, auszugleichen und dem Entvölkerungsprozeß, wie er ſich ſchon vorher bemerkbar gemacht hat, entgegenzu⸗ wirken. Hier handelt es ſich um ein ernſtes und dringliches Mittel, das viel einſchneidender wirken würde als ſo manche der kleinen Mittel, die heute oft ganz unzweckmäßig angewandt werden. Daher iſt es unbedingt notwendig, hier vorzugehen. Aber, meine Herren, ich werde den Verdacht nicht 108, daß bei unſerm Magiſtrat tatſächlich gar kein großes Intereſſe für die Sache vorhanden iſt. Ich verſtehe es, eine Gemeinde, die im Weſten liegt, die recht viel zahlungsfähige, den intellektuellen Kreiſen angehörige Bewohner zählt, wünſcht vielleicht gar keine große Bevölkerung aus Kreiſen, die der Finanzver⸗ waltung weniger genehm ſind, die vielleicht auch ſonſt viel Schwierigkeiten machen. J chmeine jedoch, es darf keine Gemeinde dem Norden oder dem Oſten oder ſonſt den weniger bevorzugten Teilen die Heilung der Schäden überlaſſen, die aus unſeren Verhältniſſen hervorgehen, von denen auf der andern Seite ein großer Teil unſerer hieſigen Bevölkerung ſehr viele Vorteile zieht. In dem Buche von Kuczynski, dem Schöneberger Städteſtatiſtiker, über Wohnungs⸗ weſen der Gemeinden in Preußen finden wir eine Reihe von Gemeinden aufgeführt — allerdings wenige 11 in Preußen, Süddeutſchland leiſtet viel mehr, und auch in Preußen faſt alle im Wenen —, die ſelbſt Woh⸗ nungen gebaut haben, die mit Baugenoſſenſchaften oder ſonſt wie vorgegangen ſind⸗ Charlotten⸗ burg befindet ſich nich t darunter, das hat nur ſein digenherm und ſonſt einige Dinge, die mit dem Hypothetarkredit zuſammenhangen, aufzuweiſen. Wir müſſen daher unbedingt verlangen, daß hier vorgegangen wird. Es genügt nicht, zu ſagen: die verſchiedenen Geſetze müſſen erledigt werden. Bisher war es doch ſchon möglich, etwas zu tun. Freiburg, Ulm, auch Düſſcldorf haben nicht gewartet, bis ſolche Eeſetze verabſchredet waren, ſie haben etwas geleiſtet. So iſt es auch hier möglich. Es geht auch nicht an, ſich immer hinter dem Zweckverband zu ver⸗ ſtocken. Der Zweckverband ſoll in der Sache einheit⸗ lich und geſchloſſen vorgehen. Wenn das noch nicht geſchehen iſt, ſo frage ich: warum hat Charlottenburg noch nicht die Initiative ergriffen? Bisher iſt es wenigſtens nicht bekannt geworden, daß unſere Stadt⸗ verwaltung dort mit Anträgen vorgegangen iſt. Ich behaupte aber ausdrücklich: wenn der Zweckverband hier verſagen ſollte, dann ſind die e in zelnen Ge⸗ meinden berechtigt und verpflichtet, ſelbſt vorzu⸗ gehen. Wir haben bebauungsfähiges Gelände ge⸗ nug im Norden, wir haben ein Gebiet an der Jungfernheide, das für ein Villenviertel vorgeſehen iſt. Es iſt dringlicher, notwendiger und wichtiger, dafür zu ſorgen, daß vor allen Dingen der breiten Maſſe der Bevölkerung menſchenwürdige Wohnun⸗ gen geboten werden, damit nicht die Kinder ver⸗ kommen und all die Gefahren entſtehen, Kinderſterb⸗ lichkeit, Tuberkuloſe uſw., die wir als Folgen der Kleinwohnungsnot kennen. Daher bedaure ich die Haltung des Magiſtrats in dieſer Frage. Ich möchte wünſchen, daß heute die Verfammlung eine ſo unzweideutige Haltung ein⸗ nehme, daß der Magiſtrat ſich veranlaßt ſieht, dieſe Angelegenheit mit der genügenden Entſchiedenheit und nötigen Beſchleunigung zu behandeln. Ich möchte die Verantwortung der Herren nicht tragen, wenn nachher die Verhältniſſe ſo werden, wie wir es kommen ſehen, und ſie ſich dann ſelber ſagen müſſen — ich weiß nicht, ob ſie es anderen eingeſtehen wer⸗ den —: wir haben nicht getan, was notwendig iſt. Sie müſſen doch keine ruhige Stunde haben, wenn ſie ſich ſagen müſſen, daß ſo ſchwere Gefahren drohen, Ddaß diejenigen, die heute ihr Leben für uns opfern und ihre Exiſtenz aufs Spiel ſetzen, ſolchen Gefahren entgegengehen und ſie mit gekreuzten Armen dabei⸗ ſtehen und erklären: wir wollen abwarten, wie ſich die Dinge entwickeln. Stadtv. Wöllmer: Meine Herren! Als wir im Januar v. I. den Antrag der ſozialdemokratiſchen Fraktion annahmen, haben wir durch unſern Frak⸗ tionsredner, Kollegen Meyer, unſere Sympathie für den Antrag zum Ausdruck bringen laſſen, weil wir, natürlich nicht nur wir, ſondern alle Stadtverordneie und auch der Magiſtrat, der Ueberzeugung ſinv, daß die Gemeindekörperſchaften alle Veranlaſſung haben, ſich mit dieſem Problem zu beſchäftigen und ſchon jetzt, obwohl wir uns noch mitten im Kriege vefin⸗ den, in eine näſere Prüfung dieſer Frage einzutre⸗ ten. Wir waren uns aber damals — das hat auch mein Freund Meyer zum Ausdruck gebracht keinesfalls im Zweifel ücer die Schwierigkeiten, ein⸗ mal über die Schwierigkeit der Vorfrage, auf die Kollege Katzenſtein wieder ausführlich zurückgekom⸗